Cherry Xtrfy MX 3.1 im Test: Diese Tastatur trägt Maßanzug, aber...

Max Doll
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Cherry Xtrfy MX 3.1 im Test: Diese Tastatur trägt Maßanzug, aber...

Die Cherry Xtrfy MX 3.1 tritt im Test als Tastatur im Maßanzug auf und umwirbt „Gamer“. Sie verspricht ein Aluminium-Gehäuse, die neuen MX2-Taster, flache Tastenkappen und „dämpfende Tastaturstruktur“ zu moderatem Kurs von knapp 130 Euro. Klingt nach vielversprechendem Maßanzug. Ein Problem gibt es aber.

Die Cherry Xtrfy MX 3.1 ist eine Tastatur, die vor drei oder vier Jahren noch gut ausgesehen hätte, bei der im Jahr 2024 im Test aber unklar bleibt, für wen sie eigentlich gedacht ist. Für Anwender, die einfach nur ein wenig schreiben und sich um nichts weiter Gedanken machen wollen, flüstert die Ausstattung, „GAMING“, schreibt das Marketing. Alle Details im Test.

Cherry Xtrfy MX 3.1 (MX2 Red)
Produktgruppe Tastaturen, 29.10.2024
  • Gehäuse
    O
  • Tasten & Beschriftung
    O
  • Layout
    O
  • Ausstattung & Extras
  • Software
    n/a
  • MX2-Taster
  • Flache Tastenkappen
  • Keine PBT-Caps
  • Keine Hot-Swap-Sockel

Cherry MX 3.1: Schick verpackt

Auf Bildern überzeugt die Xtrfy MX 3.1. Aluminium an der Vorderseite und das weiße Tastenfeld wirken sportlich und elegant. Ein fettes Vollalu-Gehäuse besitzt die Tastatur allerdings nicht, das verrät schon das relativ moderate Gewicht von knapp über einem Kilogramm. Seitlich wird das Tastenfeld von Kunststoff-Elementen abgeschlossen, die Taster – brandneue, kaum verfügbare MX2-Modelle – werden mit dem gleichen Material stabilisiert.

Das Fullsize-Layout ergänzt Cherry klassentypisch um vier zusätzliche Tasten über dem Nummernblock, die den Medienplayer steuern. Ihre Belegung kann, wie die aller Tasten, per Software neu programmiert werden. Die Zusatzfunktionen der FN-Ebene bleiben jedoch fest. Funktionen liegen auf den F-Tasten und ermöglichen die Steuerung von Audiolaustärke und der Tastenbeleuchtung. Positioniert wird die Tastatur als Upgrade der MX Board 3.0S, die prinzipiell gleich aufgebaut ist, aber noch MX1-Taster mit einen veralteten Micro-USB-Anschluss besitzt.

Cherry Xtrfy MX 3.1
Größe (L × B × H): 43,5 × 13,8 × 3,5 (4,1) cm
Handballenauflage optional
Layout: 105 ISO (erweitert)
Gewicht: 1.120 g
Gehäuse-Material: Aluminium
Kabel: 1,60 m, USB/Type-C-USB (modular)
Hub-Funktion:
Key-Rollover: N-KRO
Schalter: Cherry MX2A Red / Brown
Switch Plate: Polycarbonat
Tasten: Form: zylindrisch
Material: ABS-Kunststoff
Beschriftung: laser cut
Zusatztasten: 3 × Medien
1 × Extra
Medienfunktionen: Stumm, Lautstärke, Abspielen/Pause, Vor/Zurück
Zusatzfunktionen: Helligkeit (regeln, ausschalten), LED-Modi, Gaming-Modus, Programmverknüpfungen
Beleuchtung: Farbe: RGB
Modi: Atmungseffekt, Welleneffekt, Reaktiver Modus, umlaufende Aktivierung, Farbschleife
Sonstige: individuelle LED-Profile
Makros & Programmierung: 8.192 kB, 3 Profile, Hardware-Wiedergabe
vollständig programmierbar
Preis: ab 118 € / ab 122 €

MX2 fehlt ihr Extra

Die MX 3.1 gibt es mit roten, linearen Tastern und braunen Modellen, die einen schwach ausgeprägten Druckpunkt besitzen. Beide entstammen der MX2-Serie, die es weiterhin exklusiv bei Cherry gibt. Gegenüber der ersten Generation sind sie ein spürbares Upgrade, das sich aus der Summe vieler kleiner Verbesserungen ergibt. Die neuen Taster sind leiser und klingen satter, die Feder erzeugt keinen Nachhall mehr und das Spiel der Tastenkappen reduziert sich. Tasten „wackeln“ weniger und fühlen sich strammer an. Diese Charakteristik der Taster hat sich nicht verändert.

Darüber hinaus gleiten MX2-Taster sanfter ein und kratzen kaum noch in ihren Führungen – eigentlich. Diese Eigenschaft fehlt den roten Tastern des Testmusters völlig, sie „schaben“ erheblich stärker als noch in der Xtrfy K5V2 (Test) mit ebenfalls roten MX2-Tastern und zwar gleichmäßig über alle Taster hinweg. Der erhebliche Unterschied ist im Vergleich deutlich, aber auch ohne Maßstab wahrnehmbar.

Beim langsamen Eindrücken lässt sich das Gleiten der Stempel in ihren Führungen gut spüren. Das wirkt fast schon so, als hätte Cherry die Schmierung weggelassen. Der Effekt irritiert, das Ergebnis auch. Diese MX2 geben zwar konsistentes Feedback, aber schwerlich ein preislich angemessenes – sofern man eine gewisse „Rauheit“ nicht schätzt. Nach Eingewöhnung und dem Einlaufen der Taster hält sich die Wahrnehmung des Kratzens zwar mehr als Nebengedanke, es geht aber besser, auch vom Start weg. Kailh Box Red V2 oder Gateron G Pro 3.0 kommen etwa in den Sinn. Angemerkt werden muss, dass MX-Taster mit der Zeit einlaufen, was allerdings Monate und Jahre dauern kann und nicht gleichmäßig erfolgt.

Mit dieser Eigenheit müssen Käufer im Zweifelsfall leben, denn um die Taster auszutauschen braucht es einen Lötkolben. Die für über 100 Euro gängigen Hot-Swap-Sockel spart sich die Cherry-Tastatur. Dass der Hersteller darüber hinaus auf PBT-Tastenkappen und Double-Shot-Beschriftung verzichtet, gehört sich ebenfalls nicht. Während andere Tastaturen dann zumindest auf Bluetooth- und Funkverbindung verweisen können, hat die MX 3.1 diese Begründung nicht, die Ausstattung fällt in Relation zum Preis extrem mager aus. Lediglich flache Tastenkappen sind ein Extra, das die Akustik ein wenig dezenter macht.

Alltag

Trotz flacherer Kappen passt die MX 3.1 jedoch klanglich nicht in ihre Klasse. Die MX 3.1 schneidet zwar besser ab als Tastaturen ohne alles, aber schlechter als das, was für 130 Euro mittlerweile möglich ist.

Das Aufschrauben verrät warum: Die „neuartige, geräuschdämpfende Struktur“ besteht aus einer dünnen Lage Schaumstoff und ein paar Silikondämpfern zwischen PCB und der Switchplate aus Kunststoff. Der Aufbau der MX 3.1 bleibt für das Jahr 2024 überaus simpel und das hört man ihr an.

Eine Cooler Master MK770 agiert dank aufwändigerer Konstruktion zum gleichen Kurs deutlich dezenter und kann nebenbei trotzdem mehr Ausstattung vorweisen, von Vollmetalltastaturen einmal ganz zu schweigen, die bereits an der Tür dieses Preisbereiches klopfen. Wenn man genau Akustik nochmal quervergleicht, bestätigt sich der Eindruck: Einfach nur besser als Ohne-Alles-Tastaturen zu sein reicht nicht, wenn der dreistellige Preisbereich deutlich mehr bereithält.

Cherry MX 3.1 (MX2 Red)

Aufbau unter der Lupe

Im Prinzip nutzt Cherry konstruktiv ein ähnliches Prinzip wie bei Tastaturen mit freistehenden Tastern. Eine Metallplatte wird wie etwa bei einer Corsair K-Serie-Tastatur zum Teil des Gehäuses, der Rest bleibt Kunststoff – nur hier in spiegelverkehrter Anwendung. Dieser Fertigung kann man durchaus nachsagen, kostenoptimiert zu sein. Dass die Aluminiumplatte hier allerdings durch die hochgezogene Front und Rückseite an Steifigkeit gewinnt, ist der Tastatur zuzugestehen – wenngleich das nicht nötig ist.

Zur Dämmung liegt nur eine dünne Schicht Schaumstoff im Gehäuse
Zur Dämmung liegt nur eine dünne Schicht Schaumstoff im Gehäuse
Ein wenig Silikon dämpft zwischen Switch Plate und PCB
Ein wenig Silikon dämpft zwischen Switch Plate und PCB
Taster verlötet Cherry
Taster verlötet Cherry

Das „Inlay“, das heißt die Switchplate besteht hier aus biegsamen Kunststoff, der Anschläge besser abfedert als die üblichen Aluminiumplatten. Diese Idee aus der Custom-Szene kommt auch im Massenmarkt an. Einen konstruktiven Grund gibt hier es auch: die Erhöhungen zwischen den Tasten sind so günstiger zu fertigen. Das muss kein Mangel sein, liefert aber eine Erklärung für das Design.

Die flacheren Tastenkappen erweisen sich einmal mehr und gerade mit einer Handballenauflage als angenehm ergonomisch, die Cherry-typische, abgerundete Leertaste ein kleines, aber sehr angenehmes Detail, das den Daumen beim Auflegen erfreut. Zum Schreiben und Spielen besitzt die MX 3.1 im Prinzip gute Gene, wenn man den Preis kurz außen vorlässt.

Ganz so durchdacht erscheint das Layout nicht. Die Lautstärke-Steuerung erfordert die Nutzung beider Hände. Da sekundäre Tastenfunktionen nicht geändert werden dürfen, muss man damit leben. Aus funktionaler Sicht hat sich Cherry mit den Stellfüßen keinen Gefallen getan. Der Umbau von Gummiauflage zu winzigem Anstellelementen ist fummelig, die geringe Größe des Zubehörs lädt zum Verloren-gehen ein. Nicht störend, aber unverständlich und damit symptomatisch erscheint zudem, dass sich Status-LEDs auf der Tastatur befinden, die Funktion – Capslock, Numlock – aber auch über die Tastenbeleuchtung abgebildet wird.

Angenehm: Cherry-typisch wird die Leertaste gerundet
Angenehm: Cherry-typisch wird die Leertaste gerundet
Fummelig: Stellfüße werden eingeschraubt
Fummelig: Stellfüße werden eingeschraubt
Die Switch Plate besteht aus Kunststoff
Die Switch Plate besteht aus Kunststoff

Software hat wenig Wert

Wo „praktische Zusatzfunktionen“ sind, „die dir im Spiel einen entscheidenden Vorteil verschaffen können“, erschließt sich nicht, zumal „Gaming-Features“ wie eine höhere Polling-Rate im Datenblatt fehlen. Gemeint sein muss, neben der RGB-Beleuchtung, N-Key-Rollover und Win-Key-Sperre – Funktionen, die schon vor vier Jahren nur noch im Budget-Segment beworben wurden und die sich längst etabliert haben – die Software mit Makro-Funktion. Beides, Featureliste und Software, wären aber schon vor fünf Jahre nichts Besonderes gewesen.

Die Software komplettiert insofern das Bild. Sie bietet eine übersichtliche Möglichkeit, die Tastenbeleuchtung zu ändern und erlaubt es, die Tastenfunktion neu zu programmieren – allerdings nicht mehr so übersichtlich. Darüber hinaus kann nur die primäre Funktion geändert werden, die FN-Ebene bleibt fix. Im Prinzip kann man deshalb auf die Cherry Utility Software auch gut verzichten. Sie ist im Jahr 2024 genau die Art von App, die Anwendern bei einer Fullsize-Tastatur minimalen Mehrwert beschert und damit Mühe hat, ihre Existenz außerhalb einer Checkliste für „Gaming-Equipment“ zu rechtfertigen.

Fazit: Schöner Schein...

Die MX 3.1 ist eine Tastatur, die vor drei oder vier Jahren noch gut ausgehen hätte, bei der 2024 aber unklar bleibt, für wen sie eigentlich gedacht ist. Für Anwender, die einfach nur ein wenig schreiben und sich um nichts weiter Gedanken machen wollen, flüstert die Ausstattung, „GAMING“, schreibt das Marketing. Für beides ist sie je nach Perspektive zu teuer oder zu schlecht. Für 130 Euro gibt es leisere Tastaturen mit besseren Tastern, Hot-Swap-Sockeln und PBT-Tastenkappen, von der Software noch gar nicht gesprochen. Kunstvoll gemacht ist hier nur das Marketing.

An sich wäre das Feature-Set der MX 3.1 recht rund, wenn es (deutlich) unter 100 Euro platziert werden würde. Dann könnte man über Aussehen, einfach Tippen und das tatsächlich angenehme Feedback der Taster sprechen, die neuentdeckte Kratzigkeit der ansonsten guten MX2 ein Stück weit dem Geschmack überlassen und ein ungewöhnlich aussehendes Produkt als out-of-the-box-Keyboard in die Auswahl nehmen – so wie die MX Board 3.0S, die aktuell rund 60 Euro kostet. Den doppelten Preis rechtfertigt das Upgrade jedenfalls nicht; der Produktname macht schon korrekt klar, was Sache ist: Ein Refresh.

Das passt aktuell nicht: Cherry MX 3.1 fehlen Features oder eine Preissenkung
Das passt aktuell nicht: Cherry MX 3.1 fehlen Features oder eine Preissenkung

Ein wenig erinnert die MX 3.1 an die Produktstrategie von Razer, allerdings ohne das kauftreibende „Brand-Image“. Der Sinn erschließt sich schwerlich. Diese Tastatur ist im Grunde das Gegenteil von dem, was Cherry braucht, um wieder an Relevanz zu gewinnen: Viel heiße Luft für Standard-Features von vor fünf Jahren in hübscher Hülle und süßen Worten. Am Ende fehlt es an Substanz in Relation zum Preis.

Eine Ducky One 3 (Test des SF-Modells) kostet lediglich 10 bis 20 Euro mehr, ist unter dem Strich aber das deutlich bessere Angebot in Ausstattung und Anmutung. Eine Cooler Master MK770 (Test) zeigt, dass zum gleichen Preis weniger Abstriche gemacht werden müssen. Für rund 130 Euro ergibt die MX 3.1 schlicht wenig Sinn. Als auch preislicher Nachfolger der MX Board 3.0S, die aktuell zwischen 60 und 80 Euro gehandelt wird, sähe das anders aus.

Cherry Xtrfy MX 3.1 (MX2 Red)
Produktgruppe Tastaturen, 29.10.2024
  • Gehäuse
    O
  • Tasten & Beschriftung
    O
  • Layout
    O
  • Ausstattung & Extras
  • Software
    n/a
  • MX2-Taster
  • Flache Tastenkappen
  • Keine PBT-Caps
  • Keine Hot-Swap-Sockel

ComputerBase hat die MX 3.1 von Cherry leihweise zum Testen erhalten. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht.

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