Früheres Twitter: Plattform X in Brasilien vorläufig gesperrt

Dennis Krause
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Früheres Twitter: Plattform X in Brasilien vorläufig gesperrt

Wegen ausstehender Geldbußen und der Weigerung, einen neuen Rechtsvertreter zu ernennen, hat das oberste brasilianische Gericht die Plattform X vorläufig im ganzen Land über Nacht sperren lassen. Der Konflikt entbrannte, nachdem X bei Desinformation und Rechtsextremismus nicht mit dem brasilianischen Staat kooperiert hatte.

VPN erlaubt und notwendig

Eine potenzielle Strafe für die Umgehung der Sperre per VPN hat das oberste Gericht mittlerweile zurückgenommen. Brasilianer könnten X damit weiter per VPN nutzen. Auch die Entfernung von X aus dem Play und App Store wurde aufgehoben, schreibt das ZDF. Dennoch hat die Telekommunikationsbehörde Anatel den Zugriff auf X vorerst blockieren lassen, ein VPN wird so zur Pflicht.

Musk will gegen Richter vorgehen

In einer ersten knappen Reaktion stellt sich X gegen das Urteil und spricht von „power to the people“.

Weniger gemäßigt gibt sich Elon Musk, der Inhaber der Plattform, auf seinem eigenen Profil: In einer Reihe von Beiträgen spricht er davon, die „Verbrechen“ (X) des zuständigen Richters schon bald zu veröffentlichen. Musk bezeichnet ihn weiter als „Diktator“ und „Betrüger“. Der Konflikt droht dementsprechend eher noch zu eskalieren, als dass Musk mit dem brasilianischen Staat kooperiert.

X in Brasilien – wie kam es zur Sperre?

Um diese Zuspitzungen von Musk Seite zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die letzten Monate: Wie auch viele andere Länder hat das brasilianische Parlament Gesetze gegen Hassrede erlassen, das soziale Netzwerke dazu bewegen soll, etwa beim Kampf gegen Fake News mitzuarbeiten.

Keine Kooperation gegen Hassrede

X hat sich mit der Verbreitung von Falschinformationen und Putschaufrufen gegen den amtierenden Präsidenten vor einigen Monaten ins Fadenkreuz befördert. Der zuständige Richter Alexandre de Moraes forderte X auf, Konten zu sperren und Daten mit den Behörden auszutauschen, auch um die Identitäten von Bewohnern herauszufinden, die Anfang 2023 an einem Putschversuch beteiligt waren. Doch X verweigerte dies, woraufhin der Rechtsstreit entbrannte, aus dem die Plattform Mitte des Monats auch alle Mitarbeiter abgezogen und das Büro in São Paulo geschlossen hat.

... und im Gerichtsverfahren

Richter de Moraes hatte deshalb kürzlich verfügt, dass X (erneut) einen zuständigen Rechtsvertreter ernennt, um die Verhandlungen fortführen zu können und die ausstehenden Strafzahlungen in Höhe von knapp drei Millionen Euro (Spiegel) ausgleicht. Eine Frist von 24 Stunden hat X nun verstreichen lassen und de Moraes hat die Sperrung angeordnet.

Während X durch die Entscheidung potenziell Millionen von Nutzern verlieren könnte, so wird Musks Zorn wohl nicht nur auf der X-Sperre fußen, denn auch sein Satelliten-Unternehmen Starlink ist indirekt betroffen, wie die NZZ schreibt.

Mit Starlink bringt Musk Internet in abgelegene Regionen, die nicht über Internetkabel verfügen. Der Dienst ist in dem südamerikanischen Land sehr populär und vernetzt auch Krankenhäuser. Bei diesem Unternehmen hat Richter de Moraes bereits am Donnerstag die Bankkonten einfrieren lassen. Jedwedes Geld, dass Starlink in Brasilien besitzt, soll so zur Zahlung der ausstehenden X-Strafen verwendet werden können. Für Musk sind damit schon zwei Unternehmen in Brasilien durch die Entscheidungen des Richters tangiert.

X auch in der EU in Bedrängnis

Auch innerhalb der Europäischen Union hat sich X bereits Ärger eingehandelt. So hat die EU-Kommission bereits im Juli 2024 ein Verstoß gegen das EU-Gesetz über digitale Dienste festgestellt (Digital Services Act; DSA). Es ist das erste Verfahren im Rahmen des noch recht jungen Gesetzes, welches illegale Inhalte schneller aus dem Netz verschwinden lassen soll. Das Schwestergesetz für digitale Märkte und damit gegen Monopolbildung und für freieren Wettbewerb ist das Gesetz über digitale Märkte – also der Digital Markets Act (DMA).

Mehr zu dem Strafverfahren

Das Misstrauen der EU gegenüber X, die lokalen Gesetze gegen Hassrede und illegale Inhalte einzuhalten, ging zuletzt sogar so weit, dass der EU-Kommissar Thierry Breton Musk Mitte August daran erinnerte (Spiegel), die Gesetze gelten auch für ihn persönlich, nachdem der Milliardär auf X rechtsextreme Ansichten verbreitet hatte.

Auch hier folgte die Antwort prompt: Musk kommentierte den Brief mit einem Meme, das den EU-Kommissar aufforderte, einen Schritt zurückzutreten und sein „eigenes Gesicht zu ficken“.