Onyx Boox Go Color 7 im Test: Technische Ausstattung, offenes Android und der Boox Go Color 7 in der Praxis
2/3Verbaute Technik
Das Herzstück des Color 7 bildet ein etwas in die Jahre gekommener Snapdragon 665 mit acht Kryo-260-Kernen. Das 2019 vorgestellte und im 11-nm-Verfahren gefertigte SoC liefert einen Maximaltakt von 2 GHz, was den E-Book-Reader zwar nicht zu Höchstleistungen antreibt, für eine komfortable Nutzung aber vollkommen ausreicht. Aufgrund des für ein SoC schon etwas hohen Alters muss sich der Käufer beim Testkandidaten mit WiFi 5 im 2,4- und 5-GHz-Band sowie Bluetooth 5.0 für den Kontakt zur Außenwelt begnügen.
Für das Kurzzeitgedächtnis stehen 4 GB zur Verfügung, eigene Inhalte können im 64 GB großen Speicher abgelegt werden. Sollte der Speicherplatz einmal nicht mehr ausreichen, kann er über SD-Karten im Micro-Format erweitert werden.
Der Color 7 besitzt, wie bereits beschrieben, einen kleinen Lautsprecher, der für Textausgaben zu abendlichen Stunden ausreichend sein kann. Wer jedoch mehr oder gar eine Stereo-Ausgabe wünscht, muss auf externe Ausgabegeräte zurückgreifen, die entweder per Bluetooth gekoppelt oder per Kabel angeschlossen werden müssen. Letzteres ist allerdings nur über einen optionalen USB-C-Adapter möglich, denn einen nativen Kopfhörerausgang bietet der Proband nicht.
Der fest verbaute Akku besitzt eine Nennladung von 2.300 mAh, was in diesem Bereich als guter Durchschnitt anzusehen ist und den Reader bei reinem Lesegebrauch einige Zeit mit Energie versorgen sollte.
Android 12 mit Anpassungen
Den Software-Rückhalt bildet beim Color ein bereits etwas älteres Android 12, das erstmals im Oktober 2021 das Licht dieser Welt erblickte. Käufer sollten nicht davon ausgehen, dass Onyx den Color 7 mit neuen Android-Versionen versorgen wird. Für den Gebrauch als Lesegerät ist allerdings zumindest an Funktionen auch nicht wirklich mehr nötig. Inwieweit Onyx den E-Book-Reader in Zukunft zumindest mit Updates versorgen wird, bleibt abzuwarten – der Status der Sicherheitspatches wird im System mit Februar 2024 angegeben. Weiter werden in die Play-Dienste ausgelagerte Teile des Systems über den Play Store mit Korrekturen versorgt.
Die Oberfläche des Color 7 ist seitens des Herstellers stark an die Nutzung in einem E-Book-Reader angepasst worden. Direkt nach dem Einschalten wird der Nutzer von der Bibliothek begrüßt, die ihm eine Auflistung der auf dem Gerät gespeicherten Bücher liefert. Am unteren Bildschirmrand finden sich mehrere Icons, welche die einzelnen Bereiche des Systems darstellen. So frei wie auf einem Android-OS eines Smartphones oder Tablets kann sich der Anwender also nicht bewegen.
Des Weiteren können über die Schaltflächen der integrierte Shop und die Speicherübersicht aufgerufen werden, die einen schnellen Zugriff auf die auf dem Gerät gespeicherten Dateien ermöglicht. Der Bereich „Apps“ gibt einen Überblick über die installierten Programme, über einen klassischen App-Drawer im eigentlichen Sinn verfügt das System nicht. Dank der Unterstützung des Google Play Store kann dieser oder auch ein alternativer Launcher schnell nachgerüstet werden – dazu später mehr. Als letzter Punkt bleiben noch die Einstellungen, mit denen auf das Verhalten des Color 7 Einfluss genommen werden kann.
Große Anpassungsmöglichkeiten
Zur Steuerung bietet das System die von Android bekannten Methoden per Gesten oder über die Navigationsleiste am unteren Rand, wobei die Position der einzelnen Softbuttons frei wählbar ist. Bei der Gestensteuerung ist der untere Teil des Bildschirms für ein Wischen nach oben in drei Bereiche aufgeteilt: Im Auslieferungszustand gelangt der Anwender auf der linken Seite mit einem Wisch nach oben zum E-Ink-Center, der viele Einstellungsmöglichkeiten zur visuellen Ausgabe bietet. Mittig nach oben gewischt geht es zurück zur Startseite und ein Wisch im rechten Bereich nach oben sorgt für eine Rückkehr zur vorherigen Anzeige. Diese drei Bereiche können auf Wunsch aber auch mit anderen Funktionen belegt werden. Wer will, kann damit auch für einen Refresh der Seite sorgen oder die Farbtemperatur umschalten.
Gleiches gilt für die Wischgesten am seitlichen Bildschirmrand, mit denen horizontal Lautstärke und Helligkeit angepasst werden können. Bei vertikaler Bewegung wird dagegen eine Seite vor- oder zurückgeblättert. Auch diese Gesten lassen sich mit weiteren vorgefertigten Funktionen belegen. Gleiches gilt für die bereits beschriebenen Tasten, die mit einem kurzen und einem langen Druck sogar doppelt belegt werden können. So lässt sich mit ihnen ganz normal in digitalen Büchern blättern, während ein längerer Druck das manuelle Auffrischen einer Seite aufruft, was gerade bei alternativen Apps durchaus hilfreich sein kann.
Vereint im Kampf gegen Ghosting
Zwar spielt das als „Ghosting“ beschriebene Durchscheinen von vorher angezeigten Inhalten bei aktuellen E-Ink-Panels mittlerweile eine eher untergeordnete Rolle, es kann aber unter bestimmten Umständen immer noch auftreten und dann als störend empfunden werden. Um diesem Problem zu begegnen, hat sich Onyx eine Reihe von Maßnahmen einfallen lassen, die auch die erwähnte Trägheit der Bildschirmtechnologie kompensieren sollen.
So stellen die Entwickler dem Nutzer zunächst drei verschiedene Modi zur Verfügung, die unterschiedliche Inhalte abdecken sollen: Der normale Modus soll sich besonders für Texte in hoher Auflösung und vergleichbare Inhalte eignen, die sich nicht so häufig ändern. Der „Speed Mode“ hingegen ist eher für Websites und scrollbare Dokumente gedacht, wobei bei dieser Voreinstellung ein gewisses Ghosting zu erwarten ist. Der „A2“-Modus bietet noch einmal eine höhere Geschwindigkeit und Bildwiederholrate, aber auch ein höheres Ghosting.
Um es gleich vorwegzunehmen: Videos funktionieren auf dem Color 7 nicht wirklich gut. Die Qualität mag zwar ausreichen, um sich ein kurzes Video rein zu Informationszwecken anzuschauen, Spaß macht es aber auf keinen Fall. Damit nicht für jede Applikation der jeweilige Modus manuell gewählt werden muss, lässt sich in den Einstellungen für jede App einzeln die Art der Darstellung festlegen.
Bei den nativ von den Herstellern integrierten Leseapplikationen ist die Invertierung, also die komplette Neuausrichtung aller Bildpunkte, meist an den Seitenwechsel gekoppelt und der Nutzer kann für gewöhnlich die Intervalle selbst festlegen. Bei alternativen Anwendungen ist dies jedoch nicht möglich, da sie nicht so tief mit dem jeweiligen Betriebssystem verzahnt sind. Auch hier bietet der Color 7 verschiedene Möglichkeiten an, um den Refresh an bestimmte Auslöser zu koppeln.
Dazu gehört zunächst die bereits beschriebene Möglichkeit, den Refresh über eine vordefinierte Geste oder Taste anzustoßen. In den meisten Fällen dürften Nutzer jedoch eine automatisierte Methode präferieren und die manuelle Methode eher als Ergänzung betrachten. Hier gibt es ebenfalls mehrere Möglichkeiten: Zum einen kann ein Zeitintervall eingestellt werden, in dem die Seite immer nach einer bestimmten Zeit aktualisiert wird. Diese Lösung kann allerdings in manchen Fällen vom Benutzer als störend empfunden werden, insbesondere wenn eine Aktualisierung während des Lesens erfolgt. Wesentlich besser ist es, die Invertierung an die Berührungen des Touchscreens zu koppeln. Damit lässt sich eine identische Umsetzung wie bei einer nativen Leseapplikation realisieren, da in den meisten Fällen ein Seitenwechsel ebenso durch eine Berührung erfolgt – zumindest solange keine Tasten zum Blättern verwendet werden.
Auch hier lassen sich alle gemachten Einstellungen jeder App individuell zuweisen.
Lesen auf dem Boox Color 7
Letztlich muss sich ein elektronisches Gerät immer in der Praxis bewähren und hierbei macht der Color 7 eine gute Figur. Die Vorteile des offenen Android-Betriebssystems zeigen sich nicht erst bei der Nutzung alternativer Leseanwendungen, sondern bereits beim Befüllen des Readers. Durch die Unterstützung von Googles Play Store als Software-Quelle besitzt der E-Book-Reader bereits eine schier unendliche Menge an Möglichkeiten, seinen Besitzer mit neuem Lesestoff zu versorgen.
Zunächst sei der Vollständigkeit halber die klassische kabelgebundene Methode erwähnt, bei der der Reader über ein USB-C-Kabel mit einem Desktop-PC, Mac oder Notebook verbunden wird und die entsprechenden Dateien einfach übertragen werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mittels einer Speicherkarte neue Bücher auf den Reader zu bringen. Als Quelle für neue Inhalte dürfte der bereits integrierte Shop von Onyx weniger infrage kommen – nicht nur, weil bei den dort aufgeführten Büchern das Urheberrecht schon lange abgelaufen ist und sie entsprechend alt sind, sondern auch, weil Exemplare in deutscher Sprache kaum vorhanden sind.
Was die zusätzlichen Möglichkeiten betrifft, so ist wohl nur das App-Angebot im Play Store als wirkliche Grenze anzusehen. Neben den Shops diverser Anbieter stehen weitere Dienste wie die Onleihe der öffentlichen Bibliotheken bereit. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die eigenen Bücher auf das Lesegerät zu bringen, darunter die verschiedenen Cloud-Clients von Google und Microsoft oder auch die unabhängigen Vertreter wie Dropbox oder Nextcloud. Wer ein eigenes NAS besitzt, kann darüber ebenfalls Bücher beziehen. Onyx stellt zudem jedem Nutzer nach einmaliger Registrierung einen Cloud-Speicher von 10 GB zur Verfügung, auf dem eine Vielzahl von Büchern gespeichert werden kann.
Auch das Nutzen alternativer Leseanwendungen stellt in den meisten Fällen kein Problem dar. Wird die Invertierung der Seite dabei wie bereits beschrieben an die Berührung auf den Touchscreen gekoppelt, gestaltet sich die Nutzung ebenso komfortabel wie bei dem Color-7-eigenen NeoReader. Selbst die Kindle-App von Amazon konnte im Test problemlos verwendet werden, womit beide Welten auf einem Gerät vereint werden konnten.
Hausgemachtes
Doch die Nutzung alternativer Lese-Apps dürfte sich, zumindest wenn nicht auf das Angebot von Amazon zurückgegriffen werden soll, für viele Nutzer erübrigen, da Onyx mit dem NeoReader bereits eine sehr leistungsstarke Software bietet, mit der sich auch eine große Anzahl von Büchern einfach verwalten lässt.
Das beginnt bereits bei der Übersicht, in der sich die Inhalte nach verschiedenen Kriterien wie Titel, Autor oder dem Datum des Hinzufügens sortieren oder unter anderem nach gelesenen und ungelesenen Büchern filtern lassen. Auch der eigene Leseverlauf kann anhand von Statistiken angezeigt werden. Darüber hinaus ist es möglich, mehrere Bücher zu einem Bücherregal zusammenzufassen und somit zu kategorisieren.
Bei den Büchern selbst gibt es ebenfalls zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten, die andere Hersteller vor Neid erblassen lassen dürften. So lässt sich die Größe der rund 200 installierten Schriften in 86 Abstufungen einstellen, wobei sich deren Darstellung noch verstärken lässt. Bei den Abständen beschränkt sich Onyx nicht nur auf Seitenränder und Zeilenabstände (denn auch sie lassen sich sehr differenziert einstellen): So können die Seitenränder an allen vier Seiten einzeln angepasst und obendrein die Wort-, Zeilen- und Absatzabstände frei und nicht in vorgegebenen Werten gewählt werden. Gleiches gilt für den Einzug.
Wer möchte, kann sich den jeweiligen Text ebenso invertiert darstellen lassen, obschon ein entsprechender Button eher in die Schnelleinstellungen als tief in das Einstellungsmenü des NeoRaders gehört hätte. Neben den genannten Einflussmöglichkeiten lassen sich Bilder schärfen und glätten sowie dunkle Bereiche aufhellen.
Auch die Darstellung von Dokumenten im PDF-Format gestaltet sich auf dem Reader einfach, wobei der Lesekomfort aufgrund der Bildschirmgröße von 7 Zoll immer vom jeweiligen Inhalt abhängt. Doch hier gibt Onyx dem Nutzer ebenfalls einige Hilfsmittel an die Hand: So bietet das System natürlich eine Zuschneidefunktion, mit der nicht benötigte Ränder an den Seiten entfernt werden können, was die Darstellung unter Umständen vergrößert und den Inhalt dadurch bereits besser lesbar macht.
Im Comic- oder Artikelmodus kann die Seite eines Dokuments in bis zu vier Bereiche unterteilt werden, die nacheinander durchlaufen werden können. Die Reihenfolge kann dabei ebenso beeinflusst werden, was besonders bei Manga einen Vorteil darstellen kann, da sie nicht selten von rechts oben nach links unten gelesen werden. Nach einem ähnlichen Prinzip verfährt der Spaltenmodus, der sich vor allem für Zeitungen und Zeitschriften eignet.
Zum Schluss darf natürlich das PDF-Reflow nicht fehlen, mit dem der im Dokument eingebettete Text einfach herausgelöst und mit allen Formatierungsmöglichkeiten eines normalen E-Books dargestellt werden kann. Dieses Feature funktioniert allerdings nur bei Dokumenten, die reinen Text enthalten – bei solchen, in denen Bilder die Grundlage des Geschriebenen sind, funktioniert das Herauslösen nicht. Diese Dokumente müssen erst mittels OCR bearbeitet werden.