Onyx Boox Palma im Test: Praxiserfahrungen und Fazit

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Michael Schäfer
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Inhalte ganz einfach aufspielen

Das offene Android-System und die damit verbundene Unterstützung des Google Play Store kann seine Vorteile nicht nur bei den Lese-Applikationen ausspielen, sie beginnen bereits einen Schritt zuvor: So ist bei dem Reader eine Fülle an Möglichkeiten vorhanden, ihn mit den nötigen Inhalten zu füllen. Am einfachsten dürfte dabei die klassische Methode sein, bei der das Lesegerät einfach per USB-Kabel an den jeweiligen Computer angeschlossen wird. Darüber hinaus können digitale Bücher auch über die SD-Karte ihren Weg auf den Palma finden.

Der Boox Palma liefert ein sehr gutes Schriftbild
Der Boox Palma liefert ein sehr gutes Schriftbild

Des Weiteren ist lediglich das App-Angebot der limitierende Faktor, denn hierbei ist theoretisch alles möglich. So können unzählige Onlineshops auf dem Reader installiert sein, um neue Inhalte zu beziehen. Der bereits installierte Boox-Shop ist dabei allerdings keine große Hilfe, da er im Grunde nur alte Bücher führt, deren Urheberrecht schon lange abgelaufen ist. Zum anderen sind deutschsprachige Bücher dort mehr als rar. Onyx bietet jedem Käufer seiner Geräte zudem in der hauseigenen Cloud einen Speicherplatz von 10 GB, die so als Zwischenspeicher für eigene Inhalte genutzt werden kann. Alternativ sind mit entsprechenden Clients andere Dienste möglich, auch der Zugriff auf das in den eigenen vier Wänden stehende NAS wird geboten. Wie geschrieben: Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.

Lesen, womit es einem beliebt

Ebenso ist, wie bereits mehrfach erwähnt, die Verwendung alternativer Lese-Applikationen möglich, was nicht zuletzt vor allem an den ausgeklügelten Invertierungsmöglichkeiten liegt. Im Test gab es selbst mit der Kindle-App von Amazon keine Probleme, womit beide Welten auf einem Gerät vereint werden konnten.

Dank Play-Store-Unterstützung ist auch die Kindle-App auf dem Palma kein Problem
Dank Play-Store-Unterstützung ist auch die Kindle-App auf dem Palma kein Problem

Der Großteil der Nutzer dürfte jedoch auf die Boox-eigene NeoReader-App zurückgreifen, da sie die meisten Ansprüche bereits mehr als erfüllen dürfte. Das beginnt schon bei der Bibliothek, die eine Vielzahl an Funktionen zur besseren Organisation der eigenen Inhalte bereithält. So können hier die digitalen Bücher nach bestimmten Kriterien sortiert und gefiltert werden, um auch bei einer großen Anzahl von Büchern schnell das passende zu finden. Auch das Anlegen eigener Kategorien, hier „Bücherregale“ genannt, ist möglich.

Viele Anpassungsmöglichkeiten

Hat sich der Nutzer dann für ein Buch entschieden, bietet ihm das System ebenfalls zahlreiche Möglichkeiten, um Einfluss auf die Darstellung der Inhalte zu nehmen. So kann der Anwender bereits zu Anfang aus rund 250 verschiedenen Schriftarten wählen, weitere lassen sich auf Wunsch nachträglich installieren. Deren Größe kann obendrein in 23 Abstufungen eingestellt werden. Dabei sollte man es mit der Vergrößerung aber nicht übertreiben, denn beim höchsten Wert finden nur noch wenige Wörter auf dem kleinen Display Platz. Im Übrigen lässt sich der dargestellte Text verstärken und somit kräftiger darstellen.

Bei den Abständen sind Nutzer anderer Reader mittlerweile schon froh, wenn sie diese grob aus voreingestellten Werten wählen können. Der Palma bietet hier ebenfalls mehrere Möglichkeiten: So lassen sich nicht nur die Zeilenabstände sehr fein einstellen, auch der Abstand der Absätze zueinander kann beeinflusst werden. Damit aber noch nicht genug, denn die Abstände zu den Rändern oben und unten oder links und rechts sind ebenso frei wählbar. Noch dazu ist eine Veränderung des Wortabstandes möglich.

Das System bietet viele Möglichkeiten den Text anzupassen
Das System bietet viele Möglichkeiten den Text anzupassen

Neben den bereits zahlreichen Möglichkeiten können Bilder geschärft und geglättet sowie dunkle Bereiche verbessert werden. Selbst die Kodierung des Dokumentes kann angepasst werden. Somit bietet der integrierte NeoReader alles, was der Leser in der Regel benötigt.

PDF-Darstellung möglich, aber weniger sinnvoll

Auf die Anzeige von PDF-Dokumenten muss man ebenso wenig verzichten, wenngleich sie trotz aller Unterstützung auf so einem kleinen Display kaum Spaß machen dürfte. Der Vollständigkeit halber sei allerdings auch dieser Punkt erwähnt: Comic- und Artikelmodus ermöglichen es, Inhalte unabhängig voneinander in bis zu vier einzelne Felder aufzuteilen, die dann nacheinander abgegangen und dargestellt werden. Die Reihenfolge ist dabei ebenfalls wählbar, was Manga-Fans freuen dürfte, denn entsprechende Inhalte werden nicht selten von rechts oben nach links unten gelesen.

Natürlich wird auch die klassische Zuschneidefunktion unterstützt. Oft lassen sich Dokumente durch das Abschneiden von Seitenrändern so vergrößern, dass das Lesen deutlich komfortabler wird. Ob dies bei dem kleinen Display des Boox Palma auch der Fall ist, darf allerdings bezweifelt werden.

Onyx bietet für den Boox Palma zwei Hüllen an
Onyx bietet für den Boox Palma zwei Hüllen an

Einen größeren Nutzen dürfte für den Leser das PDF-Reflow besitzen, das aufgrund der teilweise schlechten Übersetzung als „Rückfluss“ betitelt wird und bei dem der Text aus dem Dokument herausgelöst und mit all seinen Formatierungsmöglichkeiten angezeigt wird. Dies funktioniert jedoch nur bei Dokumenten, die reinen Text beinhalten – PDF-Dateien, die ausschließlich auf Bildern basieren, sollten dafür zunächst einer Texterkennung unterzogen werden.

Lesen auf kleinstem Raum

Doch wie liest es sich auf solch einem kleinen Bildschirm nun? Nutzer, die bereits viel auf ihrem Smartphone lesen, werden beim Umstieg auf den Boox Palma keinen großen Unterschied in der Handhabung bemerken – außer dass die Display-Technik spürbar ihre Augen schonen wird. Anwender, die dagegen von den üblichen 6 oder 7 Zoll großen Lesegeräten kommen, dürften sich erst mal an die deutlich höhere Blätterfrequenz gewöhnen müssen. Das dürfte vor allem auf Brillenträger zutreffen, die ihre entsprechenden Sehhilfen nicht immer zur Hand haben und daher gerne mit größerer Schrift lesen. Sie werden wahrscheinlich häufiger umblättern.

Dank der Ständerhülle lässt sich der Boox Palma auch anderweitig nutzen
Dank der Ständerhülle lässt sich der Boox Palma auch anderweitig nutzen

Aufgrund der kurzen Zeilen wird es vielen Lesern anfangs sicherlich schwerfallen, in einen Leserhythmus zu finden, wobei sich hier natürlich die Nutzung des Readers im Querformat anbietet.

Nativ beherrscht der Reader 19 Textformate, darunter auch AZW3 von Amazon, wobei es sich hier um die ungeschützte Variante handeln dürfte. Dokumente, die mit einem digitalen Rechtemanagement versehen sind, werden überhaupt nicht unterstützt – hier ist der Griff zu alternativen Lese-Applikationen Pflicht.

Bei den Audio-Formaten sind lediglich WAV und MP3 vertreten. Wer mehr wiedergeben möchte, muss ebenfalls zu den Alternativen greifen.

Holprige Vorlesefunktion

Wie viele moderne E-Book-Reader verfügt auch der Boox Palma über eine integrierte Vorlesefunktion, mit der Text in gesprochene Sprache gewandelt werden kann. Trotz aller Einflussnahme auf das von Google stammende TTS-System (unter anderem, welche Pausen bei welchen Satzzeichen gemacht werden sollen) verläuft die Ausgabe doch sehr holprig und kann nach wie vor nicht mit einem professionell eingesprochenen Hörbuch mithalten.

Es bleibt jedoch abzuwarten, ab wann auch hier die künstliche Intelligenz Einzug halten wird, denn aktuelle Lösungen zeigen bereits, wozu die neue Technologie in der Lage ist. Dann ist bei dieser Funktion mit einem deutlichen Qualitätssprung zu rechnen.

Eingeschränkte App-Nutzung

Obschon der Formfaktor übereinstimmt, lassen sich Boox Palma und Smartphones nur bedingt miteinander vergleichen. Dies liegt vor allem an der im Vergleich eher trägen Display-Technologie. Für schnelle Bildwechsel, wie sie bei Videos und natürlich bei vielen Spielen üblich sind, ist der E-Book-Reader daher kaum geeignet – darüber können auch die verschiedenen Darstellungsmodi nicht hinwegtäuschen. Bei eher statischen Ausgaben kann der Testkandidat jedoch aushelfen.

Auch alternative Medien-Player sind möglich
Auch alternative Medien-Player sind möglich

So eignet er sich sehr gut fürs Messenging, egal ob es sich dabei um E-Mails oder andere Dienste handelt. Gleiches gilt für bestimmte Arten von Games, zumindest wenn eine niedrige Framerate ausreichend ist und keine Farben notwendig sind. Auch als Steuerung für Mediensysteme oder Zuspieler für Bluetooth-Geräte macht der Palma eine gute Figur.

Die genannten Beispiele sind zwar nur als Dreingabe zu verstehen, denn die Darstellung von Texten wird immer die Hauptaufgabe des Palma bleiben. Dennoch erweitert es den Nutzungsbereich deutlich, wenn das Gerät noch die eine oder andere weitere Aufgabe übernehmen kann.

Fazit

Allein für das Konzept, das hinter dem Testkandidaten steht, verdient der Boox Palma eine Empfehlung – obschon er sicherlich immer ein Nischengerät in dem von vielen ohnehin schon oftmals als Nische bezeichneten Segment der E-Book-Reader bleiben und nur für wenige Nutzer interessant sein dürfte.

Außerdem stellt sich die berechtigte Frage, warum ein Gerät in der Größe eines Smartphones für rund 300 Euro gekauft werden soll, wenn bereits ein eigenes Mobiltelefon vorhanden ist. Die Antworten liegen in den kleinen Details, in denen der Palma seine Vorteile ausspielen kann. Wer unterwegs nur hin und wieder mal Texte lesen will, wird auch weiterhin mit seinem Smartphone gut bedient sein. Wer hingegen mehr liest, wird ein im Vergleich zu anderen E-Book-Readern kleineres und kompakteres Lesegerät, das bei Bedarf sogar gerne einfach mal in die Hosentasche gesteckt werden kann, sehr zu schätzen wissen. Gleiches gilt für das sehr gute E-Ink-Display, das auf Dauer deutlich augenfreundlicher ist. An das mit der geringeren Größe verbundene höhere Blätteraufkommen werden sich Nutzer zudem ebenfalls schnell gewöhnen. Lediglich Brillenträger, die nicht immer ihre entsprechende Sehhilfe dabei haben und daher zeitweise gerne ohne lesen, werden aufgrund der größeren Buchstaben und der geringeren Textmenge vielleicht weniger Spaß am Palma haben.

Die Textdarstellung fällt dabei generell sehr gut aus und die hauseigene Reader-App bietet Möglichkeiten zur Beeinflussung der Inhalte, von denen Nutzer von Modellen anderer Hersteller nur träumen können.

Onyx Boox Palma im Test

Wer jedoch eine andere Leseanwendung präferiert, kann sie dank des offenen Android-Systems und der Unterstützung des Google Play Store problemlos auf den E-Book-Reader bringen – selbst die Kindle-App von Amazon ist verwendbar. Dank ausgeklügelter Invertierungslösungen stellt Ghosting hier kein wirkliches Problem dar. Auch andere Apps können auf dem Palma eine sinnvolle Unterstützung darstellen, obschon deren Anzahl aufgrund des eher langsamen E-Ink-Displays im Vergleich zu normalen Smartphones geringer ausfällt. Bei Programmen, bei denen es weniger auf die Bildwiederholrate oder Farben ankommt, kann der Palma jedoch punkten. Dank Bluetooth- und WiFi-Unterstützung eignet sich das Gerät obendrein als Zuspieler für externe Ausgabegeräte oder zur Steuerung von Streamingdiensten und Mediensystemen.

Etwas mehr Sorgfalt hätte Onyx hingegen bei der Verwendung von Android walten lassen können. Kam schon beim Note Air 3 C mit Android 12 ein nicht mehr ganz taufrisches OS zum Einsatz, fällt es beim Palma mit Android 11 noch mehr ins Gewicht. Zwar setzen die benötigten Funktionen des Testkandidaten kein aktuelles System voraus, dennoch sollten Hersteller dem Thema Sicherheit auch auf E-Book-Readern mehr Aufmerksamkeit schenken – dann wären auch die Sicherheits-Patches nicht bereits über ein halbes Jahr alt. Wie die Update-Versorgung zukünftig beim Palma aussehen wird, wird sich noch zeigen müssen.

Bleibt am Ende noch der Preis, denn die geforderten 300 Euro sind erst mal eine Hausnummer. Das gilt vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass technisch vergleichbare E-Book-Reader mit mittlerweile 7 Zoll Bildschirmgröße in den meisten Fällen preislich bereits bei rund der Hälfte des geforderten Preises beginnen – ein Kindle Paperwhite ist in den bei Amazon immer wieder stattfindenden Angeboten sogar noch günstiger zu erhalten. Allerdings sind diese Geräte deutlich größer und damit weniger handlich – in den meisten Fällen werden sie in mitgeführten Taschen verstaut.

Aus diesem Grund kann das Konzept hinter dem Boox Palma zumindest bei den Nutzern aufgehen, die die Vorzüge eines E-Ink-Displays zu schätzen wissen und auf der Suche nach einem äußerst kompakten Lesegerät sind. Der Reader kann für sie zu einem treuen und geschätzten Begleiter werden. Der Verkaufspreis dürfte in den nächsten Monaten sicherlich noch sinken.

Onyx Boox Palma
Produktgruppe E-Book-Reader, 08.07.2024
  • Darstellung
    ++
  • Bedienung
    ++
  • Verarbeitung
    ++
  • sehr kompakter E-Book-Reader
  • gute Verarbeitung
  • sehr gute Textdarstellung
  • viele sinnvolle Funktionen und Einstellungsmöglichkeiten
  • helle Beleuchtung
  • offenes Android-OS
  • Unterstützung des Play Store von Google
  • Viele Optimierungen für E-Ink in Bezug auf externe Applikationen
  • Mit Android 11 zu altes OS
ComputerBase-Empfehlung für Onyx Boox Palma

ComputerBase wurde der Boox Palma leihweise von Onyx für diesen Test zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme des Herstellers fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.

(*) Bei den mit Sternchen markierten Links handelt es sich um Affiliate-Links. Im Fall einer Bestellung über einen solchen Link wird ComputerBase am Verkaufserlös beteiligt, ohne dass der Preis für den Kunden steigt.

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