Adressauskunft: Widerspruchsrecht abgeschafft

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SourceCoder

Lt. Commander
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Bislang von der Presse erstaunlich wenig kommentiert hat die Bundesregierung am vergangenen Freitag eine Änderung des sogenannten Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) beschlossen, die einen faustdicken Datenskandal mit sich bringt: Künftig dürfen Meldeämter Ihre persönlichen Daten verkaufen, ohne dass Sie dagegen widersprechen können.

Das MRRG regelt, wie die Einwohnermeldeämter mit den erfassten Daten der Bürger umgehen dürfen beziehungsweise müssen. Die aktuelle Fassung des Melderechtsrahmengesetzes stammt von 1980 und wurde 2002 nur leicht überarbeitet, weshalb viele Bestimmungen nicht mehr dem aktuellen technologischen Stand gerecht werden. Eine Reform des MRRG ist daher unausweichlich.

Die am 29. Juni vom Bundestag verabschiedete Änderung des MRRG dehnt das Gesetz von bislang 27 auf künftig 55 Paragraphen aus, was noch einmal die Notwendigkeit einer Novellierung demonstriert. Doch die Masse an neuen Paragraphen bietet der Bundesregierung offenbar auch die Möglichkeit, beinahe unbemerkt eine Bestimmung einzustreuen, die jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen lassen muss.

Widerspruch ist zwecklos
Im Paragraph 44, der die Herausgabe der persönlichen Daten beispielsweise an anfragende Unternehmen regelt, hieß es noch im Entwurf vom November 2011: "[...] die Auskunft verlangende Person oder Stelle erklärt, die Daten nicht zu verwenden für Zwecke a) der Werbung oder b) des Adresshandels, es sei denn die betroffene Person hat in die Übermittlung für jeweils diesen Zweck eingewilligt."

In der finalen Gesetzesfassung vom 27. Juni 2012 hingegen steht etwas völlig anderes: "Es ist verboten, Daten aus einer Melderegisterauskunft zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels zu verwenden, [...] wenn die betroffene Person gegen die Übermittlung für jeweils diesen Zweck Widerspruch eingelegt hat. Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden."

Der letzte Satz hat eine gewaltige Tragweite: Jede Firma, die jemals irgendwelche Daten von Ihnen erfasst hat, kann diese Daten künftig vom Einwohnermeldeamt berichtigen oder bestätigen lassen. Sie haben bei einer Befragung, einem Gewinnspiel oder sonst wo nur Name und Ort angegeben? Das Einwohnermeldeamt liefert dem Unternehmen dazu bereitwillig frühere Namen (beispielsweise bei Heirat), gegebenenfalls Doktorgrad, Ordensname oder Künstlername, Geburtsdatum und Geburtsort sowie bei Geburt im Ausland auch den Staat, dann das Geschlecht, die Konfession, selbstverständlich alle aktuellen Anschriften, gekennzeichnet nach Haupt- und Nebenwohnung, bei Zuzug aus dem Ausland auch die letzte Anschrift im Inland, bei Wegzug in das Ausland auch die Anschrift im Ausland und den Staat, Einzugsdatum und Auszugsdatum, Familienstand, zusätzlich bei Verheirateten Datum, Ort und Staat der Eheschließung sowie die Zahl der minderjährigen Kinder. Und als Sahnehäubchen oben drauf auch noch alle bisherigen Anschriften.

Triumpf der Werbe-Industrie kaum noch zu verhindern
All dem können Sie nicht entkommen: Ziehen Sie um, so fragt der Adresshändler einfach nach ihrer neuen Anschrift. Und legen Sie Widerspruch ein, dann greift der eben erwähnte Paragraph 44 Absatz 4: Der Widerspruch gilt einfach nicht.

Diese schöne neue Welt des Datenschutzes wird am 1. November 2014 beginnen, denn dann tritt das geänderte Melderechtsrahmengesetz nämlich in Kraft. Lediglich ein Nein im Bundesrat könnte die Neuregelung jetzt noch aufhalten.

CHIP Online meint:
Wenn Sie Abends in die Disco gehen, ein nettes Mädel kennenlernen und am nächsten Tag beim Einwohnermeldeamt die gesamte Adresse in Erfahrung bringen möchten, weil Sie die Dame unbedingt wieder treffen wollen, dann werden Sie auf Granit beißen. Als Privatperson erhalten Sie diese Daten (zum Glück) nicht. Fragen Sie hingegen an, weil Sie der Dame Werbung zukommen lassen wollen oder mit ihrer Adresse Handel treiben möchten, so wird man Ihnen bereitwillig helfen.

Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viel Lobbyarbeit Adresshändler und Werbe-Industrie wohl zwischen November 2011 und Juni 2012 betrieben haben müssen, damit aus einem soliden Gesetz ein Datenschutz-GAU wird. Und dann fragen sich Politiker immer wieder, warum sich die Bürger von ihnen verraten und verkauft fühlen. (cel)

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PS: Da habe die Leute mit den schwarzen Taschen aber etwas geschafft, google & co. können sich freuen^^^.

Quelle: Chip.de
 
Wenn ich es richtig verstanden habe, wird da gerade ein ziemliches Bohei veranstaltet.

Anstatt den Weg über das Melderegister zu gehen, kannst du direkt bei der Werbeagentur die Löschung deiner Daten beantragen. Hat die Agentur keine Daten, kann sie die auch nicht von den Meldeämtern aktualisieren lassen, oder nicht?
 
Das ist schon ein handfester Skandal, was hier passiert. Kein Bürger weiß, welche Firmen alle Daten von uns haben und man kann nur widersprechen, wenn man die Adresse kennt und Geld für Porto ausgibt.

Nein, ein Abgleich von Daten beim Melderegister ist datenschutzrechtlich eine Katastophe. Gerade wenna uch Daten wie Konfessionszugehörigkeit, Geburtsort oder Titel betroffen sind, so gilt ganz klar: Kaum jemand gibt einer Firma solche Daten freiwillig, denn was geht das einen Blumen-, Buch- oder Autohändler an?

Mich wundert, warum CB dieses Thema nicht aufnimmt und auf der Titelseite berichtet!
 
Nun ich weiß welchen Firmen ich Infos über meine Konfession, Geburtsort, Datum der Eheschließung etc pp, sprich alle sehr persönlichen Daten gegeben habe. Und bekomme ich unerwünschte Werbung in den Briefkasten habe ich da meist direkt einen Ansprechpartner, den ich per Email darüber informiere, dass ich die Nutzung meiner personenbezogenen Daten zur Werbezwecke widerspreche.

Und ob das Möbelhaus weiß, dass ich von der Max-Müller-Straße in Dosenheim nach Mustermannhausen, in die Veilchenstraße 12 gezogen bin, stört mich nicht besonders.

Wer Firmen bereitwillig hochgradig persönliche Daten freiwillig übergibt, sollte sich im Anschluss nicht wundern, wenn diese Firmen diese Datensätze auch auf aktuellem Stand haben wollen.
 
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