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(Atom)arer Unsinn – Linux-Panda im Playstation-Pelz
1. Vorwort
Linux… – ja auch ich möchte endlich umsteigen und Winzigweichs Fenster Nr. 11 mit dem Mittelfinger zerschmettern.
Wie ich allerdings feststellen musste, ist dies leichter gesagt als getan – besonders wenn man wie ich unbewusst schon seit unzähligen Jahren an Microsofts Euter der Gängelungen hängt. Egal ob Bequemlichkeit oder gewohnte Software, vieles hielt mich bisher von einem Umstieg auf Linux ab.
Mit der Einführung von Windows 11 und seiner „Features“ ist für mich persönlich allerdings der Zeitpunkt gekommen, um endlich den Ar*** hochzukriegen und den Absprung aus dem M$-Ökosystem zu schaffen.
Um mir den Umstieg auf Linux selbst ein wenig zu erleichtern und auch zur Selbstmotivation, beschloss ich, mir extra dafür einen kleinen „Linux-Lerncomputer“ zu bauen. Ja, natürlich gibt es Dual-Boot und VMs - aber warum einfach, wenn es auch
Ich habe mich wie üblich gegen ein Fertigprodukt entschieden und baue daher selbst, im individuellen Kleinstgehäuse mit vollwertiger x86 PC-Technik. Da es sich allerdings „nur“ um einen Lerncomputer handelt, war mein oberstes Ziel, das Projekt mit einfachsten Mitteln und so günstig wie möglich zu verwirklichen.
2. Mini-ITX ist einfach viel zu groß…
Nachdem schon mein früheres Projekt einer XBOX Classic gewidmet war, so ist es diesmal deren größte Konkurrenzkonsole – eine Sony Playstation 2, hier als kleines Slim-Modell (Baujahr 2006).
Natürlich musste auch für dieses Projekt keine funktionsfähige Konsole sterben.
Aufgrund des geringen nutzbaren Innenraums der PS2 Slim sind Formfaktoren wie Mini-ITX oder sogar das Innenleben gängiger Mini-PCs schon deutlich zu groß und dick.
So war die Suche nach passender Hardware gar nicht mal so einfach. Vor allem nicht, wenn die Hardware auch noch leistungsfähig sein und nicht aus dem industriellen Bereich stammen soll (der für Privatnutzer entweder unbezahlbar oder sowieso kaum zugänglich ist).
Zum Glück gibt es aber mittlerweile auch einige wenige erschwingliche Einplatinencomputer in passender Größe basierend auf x86 Technologie, sodass auch der Griff ins ARMe Obstregal nicht mehr nötig ist.
Ursprünglich geplant auf Intel Atom Basis, entschied ich mich später dann doch für einen älteren, aber dafür vollwertigeren Intel Core der Kaby-Lake Generation.
Als Hardware kommt folgendes zum Einsatz:
- LattePanda Alpha Single Board Computer mit
- --- Intel Core m3-7Y30 2C/4T TDP 4,5 - 7 Watt
- --- 8 GB LPDDR3-1866 (verlötet, nicht aufrüstbar)
- --- 64 GB eMMC
- 2280 M.2 NVME SSD Samsung 970 EVO Plus 500 GB
- Intel AX200 WiFi-Karte
- Netzteil 12V 3,2A
Betriebssystem: Zorin OS 17
3. Wahnsinn war noch nie so stylisch
Nachdem die Playstation von mir vollständig entkernt wurde, musste zuerst alles nicht benötigte Plastik innendrin entfernt werden. Am schnellsten geht das mit einem Dremel und Mini-Sägeaufsatz. Nur 4 „Säulen“ für die Verschraubung wurden stehengelassen. Danach habe ich auf der Rückseite die Anschlüsse angepasst und folgende Verlängerungskabel angebracht:
- Hohlbüchse für Netzteil
- LAN Cat 5e
- WLAN Antennenanschluss
- 3x USB-A mit 5 Gbit/s
- HDMI 2.0 mit 18 Gbit/s auf USB-C (4K@60Hz)
Die Anschlüsse wurden teilweise bewusst „falschherum“ angebracht, was in meinen Augen für eine stimmigere Optik sorgt. Hinter der ehemaligen Infrarot-Abdeckung befindet sich jetzt eine weiße POWER-LED hinter grüner Folie. Die Schächte der ehemaligen Controller-Anschlüsse habe ich für eine bessere Belüftung mit Lochgitter verschlossen. Die warme Luft wird von einem kleinen 30mm Radiallüfter (gedrosselt von 5v auf ca. 1,5v und mit dem CPU-Lüfter gekoppelt) aus dem Gehäuse heraustransportiert.
4. Kann man da auch Windows?
Ja, der kann auch Windows (10)! Auch wenn dieses Betriebssystem eigentlich nichts auf der Playstation zu suchen hat, habe ich es zum Benchmark, der Hardwareüberwachung sowie zur Vergleichbarkeit trotzdem mal von externer SSD gestartet.
Im AIDA64 Memory-Test zeigen die fest verlöteten 8 GB LPDDR3-1866 Dual-Channel RAM eine gute Leistung, obwohl die RAM-Timings CL14-17-17-40 (!) leider für extrem hohe Latenzen sorgen.
Als Benchmark nutze ich den älteren Cinebench R15 mit meinen vielen Vergleichswerten und OC-Ergebnissen. Obwohl die von mir gewählte Hardware nach heutigen Maßstäben als hoffnungslos veraltet gilt, war ich trotzdem ein wenig beeindruckt.
Der Intel Core m3-7Y30 schafft es tatsächlich, jedes einzelne seiner bis zu 7 Watt (PL1) in brachiale Rechenleistung umzuwandeln.
Allerdings – und das ist für mich auch der größte Kritikpunkt am LattePanda SBC, existieren im BIOS keinerlei Konfigurationseinstellungen zur Verbrauchs– und Leistungsoptimierung von CPU und Arbeitsspeicher. Auch bekannte Software Tools funktionieren hierbei nicht – egal ob unter Windows oder Linux.
5. Zorin OS – einschalten und wohlfühlen…
Jetzt bekommt das Teil aber endlich mal sein Betriebssystem verpasst – nach langem Ausprobieren verschiedener bekannter Distributionen und diverser Desktopumgebungen habe ich mich für die kostenlose Linux-Distribution Zorin OS entschieden.
Warum gerade Zorin OS? Aufgrund seiner Einsteigerfreundlichkeit und seines eigenständigen Designs, das Schlichtheit und Funktionalität in den Vordergrund stellt und trotzdem optisch ansprechend, modern und auch irgendwie vertraut wirkt.
Zorin OS verkörpert genau das, was ein Betriebssystem für mich sein soll – nämlich lediglich eine (schön anzusehende) Basis für die Ausführung all meiner Programme. Vorinstalliertes CandyCrush, Werbung, Spyware, KI oder eine UI wie von den Schlümpfen entworfen – gibt es alles nicht und das ist auch gut so.
Die Installation eines „Mainstream“ Linux setzt heutzutage erfreulicherweise nicht mehr unbedingt Expertenwissen voraus und ist durchaus als einsteigerfreundlich zu bezeichnen. Alles Wichtige funktioniert direkt ohne ins Terminal zu müssen.
Viele bekannte Anwendungen sind heutzutage auch problemlos unter Linux nutzbar und nur für wenige meiner Programme müssen Alternativen gefunden werden.
Spiele möchte ich darauf keine spielen.
Die Performance ist überraschend hoch. Ruckler oder Gedenksekunden, wie man sie häufig von schwacher Hardware unter Windows kennt, sind viel seltener wahrzunehmen. Selbst die nur 8 GB RAM reichen mir unter Linux locker aus.
Und wird mal mehr Rechenleistung oder von Wine nicht unterstützte Software benötigt, greife ich einfach via Remote-Desktop auf den stärkeren Windows-PC zu und lasse diesen arbeiten. Die große XBOX wird somit zum Rechenknecht der kleinen Playstation…
6. Fazit
Bis zum Ende von Windows 10 habe ich zwar noch viel Linux zu lernen, aber ich denke, den Umstieg bis dahin vollzogen zu haben und die Windows-Installation auf dem Hauptrechner nur noch für alte Retro-Games nutzen zu müssen.
Das System ist jetzt schon seit Mitte 2024 täglich in Betrieb und es gab bisher keine Auffälligkeiten.
Funfact: Das ganze Gerät wiegt gerade einmal 510 Gramm (mit Antennen)
Ich bin der Meinung, dass sich Linux auch für den normalen Heimanwender zu einer wirklich interessanten Alternative zu Windows entwickelt hat und es einem oft Freiheiten gewährt, deren Existenz man schon längst vergessen hat…