Sicherheitspaket nach Solingen: Bundesregierung will Stimmen für biometrische Überwachung nutzen
Infolge des islamistischen Terroranschlags von Solingen mit drei Todesopfern hat sich die Bundesregierung gestern auf ein Sicherheitspaket verständigt. Die bereits diskutierten Überwachungspläne werden damit noch verschärft, berichtet Heise Online.
Dass Sicherheitsbehörden künftig biometrische Gesichtserkennung nutzen sollen, um Tatverdächtige leichter identifizieren zu können, wurde bereits Ende August mitgeteilt. Dort ging es zunächst um einen Abgleich mit Bild- und Videomaterial, das allgemein und öffentlich im Internet zugänglich ist. Die Regelungen sollen im Einklang mit dem AI Act und den Datenschutzgesetzen stehen.
Biometrische Überwachung auch bei Tonaufnahmen
Nun folgen weitere Maßnahmen. Begrenzt ist der biometrische Datenabgleich nicht mehr nur auf Gesichter in Bildern und Videos, sondern er wird um eine Stimmerkennung erweitert. Zu diesem Zweck sollen Sicherheitsbehörden ebenfalls Videos und zusätzlich Tonaufnahmen auswerten können. Heise Online beruft sich dabei auf Formulierungshilfen für das neue Sicherheitspaket, die die Bundesregierung den Ampel-Fraktionen SPD, Gründe und FPD zugeleitet hat.
Den Dokumenten zufolge sollen Sicherheitsbehörden biometrische Überwachung nicht nur bei der Strafverfolgung, sondern auch bei der Gefahrenabwehr nutzen. Technisch will man die Daten zu Gesichtern und Stimmen automatisiert mit Informationen aus Quellen wie sozialen Netzwerken abgleichen. Lichtbilder eines Verdächtigen sollen dann die Grundlagen sein, um diese Personen etwa in Propagandavideos des Islamischen Staats (IS) zu identifizieren.
Wie Heise Online analysiert, sind die entsprechenden Paragrafen im Gesetzentwurf aber weitreichender. Denn dieser nutzt Paragraf 100a der Strafprozessordnung (StPO) als Grundlage, der neben Terrorismus noch weitere Tatbestände wie Mord und Totschlag, Steuerdelikte, Computerbetrug und Hehlerei umfasst. Es gibt aber Einschränkungen. Voraussetzungen für den Einsatz sollen etwa sein, dass eine Tat auch „im Einzelfall schwer wiegt“ und Ermittlungen mit alternativen Verfahren erschwert oder aussichtslos wären.
Was indes nicht geplant ist, ist ein Abgleich mit Echtzeit-Daten. Eine biometrische Live-Überwachung soll also nicht stattfinden.
Bürgerrechtlicher kritisieren den Vorstoß
Bis dato war die Rechtslage bei der automatisierten Gesichtserkennung umstritten. Vertreter der Sicherheitsbehörden fordern seit geraumer Zeit biometrische Überwachungsbefugnisse, Bürgerrechtler kritisieren die Vorstöße und zweifeln an der Wirksamkeit solcher Maßnahmen. Das gilt auch für das neue Sicherheitspaket.
Bereits bei der Vorstellung am 30. August sprach der der Chaos Computer Club (CCC) von einem „biometrischen Überwachungsexzess“. Das Erfassen „von Gesichtsbildern aus dem Internet ist ein Angriff auf die Privatsphäre aller“, die „ohne klare Notwendigkeit oder Nutzen“ erfolge, heißt es in der Mitteilung. Verwiesen wird zudem auf die Fehleranfälligkeit der entsprechenden Systeme.