Spannendes Thema, über das ich auch letztens nachgedacht habe. Auch ich habe früher jeden PC übertaktet, was mich zwischenzeitlich gar nicht mehr reizt. Hier haben sich meine Prioritäten komplett verschoben.
Habe mit 13/14 damals Mitte der 90er meinen ersten PC, einen Goupil Golf SX, bekommen. Das war ein Gerät, das man heutzutage am ehesten noch als ein Desktopreplacement beschreiben würde. Ausgestattet war es mit einem 80386SX-17 und 640 KiByte, nicht erweiterbarer RAM. Mit OC war damals natürlich auch nichts. Darauf spielte ich Titel wie Block-Out, Battle of Britain und TestDrive.
Kurz darauf ging es mit einem gebrauchten 80486SX2-50 mit 8 MiByte RAM weiter. Windows 95 lief darauf ganz ordentlich - der erste Teil von Diablo dagegen nicht. Über Zufall habe ich von OC erfahren und - in Ermangelung eines Handbuchs - mit den Jumpern auf dem Board gespielt und siehe da - die CPU taktete plötzlich mit 80 MHz und Diablo war plötzlich spielbar und auch im OS hat man den Unterschied direkt(!) bemerkt. Kein Benchmark erforderlich. Damit war ich angefixt.
Es folgte ein gebrauchter Pentium 233 mit 64 MiByte RAM und einer Voodoo2. Ich hing der Hardwareentwicklung da immer noch 3 bis 4 Jahre hinterher und auch das System war mit den neueren Spielen stetig am Limit und wurde dann natürlich auch bis an die Grenze übertaktet.
Mit zunehmendem Alter stiegen auch meine finanziellen Möglichkeiten und so konnte ich mir im April 2002 den ersten PC zusammenbauen, der aus überwiegend neuen Teilen bestand. Das war ein Athlon XP 2000+ mit Palomino-Kern, ein MSI KT3 Ultra ARU und 256 MiByte Corsair XMS-RAM. Mit Board und RAM hatte ich Komponenten ausgewählt, die OC zumindest unterstützen. Das System tweakte ich nach allen Möglichkeiten. OC über FSB war beim KT3-Ultra wegen den fixen AGP/PCI-Teilern obligatorisch. Den Multiplikator der CPU konnte ich nach dem Modding mit Silberleitlack verändern. Die GPU zunächst eine gebrauchte Geforce2 Pro, später eine neue GeForce4 Ti 4800SE wurde mit Rivatuner übertaktet. Um den Erfolg der Maßnahmen zu messen, habe ich Benchmarks benutzt und die Ergebnisse in Exceltabellen notiert. Durch Teste von unterschiedlichen BIOS-Versionen hatte ich bald raus, dass MSI in einer Version Timings entschärft hatte und die RAM-Performance dadurch abnahm. Kurzum, ich lebte damals die PCGH.
Meine Hardware wechselte ich auch in immer kurzeren Abständen. Nach dem MSI KT3-Ultra folgten ein EPoX EP-8RDA+ mit XP 2100+ (TBred-B), der sich mit moderater Überspannung auf über 2100 MHz übertakten lies. Kurz darauf ein DFI LanParty NF2 Ultra-B, gemoddet mit einem aktiven Chipsatzlüfter und wechselnden Athlon XP-M 2600+ (Barton), die ich zusammen mit verschiedenen Mondpreisspeichern (GEIL One DDR 400 CAS 1.5-2-2-5 / Corsair Twinx XL / Mushkin RED) an die Grenzen getweaked hatte. Damals griff ich im Rahmen meiner studentischen Möglichkeiten gerne ganz oben ins Regal. So war ich kurz vor dem Auslösen einer Nachnahmebestellung mit einem Athlon XP-M noch Blutspenden, da ich ohne die 25 EUR Vergütung der Uni-Klinik den Prozessor nicht hätte auslösen können.
Dabei waren leider auch einige Fehlinvestitionen. Den FSB habe ich trotz offener CPUs und optimaler Boards (DFI, Abit, EPoX) auf dem nForce2 kaum über 200 MHz bekommen. Von den 250 MHz, die manche auf der Plattform erreicht hatten, war ich meilenweit entfernt. Da machte sich dann hin und wieder Enttäuschung breit, wenn der teure Mondpreisspeicher nicht ablieferte, weil die Plattform dicht machte oder die ganz krassen Spannungen größer 3,2 Volt auf den Sockel A Boards nicht möglich waren.
An der Sockel A Plattform klebte ich für einen Enthusiasten recht lange und wechselte erst 2006 auf ein System mit Sockel 939 und einem Athlon 64 X2. Den DDR Mondpreisspeicher hatte ich ja bereits, jedoch verabschiedete man sich damals von AGP, weswegen die Kosten für den Wechsel relativ hoch waren. Die Plattform übertaktete ich ebenfalls. Die erste CPU die ich dafür hatte, ein X2 3800+ mit Manchester-Core, war leider eine ziemliche Krücke und machte mit "Ach und Krach" 2,25 GHz mit einer Überspannung von 0,1V. Ein später gekaufter X2 4400+ mit Toledo-Core lief da schon besser. Maximal schaffte er primestable unter Luftkühlung 2,75 GHz bei der Default VCore oder 2,5 GHz primestabele mit UV von 0,15 Volt. Etwas getrübt wurde die Freude, dass ich leider feststellen musste, dass selbst stundenlanges Prime95 kein Garant für ein 100% stabiles System ist. Linux startete mit diesen Einstellungen sporadisch nicht, weswegen ich die Spannung wieder etwas anheben musste. Das System lief dann mit 2,5 GHz bei 1,25 Volt wirklich ordentlich und vor allem angemessen leise. Was das OC/UV aber nun nicht mehr bewirkt hatte, waren relevante, spürbare Geschwindigkeitszuwächse. Die Performance der Plattform mit den X2 Prozessoren war so hoch (oder meine Anforderungen zwischenzeitlich so niedrig), dass die Geschwindigkeitszuwächse nur noch Zahlen in einem Computer geworden waren. Benchmark X lief dann um einige Punkte schneller und Spiel Y hatte 110 statt nur 100 FPS, aber ganz ehrlich - who cares?
Das war dann auch das letze System, das ich übertaktet hatte. Es folgten bei mir seitdem Sockel 775, Sockel 1150 und seit Januar diesen Jahres AM4, die ich allesamt nicht übertaktet habe oder übertakten werde. Gefühlt ging in der Entwicklung Ende der 90er, Anfang der 0er-Jahre deutlich mehr. Mit einem PC, der damals vor drei oder vier Jahren ziemlich High-End war, waren aktuelle Titel kaum oder nur sehr eingeschränkt lauffähig. Mit OC konnte man dem Abhilfe verschaffen, was oftmals den Unterschied zwischen - unspielbar, oder läuft ganz passabel aussmachte.
Zwischenzeitlich kaufe ich meine Hardware auch anders ein. Beim RAM bin ich bspw. vollständig kuriert und kaufe nur noch JEDEC-konformen Speicher ohne Overvoltage, XMP oder Heatspreader. Lasse ich dadurch Performance liegen? - Sicherlich. Brauche ich diese Mehrperformance? - Definitiv nein!
Stabilität ist mir inzwischen wichtiger als alles andere.