KDE Plasma 6 im Überblick: Mega-Release bringt Qt 6 und Wayland als Standard
Gut zehn Jahre hat es gedauert, jetzt ist der Linux-Desktop von KDE Plasma 6 in einer neuen Hauptversion erschienen. Zahlreiche Änderungen, von der Technik-Basis bis hin zu Features und Anwender-Software, bringt der Mega-Release mit. Der Wechsel der Qt-Version und ein neuer Standard-Display-Server zeugen von großen Anpassungen.
Tiefgehende Änderungen mit Qt 6 und Wayland
KDE entstand aus dem Wunsch heraus, ein einheitliches grafisches Design unter dem Betriebssystem Linux haben zu können. Durch das konsequente Setzen auf das GUI-Toolkit Qt im Bereich des Desktops und dessen Anwendungen konnten Anwender bei entsprechender Programmauswahl ein homogenes Nutzungserlebnis forcieren. Da die Entwicklerfirma hinter Qt bereits 2020 ihre neue Version 6 vorgestellt hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis KDE ebenfalls auf die neue Versionsnummer umsteigt.
Leider legten (lizenz)rechtliche Fragen dem Umstieg Steine in den Weg und erst nach Klärung konnte die Entwicklung von Plasma 6 volle Fahrt aufnehmen. Dadurch ist eine der großen und entscheidenden Neuerungen ab sofort die Nutzung von Qt 6 als Basis für den Desktop.
Doch die Entwickler belassen es nicht nur bei einer großen Neuerung. Wayland hat in Plasma 6 einen Zustand erreicht, der ihn als Standard-Display-Server nutzbar macht. Wayland gilt als Nachfolger für den in die Jahre gekommenen X-Server. Obschon der Funktionsumfang an einigen Stellen Features vermissen lässt, legt Wayland eine höhere Sicherheit und moderne Konzepte in die Waagschale. Dem Henne-Ei-Prinzip folgend, fehlte lange angepasste Software, da auch Nutzer fehlten. Besonders ärgerlich war beispielsweise, dass der Absturz des gesamten Desktops und damit der Verlust an offenen (nicht gespeicherten) Fenstern drohte, falls sich ein Fehler in Wayland ereignete. Mit Ausmerzung der Kinderkrankheiten und dem Setzen als Standard bringt KDE mit Plasma 6 nun Wayland als Display-Protokoll für die breite Masse.
HDR für Linux
Wer HDR unter Linux nutzen wollte, hatte lange Zeit das Nachsehen. Zumindest für Spieler ändert sich das mit dem neuen Plasma-Desktop. Wie bereits initiativ von Valve auf dem Steam Deck eingeführt, lässt sich nun nach dem Hinterlegen eines ICC-Profils für das Ausgabegerät unter KDE auf dem Desktop automatisch die Anpassung der Farbwiedergabe durchführen. Zum aktuellen Stand trifft das auf Games zu, während normale Anwendungen auf sRGB begrenzt sind. Doch die Entwickler haben bereits angekündigt, die Unterstützung auszubauen. Die neue HDR-Funktion setzt dabei die Wayland-Sitzung und einen passenden Monitor voraus.
Im Zusammenhang mit der Farbwiedergabe gibt es nun auch Unterstützung für mehrere Farbblindheitsmodi, die Rot-Grün-Schwäche, Rotblindheit und Tritanopie umfassen.
Eine Taskleiste nach Wunsch
Neu in Plasma 6 ist das standardmäßig aktive Floating Panel. Dabei „schwebt“ die Taskleiste über dem Hintergrundbild und Anwendungsfenstern. Falls das Verhalten den Nutzern nicht zusagt, lässt sich die Leiste über einen einfachen Schalter zum klassischen Panel zurückwechseln. Dabei wurden generell die Panel-Einstellungen überarbeitet und bieten nun einen einfachen Zugang zur Konfiguration. Obendrein gibt es als Neuerung einen intelligenten Autohide-Modus, der die Leiste bei Kontakt mit einem Fenster automatisch ausblendet. Durch die neuen Features nähert sich die KDE Taskleiste vom Funktionsumfang dem bekannten Latte-Dock an, wodurch sich mehr individuelle Desktops-Setups ohne zusätzliche Software umsetzen lassen.
Die Welt ist ein … Würfel
Über Jahre hinweg wurde im Zusammenhang mit dem Linux-Desktop oft der berühmte Würfel von KDE gezeigt. Ob Augenschmaus oder technische Spielerei, nötig oder nicht: Wie auch immer die Meinung zum Würfel ausgefallen ist, in vielen Fällen erregte er Aufmerksamkeit. Vor zwei Jahren wurde die Übersicht der aktiven Desktops aus KDE aufgrund von Überarbeitungen des hauseigenen Compositors KWin entfernt. Entsprechend feiert das Feature zum Mega-Release von Plasma 6 sein Comeback.
Überarbeitet: Einstellungsmenü und Designsprache
Die Systemeinstellungen in KDE waren schon immer sehr umfangreich. Vom Design über Themes, von der Auflösung bis zu den Netzwerkeinstellungen, von der Nutzerverwaltung bis hin zu den Druckereinstellungen: Viele der alltäglichen Einstellungen ließen sich über die GUI lösen. Das führte über die Zeit aber zu einer altbackenen und für unerfahrene Nutzer eher unübersichtlichen und verschachtelten Menüführung. Dieser Sache hat sich das Entwicklerteam zum Groß-Release ebenfalls angenommen und das Optionsmenü nutzerfreundlicher gestaltet sowie die Anzahl der Untermenüseiten verringert. Obendrein hat eine neue Option den Weg in KDE gefunden: die Systemsounds. Als neues Standardtheme wurde Ocean eingeführt und löst seinen Vorgänger Oxygen ab.
Breeze mit frischer Brise
KDE ist seit Langem bekannt für die umfangreiche Anpassbarkeit im Design. Dabei lässt sich der Desktop ganz den individuellen Wünschen entsprechend umdekorieren und mit eigenen oder bestehenden Themes ausstatten. Auch eine komplette Umformung des Desktops ist möglich, sodass er etwa dem von macOS entspricht oder eben etwas ganz eigenes wird. Dabei geht aber gern allzu schnell unter, dass Plasma natürlich auch eine ganz eigene Designsprache hat: Breeze. Letzteres hat ebenfalls eine Überarbeitung erfahren. Die Entwickler wollten ein moderneres Aussehen spendieren, mit weniger separierenden Rahmen und einheitlichen Abständen.
Neue Wallpaper sind mit im Paket
Mitte letzten Jahres hat das KDE-Projekt einen Wallpaper-Wettbewerb gestartet. Der Gewinner durfte sich über einen Framework-Laptop freuen und die Nutzer über neue Standard-Wallpaper im Tag/Nacht-Design.
Überarbeitete Suchfunktion
Die Suchfunktion in Plasma ist seit Langem ein zuverlässiges und umfangreiches Werkzeug. Neben Dateien, laufenden Programmen, Applikationen, Ordnern und eine durch Plugins um zusätzliche Suchkriterien erweiterbare Quellenbasis lassen sich auch Anwendungen direkt vom Desktop über das bloße Tippen des Namens starten. Doch was gut ist, kann auch besser werden, und so ist obendrein eine Menge Entwicklungsarbeit in Plasma Search eingeflossen. Schlagworte wie „mehr als 200 Prozent schneller“ bei der Suche nach zuletzt genutzen Dokumenten oder „bis zu 60 Prozent schneller“ beim Suchen nach Anwendungen untermauern die Mühe. Generell ist die Suchfunktion mit Plasma 6 schneller und verbraucht dabei weniger CPU-Ressourcen. Als zusätzliche Funktionen gibt es nun die direkte Umwandlung von Zeitzonen innerhalb der Suche und Ergebnisse werden sowohl in der Systemsprache als auch in Englisch abgeglichen.
Zahlreiche Verbesserungen auch unter der Haube
Wer als neuer Benutzer vor einer frischen Installation von KDE stand (besonders wenn er vorher von Windows gewechselt ist), durfte sich erst mal darüber wundern, dass Anwendungen und Dokumente bereits nach dem ersten Klick starten bzw. öffnen. Ab Plasma 6 ist der Doppelklick nun die Standardoption. Für Touchpad-Nutzer gibt es unter Wayland die neue Default-Option des „tap to click“.
Ebenfalls für das Touchpad ist der neue KDE-Desktop mit verbesserten Touchpad-Gesten ausgestattet. Gleichfalls überarbeitet ist die Übersicht im Desktop-Wechsler, der ein reibungsloses Hin und Her zwischen verschiedenen virtuellen Desktop-Oberflächen ermöglicht.
Als Detailverbesserung führt das Klicken auf der Scrollbar nun zu einem direkten Scrollen zur ausgewählten Stelle. Thumbnail Grid wird zum vorausgewählten Taskswitcher.
Passende Anwendungen von und für KDE
Das KDE-Projekt ist nicht einfach nur ein Desktop, es ist auch eine Reihe an Anwendungen, die sich nahtlos darin integrieren. Entsprechend gibt es für ausgewählte Programme ebenfalls Neuerungen.
KMail: Das E-Mail-Programm von KDE
Ein neuer, in Rust geschriebener integrierter Werbeblocker entfernt nun Werbung und Tracking-Code aus E-Mails und letztere werden auch direkt über OpenPGP in KMail validiert. Die Kalender-Komponente ermöglicht das Versenden von verschlüsselten und signierten E-Mail-Einladungen. Darüber hinaus lassen sich dank Kleopatra verschlüsselte E-Mails aus Webclients wie Gmail anzeigen.
Dolphin kann nun ebenfalls mehr
Dolphin ist der Dateimanager in KDE und hat als zentrales Element des Desktops ebenfalls mehr Möglichkeiten erfahren. Neben der generellen Design-Überarbeitung ist die Menüführung neu gestaltet worden und nun leichter zugänglich. Zusätzliche Hotkeys ermöglichen das Öffnen des Hauptmenüs und von Kontextmenüs – diese Neuerung hat ebenfalls in anderen Anwendungen Einzug gehalten. Das Rechtsklick-Menü eines Ordners erlaubt nun das Öffnen in Split-View.
Tokodon: KDEs Mastodon-Client
Mastodon als Mikroblogging-Dienst hat innerhalb des KDE-Projekts einen eigenen Client. Mit Tokodon sind das Lesen, Verfassen und direkte Kommunizieren aus einer Desktop-Anwendung direkt möglich. Besonders der erste Start der Anwendung wurde im Rahmen des neuen Releases überarbeitet. Neben allgemeinen Informationen über Mastodon selbst lässt sich direkt ein Login in einen bestehenden Account durchführen oder ein neues Konto anlegen. Zusätzliche Kontrollmechanismen ermöglichen eine Feineinstellung darüber, welche Beiträge innerhalb Mastodons sichtbar werden. Besonders das Melden und Sperren von Konten ist nun leichter aus der Timeline heraus.
Kate: Texteditor beherrscht zahlreiche (Programmier-)Sprachen
Kate ist mehr als nur ein einfacher Texteditor und um den Umfang weiter auszubauen, gibt es nun eine automatische Einrichtung des LSPs für CSS, SCSS, LESS, XML, Julia und PHP ebenso wie das Debug Adapter Protocol für Dart und Flutter. Anzeigen in Split-View können beim Scrollen synchronisiert werden. Für mehr Barrierefreiheit verfügt Kate ab sofort über einen Text-to-Speech-Support. Unter der Haube gibt es zudem einen neuen JSON-Parser mit mehr Geschwindigkeit und weniger Speicherbelegung.
Konsole: Der mächtige Zugang zu allen Linux-Funktionen
Eine um 50 Prozent verringerte Speicherreservierung ermöglicht dem Terminal-Emulator ebenso wie dem aufklappbaren Terminal Yakuake eine bessere Performance. Nutzer von logografischen Sprachen wie dem Chinesischen erhalten eine berichtigte Textauswahl. Diese hatte bislang Probleme beim Markieren bereitet. Für mehr Stabilität sorgt das Auslagern von Tabs in eigene Cgroups, um zu verhindern, dass die gesamte Konsolen-Anwendung abstürzt, wenn das System durch einen Prozess überladen wird.
Plasma für die Hosentasche
Neben iOS und Android existieren weitere Betriebssysteme für Smartphones, auch wenn sie in der öffentlichen Wahrnehmung kaum Gehör finden. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Linux-Distributionen wie postmarketOS, die wiederum einer Software-Ausstattung bedürfen. Hier kommt Plasma Mobile ins Spiel und stellt die mobile Variante des KDE-Desktops dar. Passend für Plasma 6 erhält auch Plasma Mobile Neuerungen wie einen Willkommensbildschirm beim ersten Start, der die Konfiguration von Wi-Fi, der Zeitzone, Skalierungs-Optionen und Verbindungseinstellungen erleichtert. Der Startbildschirm selbst ermöglicht ab sofort die Sortierung von Anwendungssymbolen anhand einer Gitteranordnung und das Gruppieren.
Je nach verwendeter Linux-Distribution werden sich Plasma 6 und die neuen Anwendungen innerhalb der nächsten Tage oder Monate in den Paketquellen wiederfinden – oder zeitnah in KDE Neon.
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4,4 SterneKDE neon ist eine von KDE entwickelte Distribution mit stets aktuellem KDE-Plasma-Desktop.
- Version 20241117-0745 Deutsch