DLR: Laseruhr weicht nur eine Sekunde in 30 Millionen Jahren ab

Nicolas La Rocco
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DLR: Laseruhr weicht nur eine Sekunde in 30 Millionen Jahren ab
Bild: DLR | CC BY-ND 3.0

Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Projekt COMPASSO entwickelte Laseruhr weist eine Abweichung von einer Sekunde in 30 Millionen Jahren auf. Laseruhren sollen die Satellitennavigation verbessern und ein präzises globales Zeitsignal liefern. Ab dem Jahr 2027 will das DLR eine Laseruhr auf der ISS erproben.

Der Takt der Laseruhr werde von den Quanteneigenschaften von Jodmolekülen vorgegeben, erklärt das DLR in der Ankündigung. Die Wellenlänge eines Lasers wird dabei auf eine bestimmte Schwingung von Jodmolekülen in einer Gaszelle abgestimmt. Der Takt dieser Schwingung hängt ausschließlich von den quantenmechanischen Eigenschaften des Jods ab. Damit lasse sich geräteunabhängige Referenz erreichen.

Gaszelle mit Jodmolekülen im Laserstrahl

Das DLR erläutert, wie eine Laseruhr im Detail tickt. Demnach liefert ein jodstabilisierter Laser den Takt der COMPASSO-Uhr. Der Laserstrahl wird dafür durch eine rund 20 Zentimeter lange Gaszelle mit Jodmolekülen geführt, die als natürliche Zeitreferenz dienen. Die Wellenlänge des grünen Laserlichts wird auf eine bestimmte Schwingung der Atomkerne der Jodmoleküle geregelt. Die Frequenz dieser Schwingung sei durch die quantenmechanischen Eigenschaften des Jods vorgegeben. Dadurch ist die Zeitreferenz laut DLR geräteunabhängig, woraus sich die hohe Genauigkeit der Laseruhr ergibt. COMPASSO soll über einen Zeitraum von 30 Millionen Jahren lediglich um eine Sekunde abweichen.

Für ein standardisiertes Zeitsignal wird das grüne Licht des jodstabilisierten Lasers mit den Laserpulsen eines sogenannten Frequenzkammlasers überlagert. Dessen Spektrum umfasst bis zu einer Million Farben. Die zugehörigen Lichtfrequenzen liegen „wie die Zinken eines Kamms“ in exakt gleichen Abständen beieinander, vergleichbar einem Lineal. Wie beim Stimmen eines Musikinstruments mit einer Stimmgabel könne durch Messen der Intensität der überlagerten Laserstrahlen ein standardisiertes Taktsignal erzeugt werden. Dieses liegt im Bereich der Radiofrequenzen bei 10 Megahertz.

Jodmoleküle in einer Dampfzelle geben den Takt an
Jodmoleküle in einer Dampfzelle geben den Takt an (Bild: DLR, CC BY-ND 3.0)

Sie weicht weniger als 100 Pikosekunden pro Tag von der sogenannten Weltzeit ab. Eine Pikosekunde ist der Millionste Teil einer Millionstel Sekunde. Diese Abweichung entspricht einer Sekunde auf 30 Millionen Jahre. Wir schließen damit die Lücke zwischen der Genauigkeit von konventionellen Satellitenuhren und den großen, schweren High-End-Atomuhren, die in nationalen Metrologie-Instituten unsere Weltzeit festlegen.

Prof. Claus Braxmaier vom DLR-Institut für Quantentechnologien in Ulm

Satellitengestützte Technologien verbessern

COMPASSO wurde vom DLR im Uhrenlabor des DLR-Instituts für Kommunikation und Navigation bis zur aktuellen Genauigkeit weiterentwickelt und mit einer anderen Präzisionsuhr verglichen, einem sogenannten Wasserstoff-Maser. Ziel des Projekts sei es, neue Generationen hochpräziser, weltraumtauglicher Laseruhren zu entwickeln und damit die Leistung von satellitengestützten Technologien erheblich zu verbessern. Wichtige Bereiche seien das autonome Fahren, die Telekommunikation sowie der Katastrophenschutz und der Finanzsektor.„Unsere Vision ist, die hohe Genauigkeit von Laseruhren für eine global verfügbare Zeitangabe zu nutzen. Damit ließe sich ein weltweit einheitlicher, präziser Zeitstandard realisieren“, sagte Braxmaier. Laseroptische Uhren sind aufgrund ihrer höheren Taktfrequenz rund hundertmal genauer als aktuelle Satellitenuhren auf Mikrowellenbasis.

Laseruhren sollen die Anwendungen von Satellitendiensten verbessern
Laseruhren sollen die Anwendungen von Satellitendiensten verbessern (Bild: DLR, CC BY-ND 3.0)

Besondere Herausforderungen bei ISS-Erprobung

Ab dem Jahr 2027 will das DLR eine Laseruhr auf der ISS im Außenlabor Bartolomeo erproben. Dafür muss die Uhr leicht, kompakt, robust und gleichzeitig zuverlässig sein. Herausfordernd und wichtig für die hohe Genauigkeit sei, die Dampfzelle mit dem Jodgas konstant auf 20 Grad Celsius zu halten – egal, ob sie sich in der Sonne oder im Schatten befindet. Demonstriert werden soll, dass sich die Uhr für die nächsten Generationen des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo eignet. Vom Aufbau auf dem Labortisch muss die Uhr auf die Größe von zwei Schuhkartons verkleinert werden. Ein hochstabiler Leichtbau soll garantieren, dass die Uhr die beim Raketenstart auftretenden Vibrationen und Kräfte aushält. „Die Komponenten der Laseruhr haben bereits mehrere Belastungsproben erfolgreich bestanden, beispielsweise auf Höhenforschungsraketen oder im Fallturm“, sagte Dr. Thilo Schuldt vom DLR-Institut für Quantentechnologien.

Langfristig Mini-Laseruhren als Ziel

Die Uhrentechnologie mit Gaszellen als Taktgeber ließen sich zudem weiter verkleinern, etwa auf die Größe von Smartphones. Entsprechend ausgestattete Fahrzeuge im Straßenverkehr oder Lieferdrohnen in Städten könnte man mit einem gemeinsamen Navigationsmanagement vernetzen. In Kombination mit Beschleunigungssensoren wäre ein schlechter oder unterbrochener Satellitenempfang leicht zu überbrücken. Die hohe Signalstabilität der Uhr schaffe laut Dr. Stefan Schlüter vom Galileo Kompetenzzentrum des DLR die Grundlage für die Berechnung exakter Positionsdaten zu berechnen auch unter schwierigen Navigationsbedingungen, etwa zwischen Häuserzeilen oder in Tunneln.

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