Linux Jahresrückblick 2024: Die Windows-Alternative findet immer mehr Anhänger

Marek Lindlein
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Linux Jahresrückblick 2024: Die Windows-Alternative findet immer mehr Anhänger

Lange fristete Linux im privaten Umfeld ein Nischendasein. Doch seit dem Steam Deck erfährt das Betriebssystem auf dem Desktop einen spürbaren Aufwind, tausenden funktionierenden Windows-Spielen sei Dank. Und mit dem Aus für Windows 10 in diesem Jahr könnten noch mehr Nutzer hellhörig werden. Ein Jahresrückblick mit Ausblick.

Wesentliche Entwicklungen des Jahres 2024

Das Jahr 2024 hat für Linux beziehungsweise private Nutzer des Betriebssystems eine ganze Reihe wesentlicher Neuerungen und Änderungen gebracht.

Valve und Arch Linux kooperieren

Erfreulich war das Jahr 2024 für Arch Linux und dessen Derivate, denn Valve und das Entwicklerteam hinter Arch Linux haben eine Kooperation angekündigt. Dabei soll die Erstellung von Paketen und deren Signierung auf vertrauenswürdiger Hardware erfolgen und nicht mehr auf individuellen Systemen und den Schlüsseln der Entwickler. Dadurch wird ein schnellerer und vor allem auch sicherer Updateprozess erwartet. Das ganze kommt auch Valve zugute, denn auch dessen SteamOS setzt auf Arch Linux als Basis.

Steam Deck mit Arch Linux Logo
Steam Deck mit Arch Linux Logo (Bild: Fotomontage)

SteamOS für Alle

Stichwort SteamOS: Ohne große Ankündigung hat Valve durch die Veröffentlichung der Markenrichtlinien für Steam die Möglichkeit, das Linux-Derivat SteamOS auf Hardware von Drittanbietern nutzen zu dürfen, in Aussicht gestellt und dazu auch ein entsprechendes Logo präsentiert.

Kurz darauf verdichteten sich auch die Zeichen für bevorstehende Ankündigungen von entsprechenden Partnern. Zur CES 2025 in der kommenden Woche hat Lenovo im Rahmen einer Präsentation auch Mitarbeiter von AMD und Valve geladen, darunter den SteamOS- und Steam-Deck-Co-Designer Pierre-Loup Griffais. SteamOS abseits des Steam Decks? In weniger als einer Woche dürfte das Realität sein.

Lenovo Legion Go S mit SteamOS und Steam-Button
Lenovo Legion Go S mit SteamOS und Steam-Button (Bild: Evan Blass (X))

Rückschritte beim Anti-Cheat

Während tausende Titel (siehe ProtonDB) mittlerweile unter Linux laufen und insbesondere ältere Titel sogar besser als unter Windows, für das sie ursprünglich erschienen sind, stehen Spieler unter Linux weiterhin vor einem großen Problem: Anti-Cheat.

Der Grund: Obwohl die großen Anti-Cheat-Hersteller einen Linux-Kompatibilitätsmodus eingeführt haben und es mitunter nur einen Klick seitens der Entwickler benötigt diesen freizugeben, führen vor allem größere Entwicklerstudios diesen Schritt nicht aus oder nehmen Spielen die Möglichkeit auf Linux zu laufen durch Einführung neuer Anti-Cheat Maßnahmen.

So hat es dieses Jahr das beliebte GTA Online getroffen, das bis dato problemlos unter Linux und sogar performant auf dem Steam Deck lief. Doch Rockstar ist in dem Punkt nicht allein.

Durch die Einführung weiterer Kernel-basierter und damit tief ins System eingreifender Anti-Cheat-Lösungen wurden auch weitere Spiele nicht mehr Linux-fähig. Anfang des Jahres traf es bereits League of Legends, das davor jahrelang und sogar noch vor den Zeiten des Steam Deck unter Linux lief. Auch stellt EA immer mehr seiner Spiele auf das hauseigene Anti-Cheat um und strich dabei mehrere Battlefield-Teile von der Linux-Liste.

Battlefield 1 im Test
Battlefield 1 im Test

Sicherheitslücken in Linux

Aber das Jahr 2024 hatte nicht nur positive Nachrichten für Linux im Gepäck. Auch zwei größere Sicherheitslücken suchten die Linux-Welt heim. Zu Beginn des Jahres versuchten Angreifer durch jahrelange Vorarbeit die Kompressionssoftware xz zu kompromittieren, welche wiederum von weiteren kritischen Programmen wie systemd genutzt wird.

Später im Jahr folgte regreSSHion, das es nicht authentifizierten Angreifern ermöglichte über OpenSSH Root-Zugriff zu erlangen. Ursprünglich war die Lücke bereits 2006 beseitigt, jedoch 2020 unabsichtlich wieder geöffnet worden. 14 Millionen Systeme waren zu dem Zeitpunkt potentiell durch regreSSHion gefährdet.

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Q-regreSSHion-1200x628-1-1070x560 (Bild: Qualys)

QR-Codes im „Bluescreen“

Systemabstürze sind leidlich, umso besser, wenn sie zumindest zur Fehlersuche beitragen können. Der bereits von Windows bekannte Bluescreen-of-Death lieferte durch Fehlerbeschreibung und QR-Code bereits Orientierungshilfe worin der Fehler liegen könnte. Linux-Nutzer mussten hingegen Log-Dateien durchforsten, was insbesondere unerfahrenen Nutzern Hürden auferlegte. Doch durch die Einführung von QR-Codes im Falle eines Kernel-Panic soll nun auch unter Linux eine schnellere Diagnose erfolgen können und Nutzer bei der Fehlersuche leiten.

Ein Fernseher welcher QR-Code darstellt.
Ein Fernseher welcher QR-Code darstellt. (Bild: Fotomontage: TV von Andreas Merchel mit eingefügtem QR-Code)

Linux-Gaming auf Apples M1

Schon seit dem Erscheinen von Apples erstem Notebook mit M1-SoC arbeitet die Linux-Community daran, das freie Betriebssystem auf Apples eigentlich geschlossenes Ökosystem zu bringen. Doch es ist nicht nur einfache Desktop-Nutzung angedacht. Das Abrufen vorhandener Hardware-Ressourcen, zum Beispiel für Videospiele, soll möglich werden.

So wurde innerhalb nur eines Monats die Low-Level-Programmierschnittstelle Vulkan auf den M1 portiert und dank Übersetzungs-Layern wie Proton und x86-Emulation auf ARM sind Windows-Spiele unter Linux auf einem Apple-Gerät möglich geworden, darunter zum Beispiel auch Portal 2 und Control. Doch die Entwicklung befindet sich derzeit noch in einem frühen Stadium.

Neues Gehäuse aus Aluminium in Space Grau beim Testgerät
Neues Gehäuse aus Aluminium in Space Grau beim Testgerät

Neue Treiber bringen AMD-Grafikkarten abseits von x86

Ein PCIe-Anschluss genügt nicht um eine Grafikkarte zu nutzen, auch sind entsprechende Treiber nötig. Aber nicht nur das, diese müssen auch die Architektur der verwendeten CPU unterstützen, was auf dem Desktop in der Regel x86 ist.

Während bereits Ende 2022 erste Schritte unternommen wurden, um Radeon-Grafikkarten auf einem ARM-System unter Linux zum Laufen zu bringen, gab es 2024 zahlreiche weitere Fortschritte, welche es ermöglichen AMD-Grafikkarten auf RISC-V und sogar MIPS-Systemen wie Loongson auszuführen.

Morefine Mini-PC: Vorderseite
Morefine Mini-PC: Vorderseite

Nvidia öffnet seine Treiber (ein bisschen)

Während AMD bereits seit mehreren Jahren ihren Treiber als Open-Source-Fassung im Linux Kernel implementiert hat, war der geneigte Nvidia-Nutzer weiterhin auf Treiber direkt vom Entwickler angewiesen. Nvidia hatte dabei der Entwicklung eines freien Treibers den Riegel vorgeschoben. Doch die Zeiten ändern sich und Nvidia öffnete sich im Jahr 2024 zumindest teilweise und veröffentlichte eine Open-Source-Version des Treibers, der auch zum Standard ab der Turing-Generation der Grafikkarten wird. Im Wesentlichen lagert Nvidia Treiberaufgaben auf den in der GPU enthaltenen GPU System Processor (GSP) aus.

GeForce RTX 2080 Ti Founders Edition
GeForce RTX 2080 Ti Founders Edition (Bild: Nvidia)

Wayland wird immer mehr zum Standard

Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Öffnung Nvidias hat die Entwicklung freier Standards wieder Fahrt aufgenommen. So setzen immer mehr Desktop-Umgebungen unter Linux standardmäßig auf das neue Wayland und andere bereiten dessen Nutzung zumindest vor. So erschien 2024 mit KDE Plasma 6 die nächste große Überarbeitung des Plasma Desktops, welcher fortan standardmäßig Wayland als Protokoll nutzt.

GIF Verbesserung der Touchpad-Gesten und Desktop-Übersicht (Bild: kde.org)

Linux-Marktanteile auf dem Desktop und bei Steam

Auch wenn Linux auf dem Desktop noch ein Nischendasein fristet, zeigen Statistiken dennoch eine weiter zunehmende Verbreitung des Betriebssystems. So ist Linux vor allem in Schwellenländern beliebt, gewinnt aber auch hierzulande immer mehr Anhänger. Insbesondere das anstehende Support-Ende von Windows 10 im Oktober 2025, aber auch die zunehmenden Möglichkeiten Linux als Gaming-OS zu nutzen, lassen die Marktanteile steigen.

So erreicht Linux auf dem Desktop weltweit etwa vier Prozent der Nutzer und bei reinem Gaming, konkreter der Plattform Steam, mittlerweile zwei Prozent. Etwa ein Viertel der Linux-Spieler auf Steam greifen hierbei auf ein Steam Deck zurück – Dreiviertel demzufolge nicht.

Weltweite Betriebssystemverbreitung auf dem Desktop
Weltweite Betriebssystemverbreitung auf dem Desktop (Bild: gs.statcounter.com)

Ein Ausblick auf das Jahr 2025

Vieles hat sich getan in 2024 und vieles wird sich noch tun im kommenden Jahr. Wird 2025 das Jahr des Linux? Vermutlich nicht. Wird das Betriebssystem mehr Zulauf und Unterstützung erhalten? Sicherlich. Denn nicht nur, dass mit Valve und den Kooperationspartnern große Unternehmen dahinter stehen und Linux-Gaming in die Spieler-Hände bringen, auch vergrößert sich die Nutzerbasis, wodurch das freie Betriebssystem wiederum interessanter für Software-Entwickler wird.

Mit dem Ende von Windows 10 im Oktober könnten vor allem auch ältere Rechner mit Linux einen neuen Lebenszyklus einleiten, die bei Windows 11 außen vor sind.

Die Hürden zum Einstieg in die Linux-Welt werden jedenfalls mit jedem Jahr geringer und ein spielbereites Linux ist mittlerweile innerhalb von fünf Minuten auch von unerfahrenen Nutzern eingerichtet:

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