AI-Wettrüsten: Warum die EU hinter den USA und China liegt
Die USA und China gelten als führend bei der KI-Entwicklung, führende Anbieter bei der generativen AI-Technologie stammen aus diesen Staaten. Der Europäische Rechnungshof beklagt nun, dass die EU mehr unternehmen müsse, um nicht abgehängt zu werden.
Ein Maßstab für die Entwicklungsgeschwindigkeit sind Patente. Obwohl die Anzahl von KI-Patenten zunimmt, entfielen laut dem Bericht des Europäischen Rechnungshofs 2021 nur 4 Prozent der weltweiten Patentanmeldungen auf Europa und Zentralasien. Derweil stammen 17 Prozent aus Nordamerika und 62 Prozent auf Ostasien und dem Pazifikraum.
Das macht sich auch bei Unternehmensgründungen bemerkbar. Bei KI-Startups liegt die USA bei den absoluten Zahlen klar vorne. Rechnet man die Anzahl der Einwohner als Faktor ein, führt Israel – als klassisches Hochtechnologie-Land wenig überraschend. Deutschland schafft es zwar jeweils in die Top 10, dennoch besteht eine deutliche Lücke zwischen den EU-Staaten und der Spitze. Aus Europa kann allenfalls Großbritannien mithalten.
Pariser Startup Mistral kommt nicht an Microsoft vorbei
Was die Entwicklung bei Patenten und KI-Startups zeigt, sind die Probleme, mit denen aufstrebende Startups im Alltag kämpfen: In der EU mangelt es sowohl an Risikokapital als auch an Rechenzentren. Mit Mistral kommt eines der vielversprechendsten KI-Startups aus Paris, die Modelle des Unternehmens können mit den Top-Modellen im Markt mithalten. Dennoch kooperiert man mittlerweile mit Microsoft. Der Konzern bietet Rechenzentren-Kapazitäten für das Training der Modelle sowie die Cloud-Infrastruktur für den Betrieb.
Eine Konsequenz aus diesem Abkommen war der Vorwurf, Mistral verrate europäische Ideale. Chef und Gründer Arthur Mensch erklärt aber im Gespräch mit dem Spiegel, es gebe keine Alternative. Kein europäischer Anbieter könne Mistral so viel Rechenleistung wie Microsoft zur Verfügung stellen. Ebenso wenig fänden sich in Europa Fonds, die Startups mit den Summen unterstützen, die für das KI-Wettrüsten nötig sind. Auch Mistral wird daher von Geldgebern aus Kalifornien unterstützt. Neben den klassischen Investmentfirmen zählen dazu etwa Nvidia oder der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt.
Für Big-Tech-Konkurrenz fehlt es an Geld und Rechenpower
Sollen Unternehmen aus Europa mithalten, ist mehr Geld erforderlich. Höhere Investitionen, die sowohl von öffentlichen als auch privaten Geldgebern stammen, beschreibt der Europäische Rechnungshof als essenziell. Entsprechende Maßnahmen hat die EU bereits 2018 beschlossen, auch die Mitgliedsstaaten sind aktiv.
Frankreich hat 2018 eine KI-Strategie beschlossen sowie Investitionen in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar für den Zeitraum von 2018 bis 2022 auf den Weg gebracht, heißt es in dem Bericht des Europäischen Rechnungshofs. 2021 wurde der Betrag nochmals um 1,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025 erhöht. Deutschland hatte ursprünglich 3 Milliarden Euro für den Zeitraum 2019 bis 2025 vorgesehen, den Betrag stockte die Bundesregierung im Jahr 2020 noch um 2 Milliarden Euro auf. Und insbesondere Frankreich verfolgt derzeit das Ziel, zur „AI Superpower“ aufzusteigen, wie es in einem CNBC-Bericht heißt.
Öffentliche Investitionen sind aber nicht alles. In den USA beliefen diese sich für KI auf 3,3 Milliarden US-Dollar, also ein vergleichbarer Betrag. China hat 2017 einen KI-Entwicklungsplan ausgearbeitet, in dessen Rahmen öffentliche Mittel in KI investiert werden sollen, um bis 2030 weltweit führend zu sein. Wie viel investiert wird, beschreibt der Europäische Rechnungshof nicht, erklärt aber, dass China sich auch auf private Investitionen von Technologieriesen wie Alibaba, Baidu und Tencent stütze.
Private Investitionen sind der Schlüssel. Im Westen stehen beim AI-Wettrüsten ebenfalls die Big-Tech-Konzerne im Fokus, die über ausreichend Mittel verfügen. Microsoft will allein 100 Milliarden US-Dollar für einen Supercomputer ausgeben, den OpenAI als Technologie-Partner für das Training der Modelle nutzen kann. Amazon will bis 2040 rund 150 Milliarden US-Dollar investieren, Meta allein dieses Jahr mehr als zehn Milliarden US-Dollar für Grafikbeschleuniger ausgeben.
Bessere Rahmenbedingungen für die EU
„Umfangreiche und zielgerichtete Investitionen in KI werden in den kommenden Jahren entscheidenden Einfluss auf das Wirtschaftswachstum in der EU haben“, sagt Mihails Kozlovs vom Europäischen Rechnungshof. Will man – so wie es in den Plänen heißt – zum weltweiten Vorreiter für „hochmoderne, ethische und sichere KI“ werden, müsste sich die EU-Kommission aber besser mit den Mitgliedsstaaten abstimmen. Bislang mangelt es daran. EU-finanzierte Infrastruktur wie Testeinrichtungen, Datenräume und eine Plattform für „KI auf Abruf“ sei zudem nur langsam umgesetzt worden.
Ein Teil der Aufholjagd soll ein Maßnahmenpaket sein, auf das sich die EU im Rahmen der Verhandlungen über den AI Act verständigt hat. Das Ziel: Bessere Bedingungen für KI-Startups. Diese sollen europäische Supercomputer nutzen können und finanzielle Unterstützung sowie einen erleichterten Zugang zu Trainingsdaten erhalten.