Verwaltungsgericht Köln: Regeln für 5G-Versteigerung 2019 waren rechtswidrig

Nicolas La Rocco
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Verwaltungsgericht Köln: Regeln für 5G-Versteigerung 2019 waren rechtswidrig

Die Regeln für die im Jahr 2019 durchgeführte Versteigerung der 5G-Frequenzen waren rechtswidrig, wie das Verwaltungsgericht Köln gestern geurteilt und heute bekannt gegeben hat. Recht gegeben wurde damit den Anbietern Freenet und EWE Tel. Deren bestätigter Vorwurf: Die Bundesnetzagentur ließ sich durch das BMVI beeinflussen.

In Deutschland begann am 19. März 2019 am Standort der Bundesnetzagentur in Mainz die Versteigerung der 5G-Mobilfunkfrequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,4 GHz bis 3,7 GHz. An der Auktion teil nahmen die Drillisch Netz AG (1&1 AG), Telefónica Deutschland (O2), Telekom Deutschland und Vodafone. In Summe spülten die Höchstgebote der Netzbetreiber rund 6,6 Milliarden Euro in die Staatskasse.

Vergabe- und Auktionsregeln waren rechtswidrig

Die damaligen Vergabe- und Auktionsregeln waren allerdings rechtswidrig, wie das Verwaltungsgericht Köln gestern geurteilt hat. Konkret bezieht sich das Urteil auf die Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 26. November 2018 über die Vergabe- und Auktionsregeln. Diese umfasst unter anderem die Frequenznutzungsbestimmungen für die späteren Zuteilungsinhaber, also die Netzbetreiber. Dazu gehören auch konkrete Versorgungsverpflichtungen für Haushalte und Verkehrswege sowie eine Diensteanbieterregelung, die die späteren Zuteilungsinhaber verpflichtet, mit Diensteanbietern ohne eigene Netzinfrastruktur über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu verhandeln.

Klage für Diensteanbieterverpflichtung zunächst abgewiesen

Dieses Gebot zur Verhandlung hielten die klagenden Anbieter jedoch für unzureichend, weshalb schon vor der 5G-Versteigerung in einem Verfahren vor der Präsidentenkammer eine Diensteanbieterverpflichtung beantragt und im Dezember 2018 mit Klagen weiter verfolgt wurde. Begründet wurden die Klagen mit schwerwiegenden Verfahrens- und Abwägungsfehlern der Präsidentenkammerentscheidung. Das Verfahren sei insbesondere durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter Leitung des damaligen Bundesministers Andreas Scheuer (CSU) in rechtswidriger Weise beeinflusst worden. Dies ergebe sich aus den Verwaltungsvorgängen des BMVI, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Bundeskanzleramts. Vor dem Verwaltungsgericht Berlin mussten sich die Kläger zunächst auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Einblick in die Verwaltungsvorgänge verschaffen.

Die ursprüngliche Klage der Anbieter wurde am 3. Juli 2019 zunächst als unzulässig abgewiesen, das Bundesverwaltungsgericht hob diese Entscheidung am 21. Oktober 2021 jedoch teilweise wieder auf und verwies sie an das Verwaltungsgericht Köln zurück. Aufgeklärt werden sollte, ob mit Blick auf die Präsidentenkammer eine Besorgnis der Befangenheit bestanden habe, ob es zu einem Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als nationale Regulierungsbehörde gekommen sei und ob die Abwägung der Präsidentenkammer unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Vorfestlegung fehlerhaft gewesen sei. Es bestünden laut Bundesverwaltungsgericht nämlich Anhaltspunkte dafür, dass das BMVI in erheblichem Umfang versucht habe, insbesondere auf die Festlegung der Versorgungsverpflichtungen Einfluss zu nehmen. Hierzu bedürfe es weiterer Sachverhaltsaufklärung. Insbesondere sei aufzuklären, wie die Präsidentenkammer auf den politischen Druck reagiert habe.

BMVI und Präsidentenkammer kritisiert

In dem aktuellen Urteil kritisiert das VG Köln sowohl den Einfluss des BMVI als auch die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur. Aufgehoben ist damit die Präsidentenkammerentscheidung vom 26. November 2018, die Anträge der Kläger auf Aufnahme einer Diensteanbieterverpflichtung sei zudem neu zu bescheiden.

Erläutert wird das Urteil mit der konkreten Verfahrensgestaltung der Bundesnetzagentur, die Besorgnis der Befangenheit gegenüber allen Mitgliedern der Präsidentenkammer begründe. Seinerzeit waren der ehemalige Präsident der Bundesnetzagentur Homann, die ehemaligen Vizepräsidenten Dr. Eschweiler und Franke sowie der damalige Leiter der Fachabteilung Dr. Hahn Mitglieder der Präsidentenkammer. Für die Besorgnis sei nicht erforderlich, dass die Mitglieder tatsächlich befangen waren, allein der „böse Schein“ reiche bereits aus. „Dieser kann sich auch daraus ergeben, dass sich die Verfahrensgestaltung des Amtswalters so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernt, dass für den davon betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung entsteht“, erklärt das Verwaltungsgericht Köln.

Das Gericht ist überzeugt, dass die Präsidentenkammer dem massiven Druck von Seiten des BMVI zumindest teilweise nachgegeben hat. Das BMVI versuchte während des gesamten Vergabeverfahrens im Jahr 2018 in erheblicher Weise, auf die Entscheidungen der Präsidentenkammer Einfluss zu nehmen, indem es sich für strengere Versorgungsverpflichtungen einsetzte – aber eben nicht für eine Diensteanbieterverpflichtung. Eine Rolle bei dem Urteil spielt auch der am 12. Juni 2018 allein vom BMVI initiierte und vorbereitete Mobilfunkgipfel, an dem Mitglieder der Präsidentenkammer und Netzbetreiber teilnahmen. Die Einflussnahme des BMVI auf das Verfahren zeige sich in der Gesamtschau verschiedener Reaktionen der Präsidentenkammer, etwa zu Beginn des Verfahrens im Zurückziehen erster Erwägungen, oder in der terminlichen Gestaltung des Verfahrens wie der aus Rücksicht auf das BMVI erfolgten Verlegung der mündlichen Anhörung auf den Tag nach dem Mobilfunkgipfel.

Treffen mit der Bundesregierung

Darüber hinaus trafen sich nach der Veröffentlichung des Konsultationsentwurfs im September 2018 mehrfach Mitglieder der Präsidentenkammer mit den damaligen Bundesministern Scheuer und Altmaier sowie mit dem damaligen Chef des Bundeskanzleramts Prof. Dr. Braun. Bei diesen Treffen sei die Präsidentenkammer nachdrücklich zu Änderungen des Entwurfs aufgefordert worden, unter anderem sei ein „Fünf-Punkte-Plan“ zur Sicherstellung der im Koalitionsvertrag der Großen Koalition enthaltenen Ziele im Bereich Mobilfunk übergeben worden. Die mangelnde Transparenz ließ für die am Vergabeverfahren beteiligten Kreise den Eindruck eines politischen und damit für die Frequenzversteigerung sachwidrigen „Nebenverfahrens“ entstehen, urteilt das Verwaltungsgericht.

Ministerielle Einflussnahmeversuche nicht unterbunden

Das Gericht zeigt sich überzeugt davon, dass es im Vergabeverfahren zu einem Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als nationale Regulierungsbehörde gekommen ist. Dies folge allerdings nicht schon daraus, dass das BMVI die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur nicht respektierte, sondern der Verstoß ergebe sich daraus, dass die Bundesnetzagentur ihre Unabhängigkeit nicht ausreichend aktiv geschützt habe, indem sie die ministeriellen Einflussnahmeversuche weder auf Ebene der Ministertreffen noch auf Facharbeitsebene unterbunden hat.

Nach alledem leidet die Präsidentenkammerentscheidung auch an einem materiellen Fehler im Abwägungsvorgang. Da die Forderungen des BMVI teilweise Eingang in die Vergaberegeln gefunden haben, kann die Annahme einer faktischen Vorfestlegung nicht ausgeschlossen werden. Es liegt vielmehr nahe, dass die Präsidentenkammer ihre Entscheidung ohne die massive Einflussnahme durch das BMVI im Einzelnen anders ausgestaltet hätte.

Verwaltungsgericht Köln

Verlorene Jahre nicht rückgängig zu machen

Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu, über die – sofern das Verwaltungsgericht Köln der Beschwerde nicht abhelfen würde – das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden würde. Gegenüber dem Spiegel erklärte die Bundesnetzagentur, dass durch das Urteil keine negativen Auswirkungen auf den weiteren zügigen Ausbau der Mobilfunknetze in Deutschland zu erwarten seien. Freenet wiederum sagte, dass nach fast sechs Jahren endlich Klarheit herrsche, jedoch die Aufhebung der 5G-Vergabeentscheidung die für den Wettbewerb verlorenen Jahre nicht wieder rückgängig machen könne.

Reaktionen aus der Telekommunikationsbranche

Aus der Telekommunikationsbranche kamen mehrere Reaktionen. Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) erklärte: „Das Verwaltungsgericht Köln hat in seinem gestrigen Urteil zur 5G-Mobilfunkvergabe im Jahr 2018 in seltener Schärfe das Vorgehen von Bundesnetzagentur und Bundesregierung kritisiert.“ Geschäftsführer Dr. Frederic Ufer sagte: „Das Gericht hat mit seiner gestrigen Urteilsbegründung vor allem die Politik klar in die Schranken gewiesen.“ Sechs Jahre nach der 5G-Mobilfunkvergabe drohe nun, dass das Kapitel der Wettbewerbsregulierung neu aufbereitet werden müsse. Rechtssicherheit für alle Beteiligten sehe anders aus.

Vom Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) hieß es über den Geschäftsführer Dr. Stephan Albers: „Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesnetzagentur! Offenbar war die damalige Leitung dieser wichtigen Regulierungsbehörde befangen, voreingenommen gegenüber wettbewerbsfördernden Maßnahmen und alles andere als unabhängig von politischer Einflussnahme. Die Entscheidung, den Mobilfunknetzbetreibern 2019 statt einer Diensteanbieterverpflichtung nur ein unwirksames Verhandlungsgebot aufzuerlegen, fiel also nicht aus sachlichen Gründen, sondern um Telekom, Vodafone und Telefónica vor unliebsamem Wettbewerb zu schützen.