Digitale Gewalt: Regierung will Neuregelung der Impressumspflicht
Die Bundesregierung sucht nach Lösungen, um die seit langem kritisierte Impressumspflicht neu zu regeln. Damit soll vor allem die Gefahr für bestimmte Berufsgruppen gemindert werden, die sich schnell Bedrohung oder Gewalt ausgesetzt sehen. Schwierig wird dabei sein, die neue Regelung mit den EU-Vorgaben in Einklang zu bringen.
Die Impressumspflicht war in der Vergangenheit immer wieder ein Garant für Abmahnungen und rechtliche Auseinandersetzungen, denn die Grenzen der gesetzlichen Anforderungen sind fließend. Besteht die Pflicht im Grunde nach § 55 S. 1 RstV eigentlich nicht für private Online-Auftritte, erhält jede Hobby-Seite gewerblichen Charakter, wenn nur ein paar Euro zur Kostenreduzierung über Affiliate-Links eingenommen werden – ein Gewinn muss dabei nicht einmal vorliegen, nicht einmal die „Gewinnerzielungsabsicht“, wie es im Steuerrecht heißt.
Meinungsfreiheit versus Vorgaben
Andere Berufsgruppen haben jedoch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: Die Impressumspflicht setzt eine „ladungsfähige“ Postanschrift voraus, unter der der Betreiber der Seite erreichbar ist. Eine Telefonnummer ist entgegen vieler Behauptungen zwar nicht verpflichtend, es muss jedoch sichergestellt sein, dass eine schnelle Kontaktaufnahme mit dem Betreiber sichergestellt ist – ein deutlich anonymeres Postfach ist daher nicht zulässig. Diese bisherigen Regelungen können jedoch für manche Betreiber zu massiven Probleme führen – vor allem dann, wenn diese über keine separate Geschäftsadresse verfügen, sondern ihre private Anschrift angeben müssen.
So können unter anderen Journalisten oder andere Menschen, die sich kritisch mit Dingen auseinander- oder für diese einsetzen, schnell den Zorn anderer auf sich ziehen. Und diese haben einen Vorteil: die Privatadresse der Betroffenen. Die potenziellen Gefahren von Bedrohung und Gewalt liegen dabei auf der Hand. Nicht wenige sehen in der Impressumspflicht in ihrer jetzigen Form eine Gefahr für die Meinungsfreiheit.
Neuregelung wird angestrebt
Jetzt versucht sich jedoch laut einem Bericht von Netzpolitik.org die Ampel an Änderungen. Netzpolitiker und Organisationen haben sich schon lange für eine Neuregelung der Problematik ausgesprochen und verschiedene Lösungsvorschläge vorgebracht, die jedoch keine Mehrheit fanden. „Seit Jahren haben wir als Linke im Bundestag dafür gekämpft, dass es eine Reform zur Impressumspflicht gibt, im Digitalausschuss alte und neue Digitalminister dazu befragt, Anträge bei Großer Koalition und Ampel gestellt und immer sind wir gegen eine Wand gerannt“, so die Netzpolitikerin Anke Domscheit-Berg von den Linken im Bundestag gegenüber Netzpolitik.org.
In einem Antrag des Digitalausschusses stellen die Regierungsparteien fest, die Impressumspflicht werde „insbesondere von Journalistinnen und Journalisten, aber auch von vulnerablen Gruppen mit Blick auf digitale Gewalt dahingehend kritisiert, dass Betroffene ihre Privatadresse angeben müssen.“. Dafür müsse nun eine neue Regelung gefunden werden, die einerseits die geforderte Transparenz und Erreichbarkeit sicherstellt, andererseits aber die betreibenden Personen schützt.
Verschlüsselungen auch bei Postanschrift
Domscheit-Berg plädiert dabei, wie bereits einige Netzpolitiker und Experten vor ihr, für eine öffentliche Stelle, bei der Seitenbetreiber ihre Adresse und Kontaktdaten angeben können und dafür eine Chiffrenummer erhalten, die diese in ihre Website einfügen. „Gibt es dann berechtigte Anliegen, wie bei der Zustellung von Gerichtspost, kann sie über ein Postweiterleitungsverfahren an die Wohnadresse weitergeleitet werden“, so die Netzpolitikerin. Wichtig sei dabei, dass sich die Kosten dafür überschaubar bleiben und die für eine Briefzustellung nicht überschreiten dürften. „Sicherheit darf nicht vom Geldbeutel abhängen“, so Domscheit-Berg.
Neuregelung nicht einfach
Das Vorhaben besitzt jedoch ebenso seine Tücken: So gibt es von der Europäischen Union genaue Vorgaben, die in der Impressumspflicht umgesetzt werden müssen. Ein nationaler Alleingang ist daher nicht möglich. Eine Möglichkeit sehen die Bundestagsfraktionen im Gesetz gegen digitale Gewalt und fordern daher die Bundesregierung auf, entsprechende Möglichkeiten auszuloten. Eine Änderung im Digitale-Dienste-Gesetz wird es hingegen nicht geben, hier haben sich die Verantwortlichen bereits darauf verständigt, die Regelungen aus dem Telemediengesetz auf Online-Diensteanbieter zu übernehmen. Demnach müssen Name und Anschrift weiterhin aufgeführt werden.
Bis eine endgültige Lösung in Gesetzesform gegossen ist, wird es allerdings noch dauern: Zwar hatte das Bundesjustizministerium bereits im April 2023 erste Eckpunkte zum Gesetz gegen digitale Gewalt präsentiert, mehr ist bisher jedoch nicht gefolgt. Auch die Kritik ließ zudem nicht lange auf sich warten: So befanden Experten die Definition von Gewalt im Netz zu ungenau, andere sahen in dem Entwurf eine Überregulierung, während wichtige Bereiche unangetastet blieben.