Magna: Höher auflösende Kameras und günstigeres Infrarot für Autos
Der Automobilzulieferer Magna hat am deutschen Standort in Sailauf bei Aschaffenburg einen Einblick in die Roadmap für Sensorik im Auto gegeben. Vor allem bei den Kameras sind höhere Auflösungen und damit einhergehend eine höhere Präzision zu erwarten. Infrarot könnte sich künftig zu einem Standard entwickeln.
Kameras im Auto unterscheidet Magna in reine „Kameraköpfe“, die lediglich Sensor und Optik umfassen und somit deutlich kleiner ausfallen, und eigenständige Kameramodule, bei denen auch die Verarbeitung direkt in dem Modul stattfindet. Je nach Platzierung im Fahrzeug und der genutzten Architektur werden unterschiedliche Module benötigt. Autohersteller entscheiden sich im Premiumsegment zunehmend für zentralisierte Lösungen, bei denen ein Hochleistungsrechner die gesamte Arbeit übernimmt. Entsprechende Lösungen gibt es unter anderem von Nvidia und Qualcomm.
Auflösung von Kamerasensoren im Auto steigt
Während man im Smartphone je nach Hersteller mittlerweile Kamerasensoren mit bis zu 200 Megapixel erhalten kann, sind im Automotive-Segment (noch) niedrigere Auflösungen üblich. Die Anforderungen sind schlichtweg andere, außerdem muss die Hardware ganz andere Zertifizierungsverfahren bestehen, die zum Beispiel besonders hohe oder niedrige Temperaturen, Erschütterungen und mehr umfassen.
Doch auch im Auto sollen die Auflösungen nach oben gehen, wie eine Roadmap von Magna aufzeigt. Höhere Auflösungen führen bei unverändert großem Sichtfeld (Field of View) zu einem höheren Detailgrad auf vertikaler und horizontaler Achse, sodass Objekte in größerer Entfernung eher und besser erkannt und eindeutig klassifiziert werden können.
Bei den reinen Kameraköpfen will Magna vom aktuellen Modell mit der internen Bezeichnung „Zurich HD“ mit 1,3 MP noch dieses Jahr zum „Berlin Lite“ mit 2,6 MP wechseln. Die kleinen Kameraköpfe sind für den digitalen Blick nach hinten mit einer oder mehreren Kameras sowie als Bestandteil von Surround-View-Lösungen gedacht. Dementsprechend kompakt muss die Sensorik ausfallen, um im Heck des Fahrzeugs, in den Spiegeln oder in der B-Säule Platz zu finden. Seit diesem Jahr in Entwicklung befindet sich der „Tokyo“ mit 3 MP, der Ende 2026 in Produktion gehen soll. Mehrere FoVs (60 und 205 Grad) und eine integrierte Heizfunktion soll dieser Kopf bieten.
Perspektivisch geht Magna auf 17 Megapixel
Etwas größer, aber weiterhin relativ kompakt, fällt der auch für den Blick nach vorne geeignete Kamerakopf „Chicago“ mit 8,2 MP aus, der Ende 2025 in Produktion gehen soll. Damit gehört er zur High-Resolution-Klasse von Magna und kann bis zu 360 m weit blicken. Der Kopf lässt sich auch in das „Camera Belt System“ integrieren, das einen „Gürtel“ aus mehreren Kameras rund um das Fahrzeug spannt. Magna will diesen Kopf mit FoVs von 30, 70, 100 und 120 Grad, mit oder ohne integrierten Bildprozessor (ISP) und für Level-1- bis Level-3-Assistenzsysteme anbieten. In derselben High-Resolution-Liga spielt auch der „Paris“ mit 17 MP, der mit 120 Grad FoV aufgeführt wird, doch evaluiert Magna weitere FoVs je nach Einsatzort. Für diesen Kamerakopf gibt es noch kein Produktionsdatum, die Roadmap positioniert diesen aber im Bereich 2027+.
Neues Mono Camera Module für Level 2+
Bei den Kameramodulen sind 8,3 MP ebenfalls der nächste Schritt für Magna. Das Mono Camera Module (MCM) Gen. 6 hat die zur Verarbeitung benötigte ADAS-Technik mit dem Prozessor Mobileye EyeQ6 Lite bereits an Bord, sodass eine einzelne Komponente in der Windschutzscheibe das Bild für Assistenzsysteme nach Level 2(+) erfassen kann. Umsetzen lässt sich damit zum Beispiel der Highway Pilot oder Highway Chauffeur von Magna. Das MCM Gen. 6 befindet sich aktuell in der Entwicklung und soll Mitte 2026 in Produktion gehen.
Infrarot soll sich zum günstigeren Standard entwickeln
Visualisieren lässt sich das Verkehrsgeschehen aber nicht nur mit klassischen Kameras (und Radar), sondern auch über Infrarotkameras. Bekannt sind solche Kameras vor allem aus Luxuslimousinen wie S-Klasse oder 7er, wo sie für „Night Vision“ oder ähnlich genannte Systeme genutzt werden. Magna hält einen Marktanteil von 98 Prozent in diesem Segment, die erste Generation erschien bereits im Jahr 2000.
Genau aus dieser Nische will Magna die Infrarotkameras aber wegbekommen und sie als günstigere Lösung für den Einsatz in mehr Fahrzeugen niedrigerer Preisklassen anbieten. Das Unternehmen spricht auch nicht mehr nur von einer Night-Vision-Lösung, sondern vom „Thermal Sensing“, das rund um die Uhr und somit nicht mehr nur nachts zum Einsatz kommen soll. Verbessert werden soll damit die Sicht bei Dunkelheit, Nebel, Rauch, blendendem Sonnenlicht, entgegenkommenden Scheinwerfern oder schnell wechselnden Lichtverhältnissen etwa bei der Ein- und Ausfahrt von Tunneln.
Notbremsassistent im Nebel
Neben Unfällen zwischen zwei oder mehreren Autos sollen mit darauf basierenden Assistenzsystemen vor allem Wildunfälle und Unfälle mit Fußgängern reduziert werden. Dass die Technik tatsächlich funktioniert und dort sehen kann, wo eine Kamera oder ein Mensch nichts mehr sieht, demonstrierte Magna anhand eines in Nebel gehüllten Dummys, auf den ein Cadillac XT5 mit entsprechender Sensorik zufuhr. Die Infrarotkamera erkannte den „unsichtbaren“ Dummy rechtzeitig, sodass der Notbremsassistent bis zum Stillstand bremsen konnte.
Vorteile gegenüber LiDAR
Infrarotkameras seien laut Magna zudem günstiger als LiDAR und könnten Fußgänger schneller klassifizieren. Das Unternehmen spricht von einem Vorteil von 3,6 Sekunden bei einer Geschwindigkeit von 80 mph (128 km/h), was 128 Metern entsprechen würde. Ausgelegt ist der neue Sensor der 5. Generation für eine Sichtweite von 300 m auch bei vollständiger Dunkelheit, vorliegen muss lediglich eine Wärmesignatur. Das eigene Thermal Sensing könne andere Fahrzeuge selbst dann noch klassifizieren, wenn diese bei Nacht ohne Licht fahren. Ende 2025 soll die neue Infrarotkamera einsatzbereit sein.
ComputerBase hat Informationen zu diesem Artikel von Magna im Rahmen einer Veranstaltung am Firmensitz in Sailauf erhalten. Die Kosten für An- und Abreise wurden von dem Unternehmen getragen. Eine Einflussnahme des Herstellers auf die oder eine Verpflichtung zur Berichterstattung bestand nicht. Es gab kein NDA.