Digital Services Act: Diese Regeln gelten seit dem 17. Februar 2024
Im August 2023 ist der Digital Services Act (DSA) in Kraft getreten und seit dem 17. Februar für alle Anbieter verpflichtend. Damit soll der bisherige Flickenteppich aus Regeln für Internetdienste in der EU vereinheitlicht werden, gleichzeitig ersetzt dieser das Anfang 2018 eingeführte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG).
Allerdings hinkt Deutschland mit der Umsetzung des unionsweiten Grundgesetzes für digitale Dienste hinterher und hat die neuen Vorgaben noch nicht in nationales Gesetz überführt. So beriet der Bundestag erst am 18. Januar dieses Jahres in erster Lesung über die hierzulande als „Digitale-Dienste-Gesetz“ bezeichnete Regelung, am 21. Februar sollen Fachleute im Digitalausschuss zu dieser angehört werden. Die von der Europäischen Union vorgegebene Regelung stellt lediglich die Mindestanforderungen, jeder Mitgliedstaat kann zusätzliche oder strengere Gesetze erlassen. Somit gilt das von der EU verabschiedete Gesetzespaket bereits jetzt, weitere Vorgaben können aber folgen.
Je nach Größe unterschiedliche Vorgaben
Während sich die großen Diensteanbieter bereits im vergangenen Jahr und damit sofort an die neuen Spielregeln halten mussten, sah der Gesetzgeber für kleinere Dienste mit weniger als 45 Millionen Nutzern in der EU aufgrund ihrer geringeren finanziellen Möglichkeiten für die Umsetzung der Vorgaben eine Übergangsfrist vor, die seit Samstag letzter Woche verstrichen ist und die neue Regelung somit für alle verpflichtend macht. Das neue Gesetzespaket betrifft nicht nur soziale Netzwerke oder Suchmaschinen, auch Onlineshops, bei denen in der Regel auch Rezensionen hinterlegt werden können, sind betroffen – im Grunde alle, bei denen Nutzer eigene Inhalte, in welcher Form auch immer, beisteuern können.
Eine besondere Bedeutung erhalten beim DSA die VLOP (Very Large Online Platforms) und VLOSE (Very Large Online Search Engines), für die zusätzliche Kriterien und Anforderungen gelten, wie unter anderem halbjährliche Transparenzberichte, die Auskunft über die Moderationstätigkeit des Anbieters geben sollen. Zu diesen gehören Angaben zu etwaigen Löschungen sowie regelmäßige Risikobewertungen darüber, inwieweit diese oder das bereitgestellte Angebot die Verbreitung rechtswidriger Inhalte verstärken oder negative Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit oder Wahlprozesse haben können. Diese Anforderungen gelten auch für kleinere Plattformen, allerdings nur im jährlichen Turnus. Gleichzeitig müssen mit Ausnahme der kleinen Anbieter alle sechs Monate Angaben über die Zahl der monatlichen Nutzer in der EU gemacht werden.
Google hat für einige dieser Regelungen sowie weitere Informationen Ende August das Transparenz-Center ins Leben gerufen.
Hierzulande Zuständigkeitschaos
Die Zuständigkeiten sind dabei geteilt: Für größere Unternehmen sieht sich die EU-Kommission zuständig, kleinere Unternehmen fallen unter die nationale Kontrolle. Dafür muss jeder Mitgliedstaat der EU mit dem Digital Services Coordinator eine eigene zentrale Beschwerdestelle einrichten, an die sich Nutzer wenden können, sollten sie der Meinung sein, dass ein Anbieter sich nicht an die Vorgaben hält. Dabei ist vorgesehen, dass sich entsprechende Stellen, sollte es die Situation erfordern, untereinander über ein Vorgehen abstimmen.
In Deutschland wird eine solche Anlaufstelle noch bis zur endgültigen Übernahme des Gesetzes auf sich warten lassen. Dabei werden sich mehrere Behörden die Aufgabe teilen: Beim Thema Jugendschutz werden die Landesmedienanstalten und die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz die Zuständigkeit übernehmen, während sich um Teile der personalisierten Online-Werbung der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit kümmern wird. Für den Rest wird die Bundesnetzagentur zuständig sein.
Viele Verpflichtungen
Grundsätzlich soll der DSA dazu beitragen, dem sogenannten „Hatespeech“, also massiven Beleidigungen oder Drohungen im Netz, ein adäquates Gegengewicht entgegen und Nutzern ein leicht zugängliches und benutzerfreundliches Werkzeug zur Verfügung zu stellen, um solche Vorfälle melden zu können. Doch damit nicht genug: Mit dem neuen Gesetz sind Anbieter nun auch verpflichtet, Auskunft darüber zu geben, welche Maßnahmen sie nach einer Meldung ergriffen haben. Entsprechende Anfragen wurden bisher nicht selten mit dem Verweis auf den Datenschutz abgewiesen. Aber auch die Rechte der von einer Sperre oder Löschung betroffenen Nutzer wurden gestärkt: So ist mit der neuen Regelung eine Begründung verpflichtend, ob die Löschung aufgrund eines Verstoßes gegen die eigenen Richtlinien des Dienstes oder nach eigener Einschätzung der Rechtslage erfolgte. Um willkürliche Entscheidungen und das als Overblocking bezeichnete vorschnelle Sperren von Inhalten möglichst zu unterbinden, können Nutzer ihrerseits gegen diese Entscheidungen vorgehen. Auch dafür muss der Anbieter entsprechende Hinweise bereitstellen.
Kommt der Anbieter zu dem Schluss, dass es sich bei der Meldung womöglich um eine Straftat handeln könnte, ist er mit dem neuen Gesetz dazu verpflichtet, den Vorfall den zuständigen Behörden zu melden. Gleiches gilt für die bisher im Telemediengesetz verankerte Regelung bezüglich rechtswidriger Inhalte, wenn ein Entfernen nicht möglich ist. Auch hier ist eine Sperrung möglich. Generell müssen Anbieter jedoch nach wie vor erst ab dem Zeitpunkt tätig werden, wenn sie von genannten Inhalten erfahren, Vorsichtsmaßnahmen sind nicht notwendig. Ebenso gibt der DSA, anders als das NetzDG, keine Zeit mehr vor, innerhalb derer Anbieter reagieren müssen – die Rede ist nur noch davon, dass eine Entscheidung „zeitnah, sorgfältig, frei von Willkür und objektiv“ getroffen werden muss.
Rechte von Nutzer und Verbraucher stärken
Gleichzeitig soll mit den neuen Regelungen der Verbraucherschutz gestärkt werden. Sogenannte „Dark Patterns“, die den Nutzer durch ihre Gestaltung zu Handlungen verleiten sollen, die den eigentlichen Interessen zuwiderlaufen, sind verboten. In den ersten Monaten nach Inkrafttreten der entsprechenden Vorgaben kritisierte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die Maßnahmen als noch nicht ausreichend. So hätten alle der nach 100 Tagen überprüften Anbieter weiterhin manipulative Gestaltungen ihrer Angebote verwendet. Zudem seien die Nutzungsbedingungen nach wie vor schwer verständlich, ebenso fehle es weiterhin an der geforderten höheren Transparenz bei den Werbekriterien.
Werbung soll zudem klarer als solche erkennbar sein, ebenso von wem die Werbung verteilt wird, wer sie bezahlt und welche Auswahlkriterien der Verteilung zugrunde liegen. Plattformen ist es künftig untersagt, auf sensiblen Auswahlkriterien beruhende Werbung anzuzeigen, zu denen unter anderem Gesundheitsinformationen, politische Überzeugungen oder die sexuelle Orientierung einer Person gehören. Auch die Verarbeitung von Daten Minderjähriger zu Zwecken der gezielten Werbung ist, zumindest wenn das Alter bekannt ist, künftig strengstens untersagt. Eine Altersbestimmung ist jedoch nicht vorgegeben.
Stärkere Folgen bei Verstößen
Neben den Anforderungen wurden auch die Konsequenzen bei Nichteinhaltung verschärft. Hierzu werden den zuständigen Behörden zahlreiche Befugnisse eingeräumt, die bis hin zu Zwangsgelder und Geldbußen von bis zu 1 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes reichen können. In bestimmten Fällen, etwa bei Verstößen gegen DSA-Verpflichtungen oder einstweilige Maßnahmen kann das Bußgeld sogar auf 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes angehoben werden. Auch das Verhängen regelmäßiger Sanktionen von bis zu 5 Prozent des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes für jeden Tag sind möglich. Zur Feststellung etwaiger Vergehen können Geschäftsräumlichkeiten durchsucht, Zeugen vernommen und Beweismittel beschlagnahmt werden – in Deutschland gilt dafür nach wie vor der Richtervorbehalt.
Ausblick
Wie so vieles wird sich auch der Digital Services Act in der Zukunft erst beweisen müssen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser einen positiven Effekt auf die zu regelnden Punkte ausüben oder sich eher als Markthemmnis entpuppen wird. Als sicher dürfte aber gelten, dass bei manchen Vorgaben, insbesondere in Grundrechtsfragen, noch einige juristische Auseinandersetzungen vorprogrammiert sind.