Bundesdatenschutzbeauftragter: D64 kritisiert intransparente Benennung
In einem offenen Brief beklagt das „Zentrum für Digitalen Fortschritt“ (D64) mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen intransparente Vorgänge bei der Neu- oder Weiterbesetzung des Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) und sprechen sich indirekt für den bisherigen Amtsinhaber aus.
In dem veröffentlichten Brief, der von 22 weiteren Organisationen wie Digitalcourage, noyb, der Gesellschaft für Informatik, der Stiftung Datenschutz, Digitale Gesellschaft oder auch dem Chaos Computer Club unterzeichnet wurde und der unter anderem an die Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser, an die Präsidentin des Deutschen Bundestages Bärbel Bas sowie an die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien gerichtet ist, bemängeln die Initiatoren die Vergabepraxis, die ihrer Meinung nach zu einer Beschädigung des Amtes des BfDI führen würden. Diese stünde zudem im deutlichen Widerspruch zum Koalitionsvertrag zwischen der SPD, Bündnis90/Die Grünen und der FDP, der eine deutliche Stärkung der BfDI vorsieht. Darüber hinaus eint die Unterzeichner die Sorge um die Unabhängigkeit des Bundesdatenschutzbeauftragten und damit um die Effektivität des Datenschutzes in Deutschland.
Kein neuer Bundesdatenschutzbeauftragter in Sicht
Hintergrund des Schreibens ist die nach wie vor ausstehende Ernennung eines neuen obersten Datenschützers durch die Bundesregierung. Dabei spielt die Personalie des bisherigen BfDI Ulrich Kelber eine gewichtige Rolle: Obwohl der diplomierte Informatiker in Fachkreisen großes Ansehen genießt und viel Unterstützung für eine zweite Amtszeit erfährt, bleibt er weiterhin unberücksichtigt – und das, obwohl die SPD ihn seinerzeit für weitere fünf Jahre vorgeschlagen hatte. Dennoch führt Kelber die Amtsgeschäfte seit Jahresbeginn nur noch kommissarisch, bis ein Nachfolger gefunden ist.
Obwohl sich die SPD zunächst für Kelber ausgesprochen hatte, hielt sie sich mit Unterstützung merklich zurück, worauf sich die Regierungsparteien weder auf ihn noch auf einen anderen Kandidaten einigen konnten und daher die Frist zur Wiederwahl im Bundestag verstreichen ließen. Nun drängt die Zeit, denn Kelber darf das Amt in geschäftsführender Funktion nur noch bis maximal 6. Juli 2024 ausüben.
Kelber zu unbequem?
Über die Gründe, warum ausgerechnet die SPD, die Kelber erneut vorgeschlagen hatte, sich aber kaum für ihn einsetzte, halten sich hartnäckig Spekulationen. So sollen die Sozialdemokraten nach Angaben des Tagesspiegels in dieser Legislaturperiode bereits über das Amt des Wehrbeauftragten sowie des Polizeibeauftragten entscheiden können und daher kein Vorschlagsrecht für den BfDI mehr besitzen. Nach Paragraf 11 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) besitzt die Bundesregierung das Vorschlagsrecht für das Amt, das anschließend vom Bundestag bestätigt werden muss. Für den Besetzungsprozess selbst ist formal das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser zuständig, mit der oder deren Ministerium Kelber nicht nur einmal aneinandergeraten ist.
BfDI nicht vor politischer Einflussnahme sicher
Und genau hier könnten weitere Gründe für die Nichtbesetzung zu finden sein. So scheute Kelber in der Zeit als oberster deutschen Datenschützer keine Auseinandersetzung – auch nicht mit der Bundesregierung. Für die Initiatoren des Schreibens drängt sich daher der Eindruck auf, dass sich der bisherige Amtsinhaber „eine mögliche zweite Amtszeit nicht durch den Einsatz für die Sache erarbeiten“ könne, „sondern insbesondere durch politische Gefügigkeit“. So sehen diese auch die Gefahr, dass der BfDI in seiner unabhängigen Amtsführung nicht vor politischer Sanktionierung und letztlich politischer Einflussnahme sicher sein kann, auch wenn sowohl die DSGVO wie auch das BDSG der Aufsichtsbehörde ein völlig unabhängiges Handeln garantieren. Das jetzige Verhalten gebe aber „Raum für Spekulationen, die der Person, der Behörde, dem Datenschutz als solchem und nicht zuletzt auch dieser Bundesregierung selbst schaden“, so D64.
Darüber hinaus gebe die DSGVO in Artikel 53 ein transparentes Verfahren zur Benennung des BfDI zwingend vor, was dem Schreiben nach in Deutschland derzeit aber nicht vorgesehen sei, was von Fachverbänden zu Recht bemängelt werden soll. Die aktuell entstandene Verunsicherung sei „eine unmittelbare Auswirkung dieser fehlenden Transparenz“.
„Das reiht sich leider ein in eine langjährige Praxis, die sich auch in den Bundesländern wiederfindet und das Amt im Wesentlichen als eine disponible Verfügungsmasse der Politik behandelt“, kritisierte der ehemalige Hamburger Landesdatenschützer Johannes Caspar, bereits Anfang des Jahres gegenüber dem Tagesspiegel das Verhalten der Regierung gegenüber Kelber.
Schnelle Klärung gefordert
Am Ende des Briefes fordern die Unterzeichner die Bundesregierung und den Bundestag auf, den aus ihrer Sicht entstandenen Schaden zu begrenzen und schnellstmöglich Klarheit in Bezug auf den BfDI zu schaffen. Gleichzeitig müsse seine Unabhängigkeit durch das Festschreiben eines transparenten Besetzungsverfahrens gestärkt werden.
Zeitpunkt dürfte kein Zufall sein
Auch wenn das Schreiben auf den 19. März 2024 datiert ist, dürfte der Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht zufällig gewählt sein: Heute hat der BfDI seinen Tätigkeitsbericht für 2023 vorgestellt. Schwerpunkte in der Arbeit stellen die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, der Gesundheitsbereich, die Chatkontrolle sowie digitale Identitäten dar. Der Bericht kann zudem als weiterer Beleg für die Diskrepanzen zwischen Bundesregierung und BfDI gesehen werden: Von den zehn darin aufgeführten Empfehlungen aus dem letztjährigen Tätigkeitsbericht haben die Verantwortlichen bislang nur drei Punkte aufgegriffen. Bei den übrigen ist die Regierung bislang entweder untätig geblieben oder sieht keinen Handlungsbedarf. Hinsichtlich der datenschutzkonformen Nutzung von Facebook-Fanpages ist mittlerweile sogar ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anhängig.
Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Tätigkeitsberichtes ging Kelber auf Nachfrage von Journalisten auch auf den Offenen Brief ein und schloss sich in vielen Punkten der Kritik an. So sieht er die internationale Verhandlungsposition Deutschlands in Sachen Datenschutz deutlich geschwächt, da die aktuelle Situation keine längerfristigen Zu- oder Absagen zulassen würden. „Dementsprechend kann ich die Argumentation in diesem Brief durchaus nachvollziehen“, so Kelber. Er sehe zudem die Gefahr, dass bei einem unklaren Verfahren und damit unklaren Kriterien bestimmte potenzielle Kandidaten für dieses Amt nicht zur Verfügung stünden.