C:\B_retro\Ausgabe_23\: Der Commodore Web.it mit Windows 3.1 und AMD Elan
tl;dr: Hinter der Bezeichnung Web.it vermuten nur die wenigsten einen internetfähigen PC von Commodore mit Windows 3.1 und einem seltenem AMD-Prozessor vom Typ Elan. Das kompakte PC-System hatte neben Trackpad, Maustasten und Tastatur außerdem einen Stift mit an Bord und besaß einen integrierten C64-Emulator.
Jeden Sonntag wirft C:\B_retro\ einen unterhaltsamen Blick zurück auf drei Jahrzehnte voller bewegter Geschichten und die Entwicklung der Computerszene: Was geschah in den letzten 30 Jahren zwischen 1980 und 2010 in der Informationstechnik? Geschichten von Mythen, Meilensteinen und Meisterwerken: C:\B_retro\.
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Commodore Web.it
Das legendäre Unternehmen Commodore und deren nicht minder legendärer Heimcomputer Commodore 64 (C:\B_retro\3\) sind nicht nur Retro-Fans ein Begriff, sondern haben die IT-Landschaft der 1980er und den Umgang mit Informationstechnik im Allgemeinen revolutioniert. Doch wer erinnert sich noch an den Commodore Web.it?
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C:\B_retro\...\Geschichte\
Im Jahre 1998 sollte sich eine große Überraschung für alle verbliebenen C64-Fans ankündigen, denn das belgische Unternehmen Web Computer aus Antwerpen ließ sich eigens für ihr neues Produkt, den Web.it Internet Computer, die prestigeträchtigen Bezeichnungen Commodore 64 und C64 lizenzieren.
Auf einer Hardwarebasis von AMD sollte ein einfach und intuitiv zu bedienender PC speziell für die Nutzung des Internets entstehen, der sowohl mit einem vorinstallierten PC DOS 7 als auch einem Windows 3.1 daherkommen sollte, was zu den Zeiten von Windows 95 (C:\B_retro\13\) und Windows 98 schon ein wenig merkwürdig anmutete.
Um Computersysteme unter dem Markennamen Commodore anbieten zu können, erwarben die Belgier von Web Computers International die Markenrechte von Tulip Computers, die die Rechte seinerseits 1997 vom deutschen Unternehmen ESCOM (vormals Schmitt Computersysteme GmbH) erworben hatte.
Der Commodore 64 Web.it sollte ein kompakter All-in-One-Computer mit einem leistungsstarken AMD-Prozessor, Maus, Tastatur und Touchpad sowie Stifteingabe werden und speziell auf die Bedürfnisse von Internetanwendern zugeschnitten werden. Doch am Ende sollte alles ganz anders kommen.
C:\B_retro\...\Hardware\
Nachdem die Planspiele eine zumindest halbwegs moderne AMD-Plattform vorsahen, die den Anforderungen der Internetnutzung im Jahre 1998 gerecht werden sollte, entschieden sich die Macher des Commodore 64 Web.it schlussendlich doch für das Modell „Low Budget“.
Während AMD im Mai 1998 den im 250-nm-Prozess gefertigten K6-2 mit der gemeinsam mit Cyrix entwickelten Multimedia-Befehlserweiterung 3DNow! und 266 bis 350 MHz vorgestellt und als Gegenspieler für den Intel Pentium II (C:\B_retro\2\) auserkoren hatte, entschied sich Web Computer für einen AMD Elan als Basis für seinen Web.it Internet Computer.
Die unter der Bezeichnung AMD Elan C405 firmierende x86-CPU war ein Embedded-Prozessor, der technisch einem Am486DX2 entsprach und noch im 350-nm-Prozess bei Micron gefertigt wurde. Der Prozessor wurde für den Sockel BGA292 konzipiert und besaß neben einer Taktfrequenz von 66 MHz einen Front Side Bus (FSB) mit 33 MHz. Wie alle DX2-Prozessoren nutzte auch der AMD Elan C405 eine interne Taktverdoppelung und ist wie alle von AMD in Lizenz hergestellten Chips aus der i486-Prozessorfamilie (C:\B_retro\1\) eine Kopie des original i486DX2 aus dem Hause Intel.
Auch die restlichen Spezifikationen der Hardware des Commodore 64 Web.it waren bereits bei seiner Vorstellung 1998 nicht mehr zeitgemäß und für eine sinnvolle Nutzung des Internets schlicht und ergreifend nicht geeignet.
- AMD Elan C405 Embedded-Prozessor mit 66 MHz (Datenblatt)
- 16 MB Arbeitsspeicher (erweiterbar auf bis zu 32 MB)
- 16 MB ROM mit zwei vorinstallierten Betriebssystemen
- IGS Cyber Pro 2010 Grafikeinheit mit 640 × 480 Pixeln bei 16-Bit
- 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerk für Speichermedien mit 1,44 MB
- Touchpad mit zwei Maustasten sowie Tastatur
- 56K-Modem von Rockwell Semiconductor
- PCMCIA-Erweiterungsschacht
- Neupreis: 899 DM
Neben dem nicht beschreibbaren, 16 MB großen ROM besaß der Web.it ein 2 MB großes Flash-ROM, auf dem Daten abgelegt werden konnten und welches mit einem eigenem Laufwerksbuchstaben eingebunden wurde.
C:\B_retro\...\Software\
Der Commodore 64 Web.it besaß eine stark angepasste Variante der bereits im April 1992 veröffentlichten Benutzeroberfläche Windows 3.1, die anders als das Original nicht auf MS DOS 5.0, sondern auf dem IBM-Derivat PC DOS 7 basierte.
Neben den typischen Bestandteilen von Windows 3.1 wie dem Datei- und Programmmanager fehlte es dem Web.it jedoch auch an nutzbaren Programmen, denn die eigens für den Web.it konzipierte und stark reduzierte Benutzeroberfläche mit ihren großen Symbolen eignete sich lediglich dazu, den Browser zu starten um ins Internet zu gelangen. Als Browser kam der Netscape Navigator zum Einsatz und E-Mails wurden mit Netscape Mail verfasst und abgerufen. Für die tägliche Büroarbeit stand die Office-Suite Lotus Notes 1-2-3 zur Verfügung.
Um den Produktnamen des Commodore 64 Web.it zu rechtfertigen, wurde der C64-Emulator CCS64 des Entwicklers Per Håkan Sundell vorinstalliert, entsprechende Spiele, die per PCMCIA-Karte ihren Weg in den Web.it finden sollten, wurden aber nie angeboten.
Web Computer empfahl seinerzeit, die entsprechenden ROM-Abbilder von C64-Spielen aus dem Internet zu laden.
Das wenig durchdachte Konzept, die leistungsschwache Hardware sowie die beschnittene Software sorgten dafür, dass der Commodore 64 Web.it ein großer Misserfolg für den belgischen Hersteller Web Computer wurde und nur rund 18 Monate nach seiner Vorstellung wieder vom Markt verschwand. In Deutschland kostete der Web.it seinerzeit 899 DM.
Im Jahre 2005 wurden letzte Restposten aus der Insolvenzmasse von Web Computers International zu Sammlerpreisen von 400 bis 600 Euro über den auf C64- und Retro-Hardware spezialisierten CSW-Verlag verkauft, konnte aber auch oftmals für Preise unter 10 Euro auf dem Flohmarkt erstanden werden.
C:\B_retro\Review\
An dieser Stelle finden sich die bisherigen Themen der vorangegangenen Ausgaben von C:\B_retro\ in chronologischer Reihenfolge.
- C:\B_retro\Ausgabe_1\: Intel i486, Sound Blaster 1.0 und Cebit 1999
- C:\B_retro\Ausgabe_2\: Windows 1.0, Pentium II und GeForce 8800 GTX
- C:\B_retro\Ausgabe_3\: Commodore 64, 3dfx Voodoo Graphics und Voodoo²
- C:\B_retro\Ausgabe_4\: Die Amiga Story
- C:\B_retro\Ausgabe_5\: Der legendäre AMD Athlon (K7)
- C:\B_retro\Ausgabe_6\: Die legendären Mainboards von Abit
- C:\B_retro}Ausgabe_7\: Die Anfänge von World of Warcraft
- C:\B_retro\Ausgabe_8\: Historische Multi-GPU-Grafikkarten
- C:\B_retro\Ausgabe_9\: Legendäre GPUs v2.0
- C:\B_retro\Ausgabe_10\: Der legendäre Atari 2600
- C:\B_retro\Ausgabe_11\: Der Nintendo Game Boy
- C:\B_retro\Ausgabe_12\: Der erste Intel Pentium
- C:\B_retro\Ausgabe_13\: Microsoft Windows 95
- C:\B_retro\Ausgabe_14\: Microsoft Windows XP
- C:\B_retro\Ausgabe_15\: Der Super Nintendo
- C:\B_retro\Ausgabe_16\: Die Geschichte der Diskette als Datenträger
- C:\B_retro\Ausgabe_17\: Hardware für Half-Life und Half-Life 2
- C:\B_retro\Ausgabe_18\: Der Nintendo Virtual Boy
- C:\B_retro\Ausgabe_19\: Die Anfänge des modernen Internets (WWW)
- C:\B_retro\Ausgabe_20\: Das Sega Mega Drive
- C:\B_retro\Ausgabe_21\: Die Geschichte der Gehäuse
- C:\B_retro\Ausgabe_22\: Microsoft Windows Me
C:\B_retro\Feedback\
Die Redaktion freut sich über konstruktive Kritik, Lob, aber auch Vorschläge, um die Serie zukünftig noch stärker an den Wünschen der Leserschaft ausrichten zu können. Mit diesem Lesestoff im Gepäck wünscht die Redaktion einen erholsamen Sonntag unter dem Motto #wirbleibenzuhause.
C:\B_retro\Links\
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Community-Notes
Hinweise und Ergänzungen aus unserer Community
Offizielles Datenblatt der Elan-Serie von AMD
Das ComputerBase Community-Mitglied „Holzfällerhemd“ war so freundlich und hat das offizielle Datenblatt (PDF) zur Elan-Prozessorfamilie im Forum verlinkt. Die Redaktion sagt danke für diese nützliche Ergänzung des Artikels.
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