Leserartikel 3 Wochen auf dem Sihoo "Doro C300" Schreibtischstuhl

3 Wochen mit dem „Sihoo Doro C300“​

Vorwort​

Gemeinsam mit zwei anderen Testern habe ich von dem Hersteller Sihoo und ComputerBase die Gelegenheit bekommen, den Schreibtischstuhl Doro C300 zu testen.

Die UVP des Herstellers beträgt ~530€, ist aber in der Regel für ~280€-380€ erhältlich.

Es handelt sich dabei um einen Schreibtischstuhl mit folgenden Features:

  • Mesh-Bespannung im Sitz- und Rückenbereich
  • Dedizierte Lordosenstütze mit automatischer Anpassung
  • In Position und Neigung einstellbare Kopfstütze
  • In drei Achsen einstellbare Armlehnen, welche sich mit der Rückenlehne zusammen neigen
Es fehlen aber auch ein paar Features, die teils bei der teureren Variante C300 Pro zu finden sind.

Unter anderem vermisse ich hier eine verstellbare Sitzfläche (vor/zurück/Neigung), oder auch eine Synchronmechanik, welche die Neigung der Sitzfläche mit der Neigung der Rückenlehne koppelt.

Die anderen Testberichte findet ihr hier, bei p-style und haefftig.

In meinem Fall musste sich der Stuhl gegenüber meinen 1.87m und 90 kg beweisen, und wurde von mir mit dem Desktronic SitOne verglichen.

PXL_20250602_131651124.jpg


Getestet wurde der Stuhl im HomeOffice- und Gaming-Alltag, und hat damit im Testzeitraum fast tagesfüllende Sitzungen mitgemacht.

Verpackung & Aufbau​

Der Stuhl kam in einer einzelnen, recht neutralen Pappbox, welche in durchdachter dichter Anordnung alle Teile enthält. Die Trenner sind aus Pappe gefertigt, welche an die Form der Komponenten angepasst ist.
1750965334318.png
1750965342195.png


Die einzelnen Komponenten sind in Plastikfolie eingeschlagen, um entsprechende Schäden in der Logistikkette zu minimieren – was auch gut geklappt hat.

In Summe sehr gut hinsichtlich Paketgröße und Nachhaltigkeit, teils würde ich mir etwas weniger Einsatz von Plastik wünschen, der sicherlich aber auch eine unbeschädigte Lieferung kompromittieren könnte.
1750965350586.png


Die mitgelieferte Anleitung war in meinem Fall sehr simpel gehalten und beschränkt sich auf minimale Abbildungen – Text suchte ich hier vergebens.

Im Falle von anderen Tests lag hier teils eine andere, detailliertere Variante bei – ggfs. ein Unterschied zwischen dem weißen und schwarzen Stuhl.

Hier würde ich mir definitiv mehr Einheitlichkeit wünschen – die mitgelieferte Anleitung ist in der Form das absolute Minimalniveau.

Dem QR-Code zu einem Video bin ich dabei nicht gefolgt. Auch in diesem Fall würde ich zusätzlich eine gedruckte URL begrüßen – soweit war die Anleitung aber korrekt.

Die Kleinkomponenten wie Schrauben etc. sind englisch beschriftet, hier wäre eine Referenz auf den konkreten Montageschritt pro Bauteil sicherlich hilfreich – so musste ich entsprechend der Beschriftung folgen.

1750965369830.png


Vormontiert kommen ausschließlich die Teile der Rückenlehne + Lordosenstütze. Den Rest der Komponenten gilt es selbst zu verschrauben.

1750965375829.png


Hervorzuheben ist hierbei das Rollenkreuz. Bei anderen Stühlen ist es gerne aus Hartplastik oder wird vormontiert geliefert, hier muss es selbst zusammengeschraubt werden.

In meinem Fall waren nicht alle Metallteile sauber entgratet, sodass sich hier ein Metallsplitter in meinen Finger bohrte:

1750965383727.png


Blöd – zwar werden hierfür sehr leichte Schutzhandschuhe (ich vermute eher gegen Fingerabdrücke) mitgeliefert, die sind aber für asiatische/Kinderhände gemacht und von minderer Qualität.

1750965390628.png


Auch die Verschraubung der „Arme“ des Fußkreuzes finde ich nicht optimal gelöst.

Es gibt jeweils eine Schweißnaht pro Arm, und genau auf dieser sitzen zwei Schrauben. Das sorgt für eine suboptimale Lastverteilung – vermutlich ist es am Ende aber unkritisch. Besser wäre es, wenn die Schrauben plan auf einer geraden Fläche aufliegen würden.

1750965398743.png


Ein Gewinde war hier unsauber gedreht, in welchem dann entsprechend der Akkuschrauber mit Gewalt nachgeholfen hat. Den würde ich sonst sowieso für die Montage empfehlen, auch wenn alles notwendige Montagematerial prinzipiell mitgeliefert wird.

Bei der Menge an Schrauben spart es wirklich Zeit.

Mindestens für die Montage von dem Sitzteil an die Rückenlehne bietet sich ein Helfer an, weil die Gravitation einem die zwei Teile auseinanderziehen will, bis die erste Schraube hier etwas Halt verschafft.

Die Montage verlief ansonsten problemlos, und war in Summe nach etwa 45 Minuten abgeschlossen.

1750965294976.jpeg


Einstellmöglichkeiten​

Hier bietet der Doro C300 einige, aber leider nicht alle sinnvollen Möglichkeiten.

  • Höhenverstellbarkeit: Ja. Die Gasdruckfeder scheint stabil, und federt bei meinem Gewicht auch nicht zu viel nach. Mit meinen 1.87m mit langen Beinen bin ich allerdings auch immer auf der höchsten Stufe unterwegs. Wirklich großen Menschen würde ich den Stuhl daher nicht empfehlen. Meine Freundin bei 1.57m findet aber auch noch bequem Platz.
  • Neigungswinkel der Sitzfläche: Nein. Diese Möglichkeit fehlt mir gegenüber dem günstigeren Desktronic SitOne definitiv, auch wenn es dort nur über Spacer für die Verschraubung der Sitzfläche an die Basis gelöst war. Es gibt nur das…
  • „Zurücklehnen“ – Neigen des gesamten Stuhls: Ja, geht in drei Stufen – klassisch über einen Hebel gelöst, der entweder arretiert, oder aber freie Bewegung ermöglicht
  • Verschieben der Sitzfläche gegenüber der Lehne: Nein. Das macht definitiv Sinn bei verschiedenen Körpergrößen, um die Sitzfläche gut auszunutzen, und die Durchblutung der Beine nicht durch die Vorderkante abzudrücken. Für meine Größe passt es eigentlich so ganz gut, meine Freundin würde sich die Sitzfläche näher am Rückenteil wünschen. Das würde es beim Doro C300 Pro geben.
  • Höhenverstellung der Rückenlehne: Ja. kann die Rückenlehne hochziehen, und sie rastet dann ein. Vier Stufen gibt es, auf der obersten Stufe „fällt“ sie dann quasi wieder nach unten.
  • Verstellung der Kopfstütze: Ja. Sie kann ebenfalls in vier Stufen verstellt werden, und durch zwei Gelenke gelöst, auch in der Neigung und Horizontalen.
  • Armlehnen: Ja. Es wird zwar mit „4D“ geworben, allerdings ist es eher 3D. Höhe, Tiefe, Winkel. Es gibt kein Verschieben nach in der Breite, außer das zuvor erwähnte Anwinkeln. Die beworbene vierte Dimension bezieht sich darauf, dass die Armlehnen am Rücken befestigt sind, und daher beim Zurücklehnen mitrotieren.
  • Lordosenstütze: Jaein. Sie ist federgelagert und „rutscht“ bei Druck auf sie nach unten, gibt also quasi nach – ist jedoch nicht einstellbar und springt in ihre Position zurück. Finde ich sehr angenehm tatsächlich!

Eindrücke und Alltagserfahrungen​

Ingesamt wirkt der Stuhl nicht unbedingt billig. Das Design gefällt, die Materialen scheinen grundsätzlich auch relativ hochwertig zu sein.

Jedoch hat der gesamte Stuhl, insbesondere im Rückenbereich bzw. seiner Befestigung, etwas viel „Spiel“. Sicherlich ist es dadurch bedingt, dass der gesamte Rückenbereich an eine einzelne Achse gebunden ist.

Das ist ergonomisch erstmal ganz angenehm, da sich die Rückenlehne somit auch etwas mit dem Rücken zusammen bewegt, aber weckt bei mir Bedenken in der Langlebigkeit.

Es finden sich in anderen Reviews daher auch Berichte über gebrochene Teile, etwa bei den zentralen Armen, welcher von der Hauptachse abgehen und das eigentliche Rückenpolster tragen.

Ähnliche Bedenken habe ich bezüglich der Meshbespannung.

Diese ist sehr locker ausgelegt, was erstmal in einer recht bequemen Sitzposition resultiert, der ich aber auch ein schnelleres Ausleiern unterstelle.

Nehme ich etwa zwei Finger und ziehe damit die Bespannung zusammen, kann ich das problemlos über einen Zentimeter oder mehr machen – je nach Position – bevor sich das Material meinen Fingern „entzieht“.

Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass es sich – gerade jetzt im Simmer – auf der dem Mesh sehr angenehm sitzt. „Arschschweiß“ entsteht nicht, der auf meinem SitOne definitiv lange Sitzungen bei Raumtemperaturen >27°C etwas unangenehm werden lässt.

Dieser hat zwar auch eine Rückenlehne aus Mesh, die Sitzfläche ist aber klassisch textilbespannter Schaumstoff.

Die Armlehnen machen mehr oder weniger was sie sollen – ich würde sie mir etwas breiter wünschen, das ist für mich aber eher Gewohnheitssache. Nur verstellen sie sich etwas leicht im Winkel.

Die dedizierte Lordosenstütze gefällt mir hingegen sehr, sehr gut.

Ich bin historisch nach einem Fahrradunfall etwas mit unteren Rückenschmerzen geplagt, und möchte diese definitiv nicht mehr missen! Sie ist recht aggressiv in ihrer Positionierung, und gibt dadurch sehr früh und kräftige Unterstützung. Wenn man sich in sie „reindrückt“, dann gibt die automatisch anpassende Federung auch nicht zu stark nach, sondern hält auch bei Druck ordentlich dagegen. Für mich ist sie das absolute Killerkriterium, und ich kenne derzeit keinen Stuhl in der effektiven Preisregion, der vergleichbares bietet.

Andere Schwächen kann ich dem Stuhl daher etwas verzeihen, auch wenn es diese definitiv auch gibt.

Angefangen von der klappernd aufliegenden Plastikverzierung des Fußkreuzes, über einer seltsam anmutenden Schwingung nach oben im Ellbogenbereich der Armlehnen, oder auch der nicht immer perfekt sitzenden Kopfstütze, bis zu den manchmal etwas zu leichtgängigen Verstellmechanismen.

Fazit​

1750965310235.jpeg


Der Stuhl hat meinen SitOne abgelöst. Ich finde zwar grundsätzlich seine Werbung ehrlicher, sein Haltbarkeitsversprechen glaubwürdiger, das Preisleistungsverhältnis etwas besser – aber am Ende siegt der Sitzkomfort.

Und durch das Sitzmesh – jetzt im Hochsommer im Dachgeschoss – sowie die gut implementierte Lordosenstütze, sitze ich einfach besser.

Diese schlägt den Mechanisus meines alten Maxnomic „Need4Seat“ Gamerchairs um Welten und die Variante im SitOne auch noch um Längen.

Würde ich den Stuhl so selber kaufen? Wahrscheinlich eher nicht. Dafür ist mir das Marketing etwas zu aufdringlich, etwas zu unehrlich, und die Verarbeitung etwas zu suspekt.

Etwa das Verhalten im Direktvertrieb mit einer deutlich(!) zu hoch angesetzten UVP missfällt mir stark und empfinde ich als Betrug am Kunden. Auch die vielen gesponsorten Reviews missfallen mir etwas – obwohl ich natürlich auch mitspiele.

So richtig empfehlen kann ich den Stuhl daher nicht. Insbesondere die Langlebigkeit bereitet mir etwas Sorgen – das findet sich aber nicht in drei Wochen raus, eher in 5 Jahren.

Hier lohnt sich vermutlich doch eine langfristiger ausgelegte Mehrinvestition.

Eine hohe Ergonomie für den schmalen Geldbeutel kann ich aber bescheinigen!

Empfehlen würde ich den Stuhl im Preisbereich ~200-225€ Euro. Darüber passt mir das Preis-/Leistungsverhältnis nicht mehr besonders gut. Für 530€ Euro ist er wahnsinnig überteuert, die 380€ bei Amazon finde ich auch noch zu hoch, und für 280€ kann man mit etwas Zicken im Kopf aber auch zugreifen.

Das Problem ist wohl, dass ich hier keine guten Konkurrenzprodukte empfehlen kann.

Fand ich den Stuhl besser als meinen alten Desktronic SitOne, welchen ich für 180€ gekauft hab? Ja, wenn auch nur knapp. Manche Funktionen fehlen mir (verstellbare Sitzneigung, verschiebbare Sitzfläche).

Die Rückenunterstützung ist aber wirklich deutlich besser, und ich kann damit länger schmerzfrei sitzen – was erstmal mehr zählt.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: Deinorius, Snoopy69, funkflix und 10 andere
Danke für den tollen Bericht unter Einsatz deines Lebens wegen des Metallsplitters im Finger ;-)

Ein ehrliches Fazit gibt es noch dazu! Super!

Bin gespannt auf deinen Langzeit Test!
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: gman32
Danke für den Bericht. Das ist ein klassischer Herman Miller Aeron Nachbau. Kann das Original sehr empfehlen. Der ist für grosse Amerikaner designed wurden und ist heute ein absoluter Designklassiker. Ist zwar deutlich teuer, aber auf die Dauer jeden Cent Wert. Die sparen halt nirgends und das merkt man. Dazu geben die auch stolze 12 Jahre Garantie und man muss nichts zusammenbauen. Die kommen zusammengebaut. :)
Die gibt es auch immer mal im Sale oder stark rabbatiert als Ausstellungsstück. Die etwas günstigere Version ist der Mirra 2. Ich habe seit dem Wechsel auf Herman Miller keine Rückenschmerzen mehr.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: lazsniper
Mr.Zweig schrieb:
. Das ist ein klassischer Herman Miller Aeron Nachbau. Kann das Original sehr empfehlen. Der ist für grosse Amerikaner designed wurden und ist heute ein absoluter Designklassiker. Ist zwar deutlich teuer, aber auf die Dauer jeden Cent Wert.
+1 (gerne auch +100 :D)
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: Mr.Zweig
Hab meinen C300 seit dem 22. Mai und nutze den fast täglich mehrere Stunden

Hatte damals geschrieben, dass manche Rollen beim Wenden knacken. Ist hier anscheinend nicht so…!?

Etwas gewöhnungsbedürftig ist das „wabbelige“ Verhalten, wenn man hinter dem Stuhl steht und man ihn verschieben will
Ergänzung ()

wirelessy schrieb:
So richtig empfehlen kann ich den Stuhl daher nicht. Insbesondere die Langlebigkeit bereitet mir etwas Sorgen – das findet sich aber nicht in drei Wochen raus, eher in 5 Jahren.
Da bin ich auch mal gespannt…
Insbesondere bei der Haltbarkeit, der Sitzfläche
 
Zuletzt bearbeitet:
wirelessy schrieb:
Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass es sich – gerade jetzt im Simmer – auf der dem Mesh sehr angenehm sitzt. „Arschschweiß“ entsteht nicht, der auf meinem SitOne definitiv lange Sitzungen bei Raumtemperaturen >27°C etwas unangenehm werden lässt.
Dieser kann nun problemlos abtropfen oder direkt wegverdunsten :daumen:

Bin mal gespannt, wann der Erste mit einer gemoddeten Sitzfläche daherkommt. Also mit Lüftern die durch die Sitzfläche pusten :D
 
Zurück
Oben