Lobbyismus: EU-Parlament verwehrt Amazon Zugang
Als Konsequenz auf Versäumnisse hat das EU-Parlament 14 Amazon-Mitarbeitern die Akkreditierung und damit den Zugang zum Parlamentsgebäude entzogen. Diese Einschränkung soll so lange gelten, bis das US-Unternehmen in einen ernsthaften Dialog über geäußerte arbeitsrechtliche Bedenken tritt.
Darüber berichtet unter anderem Politico unter Berufung auf den rumänischen Abgeordneten und Vorsitzenden des Beschäftigungsausschusses des Parlaments Dragoş Pîslaru. Quästor und Grünen-Abgeordneter Marcel Kolaja bestätigte die Entscheidung. Der Ausschuss hatte den Zugangsentzug beantragt, nachdem sich Amazon-Vertreter erneut geweigert hatten, mit Abgeordneten über die Arbeitsbedingungen bei dem US-Konzern zu sprechen.
Amazon soll Sitzung ferngeblieben sein
Die Vertreter waren dafür zu einer Anhörung des Beschäftigungsausschusses zum Thema „Arbeitsbedingungen in Amazon-Lagern“ geladen worden, blieben dem Treffen jedoch mit der Begründung fern, dass die Ankündigung von rund einem Monat zu kurzfristig gewesen sein soll. Bereits im vergangenen Dezember hatte Amazon einen Termin abgesagt, bei dem Abgeordnete zum gleichen Thema Warenhäuser des Unternehmens im Weihnachtsgeschäft besichtigen wollten. Der Ausschuss schrieb daraufhin einen Brief an die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und bat darum, den Mitarbeitern des Unternehmens den Zugang zur Institution zu entziehen.
Aufgrund des Briefes, den Netzpolitik.org veröffentlichte, kamen die Quästoren, die für die Selbstverwaltung des Parlaments zuständig sind, dem Anliegen nach und verwehrten somit den Amazon-Mitarbeitern den Zugang zum Gebäude. „Indem es sich einem offenen Austausch mit dem Europäischen Parlament verweigert, zeigt Amazon nicht nur fehlenden Respekt für unsere Institution, sondern behindert auch einen demokratischen Aufsichtsprozess“, so eine der Begründung in dem Schreiben für den Ausschluss. Die Akkreditierungen sollen dabei so lange entzogen bleiben, bis Amazon seine Bereitschaft zu einem wirklichen Austausch signalisiere.
Die sozialdemokratische Abgeordnete und Mitglied im Beschäftigungsausschuss wurde dagegen deutlicher. „Wenn sie dem Parlament den Mittelfinger zeigen, warum sollten wir sie dann auf unserem Territorium willkommen heißen?“, so die niederländische Politikerin.
Vorwurf des Verstoßes gegen Transparenzregeln
Dies ist jedoch nicht die einzige Kritik, der sich Amazon derzeit im Europäischen Parlament ausgesetzt sieht. So berichtet Netzpolitik.org weiter, dass Metsola auch einen Brief eines zivilgesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Bündnisses erhalten habe, in dem ebenfalls von einem nicht zustande gekommenen Treffen zwischen Amazon und Abgeordneten berichtet wird. „Wenn man die Größe von Amazon und die Ressourcen und Präsenz in Betracht zieht, die es hat, dann ist das eine gewollte Behinderung der demokratischen Kontrolle der Aktivitäten dieses Unternehmens “, wird aus dem Brief zitiert. Die Organisationen werfen Amazon weiter vor, gegen die Transparenzregeln der EU verstoßen und Angaben über die Anzahl der Mitarbeiter und die Kosten ihrer Lobbyarbeit zu niedrig angesetzt zu haben.
Zustimmung und Einschränkungen für Amazon
Die Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory wertet den Ausschluss von Amazon als Erfolg. „Amazons absolute Missachtung der demokratischen Kontrolle seines ausbeuterischen Geschäftsmodells wird nicht toleriert werden“, so Bram Vranken, Aktivist bei CEO. Margarida Silva, Forscherin beim Zentrum für Forschung zu multinationalen Unternehmen SOMO, sieht dies ebenso und fordert, dass Mitglieder des EU-Parlamentes jetzt sicherstellen müssen, „dass sie keine Seitentür für Amazon-Lobbyisten öffnen, und die EU-Institutionen müssen ihre Überwachung von EU-Lobbyaktivitäten verstärken “.
Generell dürfte die Lobbyarbeit für Amazon jetzt zwar schwieriger, aber nicht unmöglich werden. Treffen zwischen Abgeordneten und Vertretern des Konzerns sind nicht verboten, müssen ab sofort jedoch auf einem anderen Terrain stattfinden.
Amazon kritisiert Verwehrung des Zugangs
Dass Amazon den Vorfall anders schildert, sollte nicht überraschen. In einer Erklärung zeigte sich das Unternehmen enttäuscht darüber, dass trotz der Versuche, „konstruktiv mit den Mitgliedern des Beschäftigungsausschusses in Kontakt zu treten“ die Zugänge der Mitarbeiter gesperrt worden seien. Der US-Konzern verweis auf die bisherige Zusammenarbeit in dieser Legislaturperiode wie etwa beim Digital Services Act (DSA) oder an europäischen Aktionen gegen gefälschte Produkte. Auch auf den zum Entzug des Zugangs geführten Vorfall ging Amazon ein: „Wir glauben aber auch, dass es wichtig ist, neben einzelnen Unternehmen den gesamten Industriesektor zu untersuchen, und Sitzungen zu halten, die dafür konzipiert sind, Fakten zu verstehen, und nicht nur politische Punkte zu erzielen“.
Gleichzeitig räumte Amazon ein, sich geweigert zu haben, an dem Treffen des Ausschusses teilzunehmen, da dieses in den Augen des Unternehmens eindeutig einseitig gewesen sei und nicht dazu diente, eine konstruktive Debatte oder eine objektive Prüfung zu fördern. Der Konzern widersprach jedoch der Behauptung, es habe sich geweigert, mit den politischen Entscheidungsträgern über die diskutierten Themen zu sprechen, wie mehrere Briefe, E-Mails und Telefonate seit letztem Sommer belegen sollen. Außerdem seien in den letzten Jahren „Hunderte von politischen Entscheidungsträgern – darunter auch Mitglieder des Europäischen Parlaments, die im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sitzen“ in den Betriebsstätten und Büros empfangen worden.
Auch die Absage des Besichtigungstermins sei in den Augen des Unternehmens nicht richtig dargestellt worden. Termine kurz vor Weihnachten seien wegen des Weihnachtsgeschäfts nicht möglich gewesen, so die Erklärung. Einladungen für andere Termine sollen jedoch bereits ausgegeben worden sein. „Wir sind weiterhin bereit, den Ausschuss in unseren Einrichtungen willkommen zu heißen, ob in Deutschland, Polen oder an einem anderen Ort in der EU, wenn er die Einladung annimmt “, so Amazon.