Onyx Boox Go Color 7 im Test: Vorlesefunktion, App-Nutzung und abschließendes Fazit

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Michael Schäfer
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Lesen und hören

Neben den bereits erwähnten zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten gestaltet die Unterstützung von 20 Formaten, darunter Epub, PDF oder die bei Comic-Fans beliebten Formate CBR und CBZ, das Lesen auf dem Color 7 sehr komfortabel. Texte werden scharf und gut dargestellt und auch die Handhabung lässt kaum Wünsche offen. Einzig die fehlende native Unterstützung von Dokumenten mit digitalem Rechtemanagement könnte dem einen oder anderen Nutzer sauer aufstoßen. Um sie dennoch lesen zu können, ist somit ein Gang zu den alternativen Leseanwendungen nötig.

Die Unterstützung von Audio-Formaten hätte allerdings gerade wegen der Bluetooth-Funktion höher ausfallen müssen – nativ können nur WAV und MP3 abgespielt werden. Wer mehr will, muss im Play Store nach alternativen Playern suchen.

Vorlesefunktion nur für starke Nerven

Jeder Hersteller von E-Book-Readern, der etwas auf sich hält, stattet seine Modelle mit einer Vorlesefunktion aus, die allerdings in den meisten Fällen mehr verspricht als hält – so auch bei Onyx. Da die künstliche Intelligenz in dieser Hinsicht mit ihren teilweise sehr guten Sprachsimulationen noch keinen Einzug auf Lesegeräte gehalten hat, muss mit der bisher verwendeten Technik vorliebgenommen werden. Selbst wenn, wie in diesem Fall, das Stimmenmodul von Google kommt, macht das Zuhören nur wenig Spaß. Die künstlich wiedergegebenen Texte wirken gehetzt vorgelesen und sind mit teilweise völlig falschen Betonungen versehen, was zusätzlich dadurch verstärkt wird, dass das System anscheinend keine Abkürzungen zu kennen scheint und sie wie ein Satzende behandelt. Aus diesen Gründen kann die Technik vielleicht noch für eine kurze Wiedergabe zu reinen Informationszwecken nützlich sein, ein ganzes Hörbuch dürften damit aber nur Hartgesottene hören wollen. Es wird also noch einige Zeit ins Land ziehen, bis E-Book-Reader in der Lage sein werden, Inhalte zumindest annähernd so wie eine professionell aufgenommene Hörbuchfassung wiederzugeben.

Für Menschen mit Sehbehinderungen dürfte die Nutzung des Readers schon wegen des fehlenden Feedbacks bei den Eingaben nicht infrage kommen.

App-Nutzung auf dem Boox Go Color 7

Android-Apps auf den Color 7 zu bekommen, ist denkbar einfach – dafür müssen lediglich die Zugangsdaten eingegeben werden und der Nutzer kann loslegen. Ebenso lassen sich aber Apps aus alternativen Bezugsquellen, wie unter anderem F-Droid, auf den Reader bringen. Das direkte Installieren von APK-Dateien ist ebenfalls möglich.

Wie gut sich die aufgespielten Programme nutzen lassen, hängt allerdings von ihrer Art ab. Apps mit wenig Bewegung lassen sich dabei aufgrund der Display-Technologie besser verwenden als solche, die auf einen schnellen Bildaufbau setzen – Videos und auch die meisten Spiele scheiden damit praktisch von vornherein aus. Die beschriebenen Darstellungsmodi, die Onyx integriert, können stellenweise zu Verbesserungen führen, aber nicht zaubern. So muss dem Käufer von vornherein klar sein, dass es sich beim Color 7 nach wie vor um einen E-Book-Reader handelt, bei dem die App-Unterstützung eine Ergänzung darstellt, und nicht um ein Tablet.

Auch für einfache Spiele eignet sich der Boox Go Color 7
Auch für einfache Spiele eignet sich der Boox Go Color 7

Es gibt aber durchaus Bereiche, in denen die Installation alternativer Apps die Nutzung sinnvoll erweitern kann. Dazu zählen nicht nur die bereits erwähnten Reader- oder Audio-Apps und erweiterten Bezugsmöglichkeiten von Inhalten, auch kleine oder größere Denk- und Knobelspiele von Sudoku über 2048 bis hin zu Schach können auf dem Color 7 durchaus großen Spaß machen. Doch auch als Steuerung für die Heimautomation oder Mediengeräte oder einfach nur als Zuspieler für Bluetooth-Ausgabegeräte kann der Proband verwendet werden. Im Test stellten die Steuerung eines Sonos- und Teufel-Multiroom-Systems sowie die Musikwiedergabe über einen Bluetooth-Lautsprecher mittels DS Audio von Synology keine große Hürde dar. Gleiches gilt für die Nutzung von Messengern und E-Mail.

Natürlich müssen hier an manchen Stellen etwas mehr Geduld und Zeit als bei einem Smartphone oder Tablet aufgebracht werden, aber daran sollte sich schnell gewöhnt werden. Alleine die Tatsache, dass kein zusätzliches Gerät mehr zur Hand genommen werden muss, steigert den Komfort ungemein.

Fazit

Der Boox Go Color 7 dürfte aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes auf ein geteiltes Echo stoßen. Potenziellen Käufern, die um das Lebensende des Kindle Oasis trauern, dürften in diesem eine interessante Alternative finden, bei der es sich lohnt, sie näher in Augenschein zu nehmen. Anderen Nutzern wird der durch das Verlagern der Technik auf eine Seite entstandene größere Rand weniger willkommen sein, vor allem, weil die anderen Ränder dadurch sehr schmal werden und der E-Book-Reader praktisch nur noch mit einer Hand gehalten werden kann. Ein schneller Handwechsel ist so nicht möglich, da der Daumen auf der anderen Seite schnell einen Teil des Displays verdecken würde, was schnell zu ungewollten Eingaben führen kann.

Im Inneren älter, aber noch lange kein altes Eisen

Technisch gibt sich der Color 7 hingegen keine Blöße. Der verbaute Snapdragon 665 mag auf den ersten Blick bereits zum alten Eisen gehören, liefert mit seinen acht Kernen allerdings genügend Leistung für alle Nutzungsszenarien, die dabei zudem sehr sparsam sind. Auch der Speicher ist mit 64 GB für ein Lesegerät dieser Klasse üppig bemessen und kann obendrein per microSD-Karte erweitert werden. Die Verarbeitung hinterlässt ebenfalls einen guten Eindruck, alles wirkt wie aus einem Guss gefertigt – nichts quietscht oder knarzt. Einen gewissen Wasserschutz bietet der Testkandidat ebenso, obschon Onyx hierfür eine Zertifizierung scheut. Der Hersteller selbst spricht nur davon, dass dieser den Reader vor „Spritzwasser und Verschüttungen“ schützt. Ein paar Regentropfen bei der Nutzung an der Bushaltestelle oder in der Nähe des heimischen Planschbeckens und ein wenig Wasserdampf beim Lesen während eines gemütlichen Bades dürfte das Modell somit unbeschadet überstehen. Untergetaucht werden sollte es dann aber lieber nicht.

Etwas mehr Licht, bitte …

Das Display mit Kaleido-3- und Carta-1200-Technologie kann ebenfalls überzeugen: Texte werden wie von E-Ink gewohnt scharf dargestellt, die neue Farbdarstellung lässt farbige Flächen gleichmäßiger und kräftiger erscheinen, als es noch beim Vorgänger der Fall war. Farbige Schriften werden zwar höher aufgelöst angezeigt, im Vergleich zur reinen Graustufendarstellung muss der Leser aber nach wie vor technisch bedingt mit einer geringeren Auflösung leben. Ein Deaktivieren der Farbdarstellung ist nicht möglich. Einziger wirklicher Kritikpunkt stellt hierbei jedoch die geringe maximale Helligkeit der integrierten Vordergrundbeleuchtung dar. Mit dieser haben allerdings alle Anbieter von Lesegeräten bisher zu kämpfen. Dies liegt zum einen an der für die Darstellung der Farben notwendigen zusätzlichen Schicht, die auch für einen dunkleren Hintergrund sorgt, zum anderen scheinen die Hersteller aus Platzgründen weniger LED-Einheiten verbauen zu können. Anders lässt sich der teilweise enorme Unterschied nicht zu erklären.

Onyx Boox Go Color 7 im Test

Das offene Android-OS erweitert in Verbindung mit der Unterstützung des Google Play Store die Möglichkeiten des Color 7 massiv. Dass aber nur die Version 12 zum Einsatz kommt, dürfte Kritik hervorrufen. Dabei muss dies nicht von Nachteil sein, bieten die neueren Ausgaben doch im Grunde keine zusätzlichen Funktionen, die für einen E-Book-Reader von Vorteil wären. Wichtig ist nur, dass Onyx das Gerät regelmäßig mit Sicherheitspatches versorgt – bei Erscheinen dieses Testes wurde der Stand mit Februar 2024 angegeben, was noch in Ordnung geht.

Viele sinnvolle Ergänzungen

Um zumindest einen Großteil der verfügbaren Apps komfortabel nutzen zu können, hat Onyx dem System einige Optimierungen spendiert. So sollen verschiedene Modi dafür sorgen, dass die ansonsten eher trägen E-Ink-Panels keinen so großen Nachteil darstellen, und auch das Thema Ghosting wurde durch verschiedene Refresh-Möglichkeiten weitestgehend in den Griff bekommen. Die gemachten Einstellungen lassen sich zudem für jede App separat zuweisen. Durch diese Unterstützung stellen alternative Leseanwendungen wie die Kindle-App von Amazon kein wirkliches Problem mehr dar. Damit und mit vielen anderen Apps ist der Nutzer noch freier in der Wahl seiner Quellen. Leser dürften jedoch nur in speziellen Fällen zu anderen Lese-Apps greifen, denn der integrierte NeoReader von Onyx bietet für sich schon eine Fülle an Einstellungsmöglichkeiten, auf die andere Hersteller nur neidisch blicken können. Für Videos taugt die Display-Technologie hingegen nach wie vor nicht.

Wer jedoch eher auf eine „klassische“ Reader-Form setzt, mit der ein Handwechsel wie gewohnt leicht möglich ist, und wer auf ein offenes Android-System verzichten kann, sollte sich einmal das InkPad Color 3 von PocketBook (Test) genauer ansehen. Es schlägt mit einem UVP von 320 Euro zwar eine etwas tiefere Kerbe in den Geldbeutel, besitzt dabei allerdings mit 7,8 Zoll ein etwas größeres Display.

Onyx Boox Go Color 7
Produktgruppe E-Book-Reader, 24.07.2024
  • Darstellung
    +
  • Bedienung
    ++
  • Verarbeitung
    ++
  • gute Verarbeitung
  • sehr gute Textdarstellung
  • Farbdarstellung
  • viele sinnvolle Funktionen und Einstellungsmöglichkeiten
  • offenes Android-OS
  • Unterstützung des Play Store von Google
  • Viele Optimierungen für E-Ink in Bezug auf externe Applikationen
  • Mit Android 12 etwas zu altes OS
  • Helligkeit etwas zu gering

ComputerBase hat den Boox Go Color 7 leihweise von Onyx zum Testen erhalten. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.

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