Klage von TikTok-Anbieter abgewiesen: EU-Einstufung von ByteDance als Gatekeeper bleibt bestehen

Stefan Sokolowski
36 Kommentare
Klage von TikTok-Anbieter abgewiesen: EU-Einstufung von ByteDance als Gatekeeper bleibt bestehen

Mit dem Gesetz über digitale Märkte möchte die EU faire Wettbewerbsbedingungen für digitale Unternehmen sicherstellen und einen Missbrauch der Marktmacht der größten Plattform unterbinden. ByteDance, der Konzern hinter TikTok, wehrte sich mit einer Klage gegen die Einstufung als einflussreicher Torwächter – erfolglos.

Besondere Regulierung für die Big Player

Das EU-Gesetz über Digitale Märkte (auch Digital Markets Act, DMA) sieht besondere Vorschriften für sogenannte Torwächter (Gatekeeper) mit beherrschender Marktstellung vor. Als Torwächter im Sinne des DMA gelten Unternehmen, die:

  • Einen Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro in den letzten drei Jahren erwirtschafteten oder einen Börsenwert von mindestens 75 Milliarden Euro aufweisen
  • Mehr als 45 Millionen Endnutzer im Monat erreichen
  • In mindestens drei EU-Staaten Plattformdienste anbieten

Sind diese Punkte erfüllt, greifen automatisch verschärfte Auflagen an die Unternehmen, um trotz deren Vormachtstellung auf dem Markt weiterhin einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. So dürfen diese Unternehmen unter anderem nicht eigene Dienste in Rankings bevorzugen, den Zugang von dritten Zahlungsanbietern unterbinden, eigene und nicht deinstallierbare Anwendungen aufzwingen oder auch gewerbliche Nutzer der Plattformen einschränken.

Gleichzeitig müssen Nutzern diverse Rechte eingeräumt werden, so zum Beispiel die einfache Abmeldung von den Plattformen und Zugang zu den eigenen Marketingdaten für gewerbliche Nutzer. Weiterhin sind die Unternehmen verpflichtet, Nutzerzahlen zu veröffentlichen und die EU-Kommission über Fusionen und Übernahmen zu unterrichten.

Bei Verstößen gegen den DMA drohen empfindliche Geldstrafen für die Konzerne. Bei einem erstmaligen Verstoß kann diese bis zu 10 Prozent des weltweit erwirtschafteten Jahresumsatzes betragen. Sollte es darüber hinaus zu einem erneuten Verstoß kommen, verdoppelt sich die maximal mögliche Strafzahlung auf bis zu 20 Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes.

ByteDance wurde von der EU-Kommission als eines von insgesamt sechs Unternehmen als Gatekeeper im Sinne des Gesetzes identifiziert und benannt – bei den anderen handelt es sich um Alphabet, Amazon, Apple, Meta und Microsoft. Gegen diese Einstufung und die damit einhergehende schärfere Regulierung erhob der chinesische Konzern im November 2023 Klage vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG).

Klage in allen Punkten abgewiesen

In der Klageschrift von ByteDance hieß es, das Unternehmen erfülle nicht die Anforderungen des Gesetzes, um als Gatekeeper eingestuft zu werden und lieferte dazu vor allem drei Hauptargumente. Das Gericht wies jeden einzelnen dieser Punkte zurück und erklärte die Einschätzung der EU-Kommission damit für korrekt.

ByteDance argumentierte, es generiere seinen Marktwert vor allem über Aktivitäten in China und nicht etwa in Europa. Das Gericht widersprach: Der Marktwert von TikTok und folglich ByteDance erreiche ohne Zweifel die im DMA festgelegten Schwellenwerte und ergebe sich in erster Linie aus den hohen globalen Nutzerzahlen, insbesondere jenen in finanzstarken Märkten wie Europa.

Des Weiteren, so der Konzern, biete man kein Plattformökosystem mit Nutzerbindungseffekten, sprich mehreren ineinander greifenden Apps wie zum Beispiel Meta mit Facebook, Instagram und Threads, an und sei damit für gewerbliche Nutzer weniger interessant. Auch diesem Argument wurde widersprochen. Ungeachtet ausbleibender Netzwerkeffekte sei TikTok durch sein zeitweise exponentielles Wachstum, die inzwischen weite Verbreitung und die hohe Bindungsquote gerade bei jungen Nutzern sehr wohl ein wichtiges Zugangstor für gewerbliche Nutzer.

Zu guter Letzt argumentierte ByteDance, die Marktposition von TikTok sei keinesfalls gefestigt, sondern durch Nachahmerprodukte wie Reels auf Instagram und Facebook oder auch YouTube Shorts durchaus hart umkämpft. Auch hier kam das Gericht zu einem anderen Schluss. ByteDance sei es gelungen, innerhalb weniger Jahre seit Marktstart von TikTok im Jahr 2018 die Plattform auf dem europäischen Markt zu etablieren und zu festigen. Trotz starker Konkurrenz durch ähnliche Produkte anderer Anbieter hätte TikTok einen rasanten Anstieg bei den Nutzerzahlen hingelegt und erreiche inzwischen halb so viele User wie Facebook und Instagram.

Das EuG kommt damit zu dem Schluss, dass die Einschätzung der EU-Kommission grundsätzlich richtig ist und setzte durch die rigorose Auslegung ein klares Signal an andere Unternehmen, die bereits angekündigt haben, ebenso gegen das Gesetz klagen zu wollen. ByteDance steht indes noch der Rechtsweg über die nächsthöhere Instanz offen, um das Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzufechten.