Leserartikel Der richtige Umgang mit ESD sensitiven Komponenten

Candy_Cloud

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Da ich hier, wie in vielen Foren, immer wieder die Heizungs-Erdung als korrekten ESD-Schutz beschrieben finde, möchte ich gerne einmal kurz und knapp erklären, was wirklich richtig ist.



Inhalt:
1. Was ist ESD? Begriffsklärung.
2. Die Geschichte mit der Heizung.
3. ESD-Schutz, so geht's wirklich!
4. Quellen

1. Was ist ESD? Begriffsklärung:

ESD steht für die englische Bezeichnung Electrostatic Dischargement. Zu deutsch: Elektrostatische Entladung.

Physikalisches:
Eine elektrostatische Entladung findet immer dann statt, wenn zwei große, gegenläufige (+/-) statische Potentiale aneinander geraten oder ein größeres, gleichpoliges (+/+ bzw. -/-) Potential sich auf ein geringeres entlädt. Ein gutes Beispiel ist der Blitz.
Das Problem besteht nun darin, dass solche Entladungen schnell im Bereich >= 1kV sind. Dies ist für Halbleiterbauteile ein Problem. Denn bei immer kleiner werdenden Strukturgrößen (aktuell ca. 12nm) müssen auch die Isolatoren der Transistoren immer kleiner werden (aktuell im Bereich weniger µm). Das sorgt dafür, dass deren Durchschlagsfestigkeit immer weiter sinkt.
Das häufigste Dielektrikum ist Siliciumdioxid.

Siliciumdioxid hat eine Festigkeit von 40 Kilovolt je Millimeter, da es nichts anderes ist als reines Quarzglas.
Geht man nun von einer Dielektrikadicke von 1µm aus, so hat es noch eine Festigkeit von 40 Volt. Werden diese 40 Volt durch eine Entladung auf das Bauteil überschritten, so geht der Transistor und damit meistens der ganze Chip kaputt.

2. Die Geschichte mit der Heizung.

Nun lese ich oft in Foren, man solle sich vor dem Arbeiten mit ESD-sensitiven Komponenten an der Heizung entladen. Dieser Schritt ist leider eine Empfehlung, die physikalisch vollkommener Humbug ist! Denn in diesem Moment bringt man nur den eigenen Körper auf ein sehr niedriges statisches Potential. Das Bauteil bzw. der PC verweilt jedoch weiterhin in seinem eigenen Potential, da hier keine Anpassung erfolgt ist. Daher ist es nun sehr gut möglich, dass der PC bzw. das Bauteil sich auf den Menschen entlädt. Auch diese Entladung kann schnell größer 40 Volt sein und somit zu einem Defekt bei den Komponenten führen.

3. ESD-Schutz, so geht's wirklich!
Bei Arbeiten an einem PC ist es daher sehr wichtig, dass der PC sowie extern gelagerte Komponenten dasselbe statische Potential haben wie der Mensch, der daran arbeitet. Daher ist es zu empfehlen, ein mit dem PC Gehäuse verbundenes ESD-Armband zu tragen, welches die Ladung hochohmig abführt.



So wird der PC mit dem Menschen abgeglichen und es herrscht überall dasselbe Potential. Eine zusätzliche hochohmige Erdung kann erfolgen, ist jedoch keine Pflicht.
Generell tragen die Mitarbeiter in den Fabriken ESD-Schutzkleidung. Diese sorgt für eine ständige, hochohmige Entladung des Mitarbeiters zum Boden hin. Der Widerstand der Bekleidung muss dabei so hoch sein, dass keine schnelle Entladung entstehen kann. Hierzu gibt es die DIN EN 61340-5-1, die dieses Vorgehen und die hochohmigen Widerstände beschreibt.
Bei Arbeiten an einem Notebook ist das Anbringen eines Armbands oft schwer, da das Gehäuse häufig aus Kunststoffen besteht, welche nicht leiten. Hier empfiehlt sich daher das Arbeiten auf einer ESD-Matte, an welche ein ESD-Armband angeschlossen ist.



4. Quellen
DIN EN 61340-5-1
Angeeignetes Wissen meiner ersten Ausbildung zum Mikrotechnologen, Fachrichtung Halbleitertechnik
Von mir bereits verfasster Artikel auf Sysprofile.de

Version 1.1.0 (C) Text: Candy_Cloud - Jede Verbreitung oder Kopie bedarf der Verlinkung auf diese Seite.
Ein besonderer Dank geht an die CB User Peter_Shaw sowie webtaz für eingereichte Korrekturen am Text.


Ergänzung 1:

Wie in der Diskussion zu diesem Thema von h00bi angemerkt, es gibt vermutlich eine hohe Dunkelziffer an Schäden die durch unsachgemäße Handhabung zustande kommen.

h00bi schrieb:
Sobald man das mal verstanden hat sollte es für jeden der an fremder Hardware fummelt selbstverständlich sein das ausschließlich mit ESD Schutz zu machen. Denn der klassische Satz "ich erde mich nie und bisher ging noch nie was kaputt" ist erwiesenermaßen absoluter Blödsinn und zeugt von extremer Unwissenheit.
 
Zuletzt bearbeitet: (Rechtschreibkorrekturen - Dank an Peter_Shaw und webtaz - Ergänzung 1 Dank an h00bi)
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Ziel darf es auch sein gemeinsam das Schriftstück zu verbessern. Daher wäre es wirklich super wenn auf Kritik auch Vorschläge folgen :)

Ich möchte zu Beginn selbst anmerken, dass es mir bewusst ist das jene ESD Empfindlichkeit zuletzt nicht mehr sehr hoch war bei Computerbauteilen.
Sie ist jedoch immer noch gegeben und kann bei unbedachtem Handling durchaus noch Defekte hervorrufen.

Thema Heizungserdung:
Jaein.

Es besteht im ungünstigsten Fall, z.B. bei einem Notebook aus Kunststoff, die Gefahr das jenes Gerät selbst ein höheres Potential hat und sich so eine Komponente auf den gerade geerdeten Menschen entlädt und dabei auch einen Defekt erleidet. Viel PC Gehäuse stehen zudem auf Kunststoffüßen. Daher wäre das selbe Potential wie das Gehäuse mittels am Gehäuse befestigten ESD Armband wichtiger.

Das wichtigste ist zudem einfach der Verstand bei der Arbeit. RAM, CPU, Grafikkarten nicht an ihren Kontakten zu berühren, etc.

Und immer daran denken, der Grund fürs Problem sind die dünnen Gate-Isolierungen in den Chips die sehr geringe Durchbruchspannungen haben.


Genuch von mir, mehr von euch. :)

Grüße
Candy_Cloud
 
Zuletzt bearbeitet:
Grundsätzlich sollte man eigentlich darauf hinweisen dass es eine extrem hohe Dunkelziffer an ESD Schäden gibt.
Denn ESD muss das Bauteil nicht zwingend sofort zerstören. Es kann das Bauteil auch nachhaltig beschädigen so dass es zwar noch läuft, aber nach Monaten oder Jahren dann aufgrund dieser Entladung endgültig kaputt geht.

Sobald man das mal verstanden hat sollte es für jeden der an fremder Hardware fummelt selbstverständlich sein das ausschließlich mit ESD Schutz zu machen. Denn der klassische Satz "ich erde mich nie und bisher ging noch nie was kaputt" ist erwiesenermaßen absoluter Blödsinn und zeugt von extremer Unwissenheit.

Außerdem auch ein ganz wichtiges Grundprinzip: Ziel beim ESD Schutz ist nicht isolieren, sondern über einen hohen Widerstand langsam und sanft einen Ausgleich zu schaffen.
Viele denken z.B. ESD Werkzeug würde verhindern dass da Strom fließt. Das ist aber falsch. ESD Werkzeug sorgt genau für das Gegenteil, nämlich dass Strom fließt aber eben nur ganz wenig so dass es keinen "Schlag" gibt.


Generell tragen die Mitarbeiter in den Fabriken ESD-Schutzkleidung. Diese sorgt für eine ständige, hochohmige Entladung des Mitarbeiters zum Boden hin.

Wollte ich schon immer mal fragen: Was bringen eigentlich ESD Mäntel?
Abgeleitet wird ja über die Schuhe und den entsprechenden Bodenbelag und zum Schutz der Bauteile gibts ja noch ESD Handschuhe.
Der Mantel hat ja keinen Kontakt zum ableitenden Bodenbelag.
 
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Der Mantel sorgt denke ich mal dafür, dass du dich durch Reibung nicht auflädst.
 
Die Mäntel sind jedoch meistens aus Ployester o.Ä. da in vielen Werkstätten für Elektronik Reinraumklassen gelten. Dort darf die Kleidung nicht fusseln. Da sich jedoch Kleidung aus Kunststoff statisch aufladen kann, durchzieht man die Mäntel auch gleich mit leitfähigen Fäden.

Also ich kann da jetzt nur für meine Erfahrung sprechen. Ich hab ne Zeit in einem Halbleiterwerk in Reinraum Klasse US 1 gearbeitet. (Weniger als 1 Partikel von einer maximalen Größe von 1µm pro Kubikfuß Luft)
Man beginnt den Arbeitstag mit umziehen in einen Jogginganzug der Firma. Auch der ist schon mit ESD Schutz versehen und besteht aus Mikrofaser.
Danach zieht man sich vor dem betreten der Schleuse den Reinraumanzug über. Hier ist auch alles ESD gerecht gemacht. Selbst die Nitirlhandschuhe erfüllen ESD Vorgaben.

Okay in dem Fall ist es auch nochmal wichtiger. Denn man kommt mit unfertigen Chips in Berührung. In meinem Fall in fast jedem Stadium. Ich war damals in der Lithographie eingeteilt. Ich vermisse das gelbe Licht immer noch :D

Wichtig ist ein einheitliches Konzept das effektiv an jeder Stelle hohe statische Ladungen verhindert.

Bei fertigen PC Teilen kann man jedoch auch nach dem Prinzip "berühre nichts was blank ist" vorgehen. Also z.B. Grafikkarten nicht an ihren PCIe Kontakten anfassen. RAM nicht an seinem Anschluss und CPUs nicht an den Pins/Kontaktflächen.

Die PCB Passivierung/Lackierung hält meistens genug aus um ein Durchschlagen zu verhindern.

Dennoch ist es immer empfehlenswert beim PC am Gehäuse eine Krokodilklemme mit einem ESD Armband am anderen Ende zu befestigen und zu tragen. Das Teil kostet einen effektiv keine 5€ und kann Schäden zu 500-1000€ verhindern.
 
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Jop, das mit den Mänteln wurde mir mittlerweile erklärt.
Da man ja über die Schuhe hochohmig ableitet dauert es einen kurzen Augenblick bis eine elektrostatische Aufladung wieder abgeleitet ist. In dieser Zeit besteht natürlich wieder ein kleines Risiko.
Der Mantel dient in der Tat nur dazu Aufladung zu verhindern, mit der Ableitung hat er nix zu tun.
 
Ja es dauert einen Moment.
An den Eingängen zu manchen Werkstätten stehen sogar Prüfgeräte ob der Wert stimmt. Die Schranke geht nur auf, wenn der Wert im Zielbereich liegt.
 
h00bi schrieb:
Grundsätzlich sollte man eigentlich darauf hinweisen dass es eine extrem hohe Dunkelziffer an ESD Schäden gibt.
Denn ESD muss das Bauteil nicht zwingend sofort zerstören. Es kann das Bauteil auch nachhaltig beschädigen so dass es zwar noch läuft, aber nach Monaten oder Jahren dann aufgrund dieser Entladung endgültig kaputt geht.
Wenns jahrelang läuft isses doch kein Problem
 
Ich grabe den Thread mal aus:

  • Bringen diese Gummi-Einweghandschuhe beim PC-Zusammenbau eigentlich was?
  • Wenn ich mein Gehäuse von außen berühre, riskiere ich dann ebenfalls eine Entladung?
  • Läss sich eine nachhaltige Beschädigung durch ESD herausfinden?
  • Wann ist das "Potential" von PC-Teilen am Größten? Haben einige PC-Teile mehr Potential als andere?
  • Lohnt es sich, das einzubauende Teil bspw. mit einer Folie anzuheben und an die Heizung zu halten, um es zu entladen?

Hab mich auch jahreland an den Heizungstrick gehalten, bei den letzten Builds auch in Kombination mit Gummihandschuhen benutzt.
 
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EKD schrieb:
Ich grabe den Thread mal aus:

  • Bringen diese Gummi-Einweghandschuhe beim PC-Zusammenbau eigentlich was?
  • Wenn ich mein Gehäuse von außen berühre, riskiere ich dann ebenfalls eine Entladung?
  • Läss sich eine nachhaltige Beschädigung durch ESD herausfinden?
  • Wann ist das "Potential" von PC-Teilen am Größten? Haben einige PC-Teile mehr Potential als andere?
  • Lohnt es sich, das einzubauende Teil bspw. mit einer Folie anzuheben und an die Heizung zu halten, um es zu entladen?

Hab mich auch jahreland an den Heizungstrick gehalten, bei den letzten Builds auch in Kombination mit Gummihandschuhen benutzt.
Würde mich auch Mal interessieren...

Sehe ich das richtig, als ESD Sensitiv gelten alle Hardwarekomponenten des PCs? Auf meinem Gigabyte Meinboard beispielsweise steht "Überspannungsschutz" drauf. Bezieht sich das auch auf diesen Fall oder wirklich eher auf sowas wie Blitzschlag ins Haus?
 
der heizungstrick reicht meistens. kommt am ende das selbe raus wie mit Armband.
alle Heizungen müssen nämlich mit "erde" verbunden werden(ist allerdings nicht immer der fall^^)

wer ganz sicher gehen will trägt ein Armband mit entsprechendem anschluss (für Steckdosen z.b.)
kann ja durchaus sein, dass man sich zwischendurch (stuhl mit stofflehne oder sitzfläche z.b.) wieder auflädt.

der Überspannungsschutz bei Gigabyte soll tatsächlich auch gegen Blitzeinschlag helfen.
https://www.gigabyte.com/fileupload/at/microsite/364/images/safe.html
bezweifle ich allerdings ein wenig ^^
 
Edit
Sorry fürs ausbudeln, hat sich erledigt.
 
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