Intel Xeon 6700E im Detail: 144 E-Cores treten ab sofort gegen AMD Bergamo & Arm an
Lange hat es gedauert, nun ist sie da: Intels erste 144-Kern-CPU, Codename Sierra Forest. Sie adressiert einen stark wachsenden Markt. Während die High-Performance-Lösungen in eine immer kleinere Nische gedrängt werden, wächst die Nachfrage nach maximaler Kernanzahl pro Sockel rasant. E-Cores sind Intels Antwort auf AMD und ARM.
Sierra Forest gegen AMD Bergamo und Arm
Zur Computex 2024 startet Intel die ersten Server-Prozessoren aus der Serie Xeon 6, genau genommen die reine E-Core-Variante Sierra Forest. Zur Messe treten beide damit nicht nur gegen viele Neuheiten im eigenen Haus, sondern auch Hunderten der Branche an. Das schreit fast ein wenig danach, unterzugehen.
Das wird dem Produkt am Ende aber gar nicht gerecht, denn es markiert den Beginn einer neuen Ära bei Intel. Mit 144 Kernen heute und später folgend 288 Kernen auf der AP-Plattform – stets dabei noch Dual-Sockel-fähig – will Intel nicht nur AMDs Bergamo mit Zen-4c-Kernen und potentiell auch den Nachfolger Turin Dense mit Zen-5c-Kernen schlagen können, sondern geht auch die Arm-Herausforderung in der Cloud-Branche an.
Intel Xeon 6: Ab jetzt zweigleisig
Intel Xeon 6 bedeutet nicht nur einen neuen Namen (wenngleich das später bei den Modellen ein wenig untergeht), sondern auch eine Zweiteilung der bekannten Intel-Xeon-Welt. Von nun an wird unterschieden zwischen den Varianten mit Performance-Kernen (P-Cores) und denen, die nur Efficiency Cores (E-Cores) bieten – so wie das seit Epyc Genoa (Zen 4) und Epyc Bergamo (Zen 4c) auch bei AMD der Fall ist.
Welche Art Kerne bei Intel zum Einsatz kommt, macht der Name direkt klar: Xeon 6000P sind die mit Performance-Kernen, Xeon 6000E eben jene mit E-Cores. Darin erfolgen dann noch weitere Abstufungen, es gibt sie jeweils für den SP-Sockel oder auch als AP-Modell, doch dazu später mehr.
Heute fällt der Startschuss für die Xeon 6E, Codename Sierra Forest. Allerdings auch in diesem Fall nur als SP-Modell mit 144 Kernen, die AP-Variante auf anderem Sockel folgt einige Monate später.
Bereits in einigen Wochen wird der erste Xeon 6P erscheinen, der aber zuerst als AP-Variante mit bis zu 128 Kernen. Und im Gepäck folgen bis Anfang 2025 noch viele weitere Ableger einschließlich Granite Rapids-D. Mehr dazu bietet eine separate Meldung von der Computex:
E-Cores für den am schnellsten wachsenden Markt
Bisher hieß es „one size fits all“, aber diese Zeiten haben sich überlebt, ein Produkt passt eben doch nicht immer überall. AMD adressiert bereits seit dem vergangenen Jahr mit Bergamo kleinere Kerne für einen boomenden Markt, während Genoa als HPC-Lösung darübersteht. Arm ist sowieso in dieser Richtung unterwegs. Nun schwenkt auch Intel auf dieses Gleis um und hat dabei die Microservices im Fokus. Diese Dienste hat jedes Cloud-Unternehmen im Blick, sie binden viel Kapazität, obwohl sie gar nicht so viel Leistung benötigen.
Mit den E-Cores will Intel nun eine Alternative im Programm haben und blickt dabei nicht nur auf die Parallelisierung über viele Kerne, sondern auch die Kosten für die Betreiber. Denn mit dem Thema Total Cost of Ownership holt man über die Betriebskosten derzeit doch einige Unternehmen ab, Partner sollen das bezeugen. Und wenn in einem Rechenzentrum nun Racks in einem Verhältnis von 3:1 ersetzt werden können, spart dies nicht nur Kosten und Platz, sondern auch viel Energie. Und ein wenig grüner verkaufen sich Unternehmen heutzutage eben auch gern.
Intel Sierra Forest alias Xeon 6E im Überblick
Intel Sierra Forest und Granite Rapids basieren auf der gleichen Plattform. Es gibt dadurch sehr viele Gemeinsamkeiten, die bei kleinsten Dingen starten, aber auch bis ins Große wie den I/O-Tile gehen können. Zwei Serien sind bei beiden gesetzt: Xeon 6700P/E und Xeon 6900P/E. Dort gibt es dann einige Unterschiede.
Zwei Sockel: SP und AP
Der Unterschied zwischen den Xeon 6700 und Xeon 6900 ist der Sockel und damit der maximal mögliche Ausbau hinsichtlich Kerne, Speicher sowie der maximal möglichen TDP. Die Xeon 6700 sind quasi das bisherige Xeon-SP-Modell, auch werden sie weiterhin als Scalable Platform (SP) genannt und bis maximal 350 Watt arbeiten – luftgekühlte Systeme stehen hier im Fokus. Darüber rangieren die Xeon 6900 alias AP, Advanced Platform, hier dürfen 500 Watt auf der Anzeige stehen. Dafür gibt es aber überall zum Teil deutlich mehr, wie der Vergleich von Intel darlegt.
Speziell für Sierra Forest bedeutet das: Im großen AP-Sockel wird es 192 bis 288 Kerne pro Sockel geben, dafür können 350 bis 500 Watt TDP als Spielraum genutzt werden. Das Speicherinterface ist nun ebenfalls 12 Kanäle breit, auch die Anzahl der UPI-Links und PCIe-Lanes steigt an.
Viele verschiedene Tile-Aufbauten
Mit den neuen Xeon verabschiedet sich Intel auch in diesem Segment vom eher traditionellen monolithischen, aber bereits kombinierbaren Chip, wie er via EMIB bei Sapphire Rapids und Emerald Rapids zusammengeschaltet war. Der Ansatz bei Sierra Forest ist wie bei Meteor Lake oder Lunar aber ein anderer: Man teilt die CPU funktional auf, es gibt Compute Tiles und es gibt I/O-Tiles
Das erlaubt bereits im SP-Sockel variable Möglichkeiten. Sierra Forest wird hier stets nur auf einem Compute Die basieren, bei Granite Rapids gibt es bereits multiple Ausführungen – so wird es wirtschaftlicher.
Im größeren AP-Package werden weiterhin die gleichen I/O-Tiles genutzt, es gibt nun noch zusätzliche Compute Tiles. Granite Rapids nutzt nun drei Compute Tiles mit P-Cores für 128 Kerne, Sierra Forest hingegen zwei Compute Tiles mit zwei Mal 144, also 288 E-Cores.
Der modulare Compute Die
In Intel 3 gefertigt, markiert der Compute Die das Herzstück der neuen CPUs. In einem Mesh-Netzwerk sind die Kerne miteinander verbunden, Zeilen und Spalten haben dabei wie in der Vergangenheit stets ähnliche Wege.
Sierra Forest basiert dabei auf der Crestmont-Architektur, die bereits einige Zeit im Markt zugegen ist und so unter anderem durch Meteor Lake bekannt wurde. Vier Kerne bilden dabei einen Cluster und werden von geteilten 4 MByte L2-Cache unterstützt. Jeder einzelne Kern kann auf 32 KB L1D-Cache und 64 KB L1I-Cache zurückgreifen. Hyper-Threading gibt es hier nicht, 144 Kerne bedeuten 144 Threads.
Das Besondere am Xeon mit E-Cores ist, dass nun pro Cluster auch 3 MByte L3-Cache dabei sind respektive sein können, der wie ein typischer L3-Cache über die anderen Cluster geteilt wird. Um auf 144 Kerne zu kommen, die physisch aktiv sind, bedarf es also mindestens 36 Clustern. Somit stehen auch 108 MByte L3-Cache zur Verfügung – beim Spitzenmodell ist exakt so viel aktiv. Bei Modellen mit weniger Kernen kann der L3-Cache auch mal die Anzahl der Kerne übersteigen, so gibt es einen 64-Kerner mit 96 MByte L3-Cache – hier wird der Shared Cache also einfach weiter genutzt, obwohl über die Hälfte der Kerne deaktiviert sind.
Hinsichtlich der Instruktionen ist Sierra Forest gegenüber einem typischen Xeon-Prozessor abgespeckt und erinnert eher an die Ableger, die es beim Xeon auf Basis von Desktop-CPUs gab. Bei AVX ist bei 256 Bit Schluss, auch AMX gibt es hier nicht. Immerhin aber VNNI und BF16/FP16-Support.
Zum Compute Die gehören aber auch der Speichercontroller sowie die entsprechenden Stellen für den Übergang zum I/O-Tile oder den nächsten Compute Die. Dies geschieht via EMIB, Intels nun bereits seit Jahren genutzte Verbindung für verschiedene Chiplets.
144 von 152 Kernen sind maximal aktiv
Anhand eines Wafer-Bilds aus dem Presse-Briefing lässt sich der Aufbau des Chips gut erkennen. Die Kerne erscheinen dabei in 18 rötlich gefärbten Blöcken jeweils in Form von zwei Clustern zusammen zu stehen, am Rand ist jedoch noch ein Vier-Kern-Cluster oben sowie ein weiterer unten erkennbar. Unterm Strich macht dies also 38 Cluster mit vier Kernen, 152 Kerne. Wie zuletzt üblich wird also nicht jeder Kern genutzt, aus Yield-Gründen sind stets einige „Spare“.
Angesichts dessen, dass heute parallel dazu ein neuer und extrem performanter E-Core in Form von Skymont in Lunar Lake debütiert, wirkt der Termin für einen neuen Crestmont respektive Sierra Glen, wie der Kern in dem Umfeld auch genannt wird, ziemlich unglücklich. Die Architektur Skymont respektive Darkmont hält dann aber beim Nachfolger von Sierra Forest, Clearwater Forest, im kommenden Jahr auf der gleichen Birch-Stream-Plattform Einzug.
Der I/O-Tile ist für alle Xeon 6 gleich
Mit dem I/O-Tile schlägt Intel mehrere Fliegen mit einer Klappe. Dieser bietet ein Grundpaket der typischen Ausstattung und sorgt dafür, dass diese überall gleich ausgebaut ist. Dieses Tile ist zudem stets doppelt vorhanden.
UPI-Links sind bei Intel die Technologie für die Kommunikation zwischen den Teilen im Chips und auch zwischen den CPU-Sockeln. Diese hat Intel erneut aufgewertet und auf 24 GT/s. Jeder Xeon 6700 (mit einer Ausnahme) besitzt UPI-Links, jeweils zwei pro I/O-Tile.
Das interessant ist dabei ist die flexible Gestaltung dieser zugrunde liegenden UIO-Ports. Werden diese nämlich in einem Single-Sockel-System nicht als UPI-Link genutzt, machen sie dadurch zusätzliche Möglichkeiten für PCIe-Lanes frei. Statt nun „nur“ 88 PCIe-Gen5-Lanes im System zu bieten, werden es dann 136 Lanes. Leider wird diese Möglichkeit erst einmal nur für die P-Core-Modelle freigeschaltet. Eine andere Möglichkeit ist, noch mehr von CXL zu nutzen, welches nun erstmals nach Standard CXL 2.0 sowie Type 3 unterstützt wird.
Die Fertigung der I/O-Tiles übernimmt man bei Intel mit dem Prozess Intel 7, also das, was seit Alder Lake am Start ist. Damit ist der I/O-Tile günstig herzustellen und belegt zudem keine Kapazitäten von moderneren Prozessen, die eventuell für andere Produkte benötigt werden.
Die Modellpalette: sieben SKUs zum Start
Intel beginnt das neue Zeitalter der Xeon 6700E mit sieben CPUs. Intel selbst witzelte dabei zur Ankündigung etwas, dass es doch noch nie so übersichtlich war wie heute, denn in den letzten Generationen passten alle SKUs einer Xeon-Serie oftmals nicht einmal auf ein Slide.
Zwei Modelle kommen dabei im Vollausbau mit 144 Kernen daher, der Unterschied liegt im Takt und der TDP: 330 Watt oder nur 250 Watt. Danach geht es Stück für Stück ein wenig nach unten. Ein 96-Kerner ist explizit nur für den 1-Sockel-Einsatz vorgesehen.
Benchmarks: 128 Kerne von Intel vs. 128 Threads von AMD
Wie zu einem Start üblich gibt es auch einige Performance-Angaben von Intel. Diese entsprechen in der Regel der Wahrheit, sind jedoch so ausgewählt, dass das Produkt entsprechend gut dasteht. Insofern verbiegen sie die Angelegenheit etwas zu ihren Gunsten – das macht jedoch jeder Hersteller so.
Intel hat sich für den Xeon 6700E natürlich AMDs Prozessor mit kleinen Kernen als Gegenspieler gewählt: Bergamo mit Zen 4c. Intel stellt also eigene 128 Kerne/128 Threads gegen 128 Threads von AMD, dennd er Epyc 9534 ist nur ein 64-Kerner und wählt damit zugleich die besonders effiziente eigene 225-Watt-Variante – es wurden also durchaus Rosinen gepickt. In den Tests zeigt sich dann auch genau dies als entscheidendes Merkmal. Denn gegen die reine Performance der Zen-4c-Kerne hat der Intel-Chip keine Chance, aber in der Gleichung Performance pro Watt schon.
Kunden eines Sierra Forest sind aber nicht diejenigen, die bereits einen AMD Bergamo ihr Eigen nennen. Stattdessen sind es Nutzer, die beispielsweise ihr fünf Jahre altes Rack aktualisieren wollen. So bringt Intel auch Benchmarks gegen den Intel Xeon 8280 aus der zweiten SP-Generation mit und stellt diesen in einem Dual-Sockel-Setup einem ebenfalls zweifachen 144-Kerner entgegen. Hier bietet man durch die fünffache Menge an kleinen E-Cores nun deutlich mehr Leistung, kann zudem auch im Bereich Leistung pro Watt punkten.
Und auch gegenüber einem aktuellen Xeon Platinum 8592+ mit 64 Kernen alias Emerald Rapids gibt es hier und da die eine oder andere Überraschung. Die deutlich erhöhte Anzahl an Kernen schlägt sich bei der Leistung nieder, die je nach Anwendung sehr gut aussieht, hinzu kommt der stets deutlich geringere Energiebedarf.
Energiebedarf ist hierbei das Stichwort, woran die letzten Xeons durchaus zu kämpfen hatten. Vor allem in Teillast-Szenarien verbrauchen diese viel zu viel, wie Intel selbst in einem Diagramm zeigt. Bei nahezu gleicher TDP kann hier trotzdem extrem Energie eingespart werden. Sierra Forest nutzt einen viel lineareren Ansatz der Steigerung der Leistungsaufnahme mit der Auslastung als der bisherige Xeon.
Ersteinschätzung: Spät dran, aber der Grundstein ist gelegt
Intel Xeon 6700E „Sierra Forest“ starten nach langem Vorlauf und vielen Vorschusslorbeeren nun endlich in den Markt. Das ist ziemlich spät, aber die Plattform legt den Grundstein für gleich mehrere Generationen, die darauffolgen. Insofern muss sie mehrere dieser Aufgaben übernehmen, was sie mit nur sieben Modellen versucht.
Der Fokus der E-Core-CPUs liegt ganz klar auf der Effizienz, die Intel stets und ständig in den Fokus gerückt hat. Gegenüber bisherigen Modellen hat Intel selbst im eigenen Haus ein leichtes Spiel, war der Verbrauch doch zuletzt schlichtweg viel zu hoch. Aber auch gegen den Mitbewerber AMD will Intel bereits mit dem ersten Modell ein Herausforderer sein. Denn dort treffen sich zum Jahresende respektive Anfang 2025 dann ja auch weitere Modelle, seien es die 192 Kerne von Turin Dense und eben auch die 288 Kerne von Sierra Forest-AP.
Ob die Rechnung am Ende aufgeht, werden die kommenden Monate zeigen, wenn die passende Kundebestellungen eingehen – oder eben nicht. Intel hat jedoch groß auf die E-Core-Karte gesetzt und mit Clearwater Forest bereits für das kommende Jahr einen Nachfolger auf der gleichen Plattform angekündigt und zuletzt sogar offiziell schon als lauffähig beschrieben. Dass soll der potenziellen Kundschaft helfen, sich für die Plattform zu entscheiden.
Aber auch gegenüber Arm positioniert sich das neue Modell. Hier gab es zuletzt aber kaum noch Bewegung im freien Markt, die großen Cloud-Betreiber bauen nun vielfach ihre eigenen Lösungen, die speziell für ihre Dienste benötigt werden. Ob Intel dort einen Fuß in die Tür bekommt, wird sich zeigen müssen.
ComputerBase hat Informationen zu diesem Artikel von Intel unter NDA im Rahmen eines Livestream Ende Mai aus den USA sowie einer Veranstaltung des Herstellers im Vorfeld der Computex in Taipeh, Taiwan erhalten. Die Kosten für An-, Abreise und drei Hotelübernachtungen wurden von dem Unternehmen getragen. Eine Einflussnahme des Herstellers oder eine Verpflichtung zur Berichterstattung bestand nicht. Die einzige Vorgabe aus dem NDA war der frühestmögliche Veröffentlichungszeitpunkt.
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