EU-Gesetz über digitale Dienste: Sozialem Netzwerk X droht hohe Geldstrafe

Stefan Sokolowski
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EU-Gesetz über digitale Dienste: Sozialem Netzwerk X droht hohe Geldstrafe
Bild: PxHere | CC0 1.0

Die EU-Kommission leitete im Dezember 2023 ein offizielles Verfahren gegen das Soziale Netzwerk X ein, in dessen Rahmen potenzielle Verstöße gegen das EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) untersucht werden. Die Kommission veröffentlichte nun vorläufige Ergebnisse.

Mehrere mögliche Verstöße festgestellt

Nachdem die Kommission über Monate hinweg eine Untersuchung durchführte, für die unter anderem Experteninterviews, interne Dokumente des Konzerns sowie nationale Institutionen wie zum Beispiel die deutsche Bundesnetzagentur herangezogen wurden, wurden nun drei Punkte als wahrscheinliche Verstöße gegen das Gesetz herausgestellt. Diese sind:

  • X bietet blaue Haken, die klassischerweise auf sozialen Netzwerken ausschließlich verifizierten Accounts bekannter Persönlichkeiten, wichtiger Institutionen oder von Unternehmen vorbehalten sind, zum Kauf an. Diese Praxis verstoße gegen etablierte Industriestandards und führe dazu, dass Nutzer leichter getäuscht werden können und sich schlechter eine fundierte Meinung bilden können. Es gebe Beweise dafür, dass dies von böswilligen Akteuren („malicious actors“) ausgenutzt wird.
  • X erfülle nicht die gesetzlichen Vorgaben für Werbetransparenz, indem es kein durchsuchbares und zuverlässiges Repository für Werbung auf der Plattform anbietet, sondern stattdessen explizite Zugangsbarrieren schafft. Diese würden insbesondere die Überwachung und Erforschung von Risiken durch Online-Werbung behindern.
  • X erschwere bewusst den Zugang von Wissenschaftlern zu Daten und verstoße damit gegen die Bedingungen des DSA. Gesondert hervorgehoben wird hier das Verbot von Scraping in den Nutzungsbedingungen der Plattform, welches Forscher mit berechtigten Interessen von der Erhebung von Daten ausschließe. Außerdem würde das Prozedere zum Erlangen von API-Zugang zur Plattform viele Forscher abschrecken, die dann vor der Wahl stünden, ihre Forschungen gänzlich einzustellen oder die exorbitanten Kosten für bezahlten API-Zugang zu tragen.

X kann auf die Vorwürfe reagieren

Es handelt sich hier noch nicht um einen Abschluss der Untersuchung und folglich auch um keine endgültige Feststellung von Verstößen oder gar Verteilung. Die Kommission betont, dass X nun die Möglichkeit hat, sich zur Wehr zu setzen, indem die Plattform Zugang zu den Untersuchungsakten erhält und sich schriftlich gegenüber der Kommission zu den Vorwürfen äußern kann.

Sollten die Vorwürfe beim Abschluss der Untersuchung bestätigt werden, droht dem Sozialen Netzwerk eine empfindliche Geldstrafe. Im Digital Services Act vorgesehen sind dabei bis zu 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Wie hoch genau die Geldstrafe dabei ausfallen könnte, lässt sich zum heutigen Tag nicht anhand öffentlich zugänglicher Zahlen nachvollziehen – Seit dem Kauf der Plattform durch Elon Musk und dem Rückzug von der Börse müssen keine Geschäftszahlen mehr veröffentlicht werden, eine hohe zweistellige Millionensumme scheint jedoch wahrscheinlich.

Elon Musk wirft der EU versuchte Zensur vor

Der Milliardär reagierte indes auf den vorläufigen Bericht, indem er der EU-Kommission unterstellte, diese hätte X einen „illegalen geheimen Deal“ angeboten, in dem im Gegenzug für die „heimliche Zensur der Redefreiheit“ von einer Geldstrafe abgesehen werden könne. Andere Plattformen hätten dem zugestimmt.

In einem weiteren Post, mit welchem er auf die Kritik von Kommissionsmitglied Thierry Breton hinsichtlich der irreführenden Nutzerverifizierung antwortete, schrieb Musk, dass er sich auf einen „sehr öffentlichen Gerichtsprozess freue“, so dass die Menschen in Europa „die Wahrheit kennen“ könnten.

Die aktuelle Untersuchung der EU-Kommission ist nur die neueste Episode in der Debatte um den Milliardär und X. Elon Musk sieht sich seit längerem mit Vorwürfen konfrontiert, mit dem von ihm gekauften Sozialen Netzwerk einen Raum zu schaffen, in dem Desinformation ungestört verbreitet werden kann. Er selbst bezeichnet diese grundsätzlich als von der Redefreiheit gedeckt.