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Projekt „Timna“: Intels erste iGPU saß im Celeron, erschien aber nie

Andreas Merchel
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Projekt „Timna“: Intels erste iGPU saß im Celeron, erschien aber nie

Seit Core i 2000 „Sandy Bridge“ gibt es CPUs von Intel mit integrierter GPU. Doch schon 10 Jahre zuvor sollte eigentlich der Celeron „Timna“ diesen Schritt gehen. Aufgrund diverser Schwierigkeiten und enormer Verzögerungen wurde das Projekt im Jahr 2000 gestrichen – für lange Zeit. Trotzdem war Timna ein Vorreiter.

Die Ausgangslage: GPUs nur separat

Ende der 1990er-Jahre war die Welt der Computer noch eine andere: Es gab keinen integrierten Chipsatz, sondern das Gespann aus South- und Northbridge, die sich beide zusammen um die Kommunikation mit dem RAM sowie den ISA-, PCI- und AGP-Steckplätzen kümmerten. Dazu kamen die Grafikkarten und natürlich die CPU. Letztere war noch ziemlich einfach gestrickt, nicht nur, weil es lediglich 1-Kern-Prozessoren gab. Auch eine direkte RAM-Anbindung oder gar ein integrierter Grafikchip waren weder bei Intel noch bei AMD vorzufinden. Nur Cyrix hatte sich zu Pentium-1-Zeiten an etwas versucht, was heute einem SoC oder einer APU entsprechen würde: dem Cyrix MediaGX.

Die ersten Planspiele

Doch auch Intel bastelte früh an einem Prozessor, der die Möglichkeit, Grafik auszugeben, direkt mitbringen sollte. Eine eigene Grafikkarte hatten die Amerikaner mit der i740 (Lesertest) seit dem Jahr 1998 im Angebot und so machte sich das Design in Haifa vor der Jahrtausendwende auf, einen neuen Celeron Codename Timna (benannt nach einem Tal in Israel) mit iGPU zu entwickeln. Neben der iGPU sollte auch das Speicherinterface in den Prozessor wandern.

Als Grundlage des CPU-Teils musste der alte Katmai-Kern herhalten, der für die ersten Pentium III genutzt wurde, aber moderner als die aktuelle Celeron-Basis war (Stichwort Streaming SIMD Extensions (SSE)). In Haifa nutzten die Ingenieure nicht nur einen moderneren Herstellungsprozess, sondern auch andere Kniffe, um den Platzbedarf weiter zu minimieren.

Aufteilung des Timna Kernes (MI = Speicherinterface)
Aufteilung des Timna Kernes (MI = Speicherinterface)

Das Einsatzgebiet dieses Celeron war klar: günstige Bürorechner, die kaum Marge abwarfen und durch diesen Chip nochmals Herstellungskosten einsparen sollten. Immerhin sparte der OEM sich eine komplette Grafikkarte, egal ob für einen Steckplatz, onboard oder in der Northbridge versteckt. Denn das war zur Jahrtausendwende die einzige Alternative zu einer separaten Steckplatz-Grafikkarte: Chipsätze von Drittanbietern wie SiS oder VIA mit integrierter Grafikkarte. SiS war 1995 der erste Hersteller, der diese Option mit dem SiS 6204 bot. Mit nForce stieg später auch Nvidia ein, bei ATi (heute AMD) ging es mit dem ATi IGP 320 in der Northbridge RS200L los. Beide waren für Athlon und Duron gedacht.

CPU, Speicherinterface (sonst Northbridge) und iGPU (sonst dGPU oder Northbridge): Trotz dieser Komplexität war der Timna kaum größer als ein herkömmlicher Celeron. Nachteilig war allerdings, dass ein neuer Sockel (370S) nötig war, da der alte nie für ein integriertes Speicherinterface ausgelegt wurde. Aber das war nicht das einzige Problem.

Standard Celeron u. Timna im Vergleich
Standard Celeron u. Timna im Vergleich
Velocity 100 Grafikkarte, Celeron und Northbridge
Velocity 100 Grafikkarte, Celeron und Northbridge
Sockel 370S
Sockel 370S

Rambus war zu teuer, die Alternative zu aufwendig

Intel setzte zu dieser Zeit auf den teuren Rambus-Speicher, der auch im Timna genutzt werden sollte respektive musste, sich jedoch letztendlich als viel zu teuer erwies.

Um Rambus zu umgehen und stattdessen auf SDRAM zu setzen, musste also ein „Memory Translator Hub“ her, der aber immer wieder Probleme bereitete und zu endlosen Verzögerungen führte.

Das war dann auch der Hauptgrund für das Scheitern des Produktes, denn die Technikwelt blieb nicht stehen. Am 29. September 2000, nur einen Monat nachdem auf dem Intel Developer Forum weitere Details zu Timna geteilt worden waren, wurde das Projekt ad acta gelegt.

Pentium III Timna Celeron AMD Duron
Codename Katmai Timna Coppermine Spitfire
Sockel Slot 1 Sockel 370S Sockel 370 Sockel A
Fertigungsprozess 0,25 µm 0,18 µm 0,18 µm 0,18 µm
Die-Größe 128 mm² ca. 131 mm² 106 mm² 100 mm²
Transistoren 9,5 Mio. n.a. 28,1 Mio. 25 Mio.
Takt von bis 450 – 600 MHz 600 u. 667 MHz 533–1.100 MHz 600–950 MHz
L1-Cache 16 + 16 KB 16 + 16 KB 16 + 16 KB 64 + 64 KB
L2-Cache 512 KB extern 128 KB 128 KB 64 KB
Anbindung L2 64 Bit 64 Bit (?) 256 Bit 64 Bit
FSB 100/133 MHz 133 MHz 66/100 MHz 100 MHz DDR
Bandbreite 0,8/1,066 GB/s 1,066 GB/s (SDRAM) / 1,6 GB/s (Rambus) 0,533/0,8 GB/s 1,6 GB/s
Speichercontroller Northbridge integriert Northbridge Northbridge
Speichertakt max. 100/133 MHz 100 MHz (SD-RAM) / 800 MHz (Rambus) 100/133 MHz 100 MHz SD-/DDR-RAM
TDP 25 – 35 W <20 W 17,5 W @ 667 MHz 25,5 W @ 700 MHz
Wenn man sich an der Transistordichte des Coppermine-Celeron orientiert, müsste der Timna bei über 30 Millionen Schaltungen liegen, was für die damalige Zeit ein entsprechend teurer Chip war. Der Vorgänger Celeron „Mendocino“ kam auf nur 19,2 Millionen und die i740-GPU auf 3,5 Millionen Transistoren.
Bildvergleich: Vergleich diverser CPUs mit L2 Cache Vergleich diverser CPUs

Im Uhrzeigersinn: Katmai (Pentium III), Spitfire (Duron), Timna (Katmai-Celeron*), Mendocino (Celeron) [*der Katmai-Celeron zeigt eigentlich den Coppermine-Celeron, während die Die-Aufteilung dagegen vom Timna ist]

Statt iGPU kam vorerst GMA

Mit Timna wurden Intels Ambitionen, die GPU in Desktop-CPUs zu integrieren, vorerst ad acta gelegt. Stattdessen wurde die GPU mit dem Intel Graphics Media Accelerator ab 2004 vorerst auch bei Intel in den G-Varianten der Northbridge verankert, bevor sie mit Westmere im Jahr 2010 zuerst als Chiplet auf das CPU-Package und mit Sandy Bridge alias Core i 2000 (Test) ein Jahr später in den CPU-Chip wanderte – so wie mit Timna zehn Jahre zuvor schon geplant.

Timna im Test?

Nie zur Marktreife entwickelt, waren Anfang des Jahres einige Timna-Prototypen bei eBay aufgetaucht, wovon einer seinen Weg zu ComputerBase gefunden hat.

Derzeit befindet sich ein Testsystem inklusive Vergleichs-PC mit regulärer Sockel-370-CPU im Aufbau. Ob überhaupt Benchmarks im damals aktuellen 3DMark möglich sein werden, bleibt allerdings abzuwarten, da der Timna nie über das Prototypenstadium hinauskam, was auch entsprechende Treiber betrifft.

Das Testsystem
Das Testsystem

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