Ex-Aufsichtsrat kritisiert: Intel hat zu viele Leute und unnütze Management-Positionen

Volker Rißka
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Ex-Aufsichtsrat kritisiert: Intel hat zu viele Leute und unnütze Management-Positionen
Bild: PRNewswire

Ein vor einer Woche überraschend aus Intels Aufsichtsrat ausgetretenes Mitglied lässt tief blicken: Es hake an vielen Ecken, allen voran der Personalüberhang sei dramatisch, heißt es. Schon vor einem Jahr hätte der Konzern mehr als doppelt so viele Mitarbeiter gehen lassen müssen als nun geplant, lautet ein Vorwurf.

Trennung nach Meinungsverschiedenheiten

Das aufgeblähte Personal ist nur eines der angesprochenen Themen von Lip-Bu Tan, der am 19. August das board of directors von Intel über seinen Abschied informierte, der nur drei Tage später am 22. August vollzogen wurde. Laut einem Bericht von Reuters soll es dabei durchaus heiß hergegangen sein. Tan und Intel-CEO Gelsinger waren letztlich nicht auf einer Linie, Tan forderte vor dem Hintergrund der aktuellen Schieflage mehr.

Lip-Bu Tan ist in der Industrie kein Unbekannter. Als ehemaliger CEO von Cadence kennt er die Branche sehr gut und kam deshalb vor zwei Jahren zu Intel, um mitzuhelfen „aufzuräumen“. Die Schritte, die er als notwendig ansah, stießen dem Vernehmen nach jedoch auf so viel Widerstand, dass er nun wieder seinen Hut nahm.

Viel zu viele behäbige, risikoscheue Manager

Laut Tan ist Intel dermaßen aufgebläht, dass man sich selbst im Weg stehe. In einigen Projekten arbeiten fünf Mal mehr Leute als es bei der Konkurrenz der Fall sei – mit am Ende doch gleichem Ergebnis. Mittlere Management-Positionen gebe es viel zu viele, doch sie tragen wenig bis gar nicht zu Intels Anstrengungen im Kerngeschäft bei.

So heißt es weiter, dass die nun anvisierte Streichung von bis zu 20.000 Stellen locker verdoppelt werden müsste, um einen Unterschied zu machen.

Über 125.000 Angestellte beschäftigt Intel derzeit, 20.000 davon sind erst in den letzten drei Jahren dazu gekommen. Das sind mehr als Nvidia und TSMC zusammen, die beide nichtsdestoweniger deutlich profitabler agieren.

Mit all den Managern gehe Intel fast jedem Risiko aus dem Weg und sei ein bürokratisches Monster geworden, die neue Entwicklungen im PC- und Serverbereich schon fast aktiv verhindern würden, so Tan weiter. Viele seien schlichtweg träge, behäbig und gehen den Weg des geringsten Widerstands. Intel heute sei weit weg vom Motto „Only the Paranoid Survive“ des Intel-Mitbegründers und langjährigen Chefs Andy Grove.

Diese Entwicklung ist aber nicht neu. Schon vor über einem Jahrzehnt hatte Intel das Smartphone-Geschäft ziehen lassen, nun laufe der Konzern Gefahr, den AI-Zug ebenfalls zu verpassen. Im Jahr 2018 hatte Intel die Chance, für rückblickend „Taschengeld“ 30 Prozent an OpenAI zu kaufen – 1 Milliarde US-Dollar für 15 Prozent wurden zum Einstieg verlangt. Heute ist OpenAI mehr als 80 Milliarden wert, bald so viel wie Intel.

Offiziell sind all diese Aussagen natürlich nicht. Angesichts der Erkenntnisse der letzten Jahre dürfte vieles davon aber durchaus der Wahrheit entsprechen. In Intels Board of Directors wird das Ungleichgewicht nun jedoch wieder größer. Die Mehrheit der Mitglieder stammt aus dem Bereich Finanzen und Wirtschaft, Mitglieder mit technischem Hintergrund neben Gelsinger sind die absolute Ausnahme.