Djindjic erschossen - Folgen für den Balkan?

Bajaga

Cadet 1st Year
Registriert
März 2003
Beiträge
10
Wie mittlerweile wohl die meisten wissen, wurde heute Mittag der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic erschossen.

Djindjic galt als der führende Reformpolitiker Serbiens, war aber innenpolitisch sehr umstritten.

nun meine Fragen an euch:

Was glaubt Ihr werden die Auswirkungen dieses Attentats sein?

Wer wird eventuell Nachfolger von Djindjic?
Werden die Nationalisten wieder verstärkt Einfluß auf die serbische Politik bekommen?
Beginnt für den Balkan eine neue Phase politischer Instabilität?
Wird es möglicherweise erneut kriegerische Auseinandersetzungen geben?
Welche wirtschaftlichen Auswirkungen des Attentats sind wohl zu erwarten?


Könnte man dieses Attenat als Folge des Kosovo-Krieges betrachten und damit als Beispiel gescheiterter (Nach-)Kriegspolitik der Nato betrachten?
 
Ich glaube nicht, dass man es als Beispiel gescheiterter Nato-Nachkriegspolitik ansehen sollte, es gibt in jedem Land Menschen die den Regierungschef nicht mögen - in Jugoslawien waren diese Menschen eben dazu bereit ihn zu töten - das hätte die Nato nicht verhindern können.

Nachfolger wird hoffentlich jemand, der ähnliche Ansichten hat, wie Djindjic sie hatte. Ob die Nationalisten wieder mehr Einfluss auf die Politik kriegen, kann man zu diesem Zeitpunkt imo noch nicht sagen. Politische Instabilität befürchte ich nicht, ebensowenig wie neue kriegerische Auseinandersetzungen - ob ich damit recht habe, wird sich zeigen (überhaupt kann man noch nichts genau sagen, weil es noch zu wenig Reaktionen gibt). Wirtschaftliche Auswirkungen könnte (!) es geben, weil es nicht unbedingt für ein Land spricht, wenn plötzlich der Regierungschef ermordet wird (Unsicherheit bei Handelspartnern könnte ich gut verstehen).

Mehr kann und will ich im Moment nicht sagen, man sollte ein paar Tage abwarten - aber ich werde auf jeden Fall noch genauer werden. ;)

mfg
 
Er war derjenige, der das letzte kommunistische Regime in Europa abgelöst hat und daher nicht sehr beliebt war. Zudem war er Kämpfer gegen Korruption und für die Demokratie, womit er sich ebenfalls viele Feinde machte.
Djindjic hat versucht sich dem Westen anzunähern und Stabilität in die Region zu bringen, was er auch geschafft hat. Er war ausschlaggebend für den Sturz von Milosevic. :)

Mit Djindjic ist nun einer der wenigen vernünfitgen Politiker aus dem nahen Osten gestorben.

Man kann nur hoffen, dass dieser Zwischenfall die aktuelle "Ruhe" nicht stört und die Kacke da unten nicht wieder am dampfen ist. Sonst macht Osteuropa wieder einen Rückschritt. :(

mfg Tweaki4k
 
Original erstellt von Bajaga
Was glaubt Ihr werden die Auswirkungen dieses Attentats sein?
Imho ist er nicht zu ersetzen - daher fällt Serbien auf dem Weg nach Mitteleuropa ein gewaltiges Stück zurück. Falls die alten Nationalisten/Sozialisten die Gelegenheit nutzen, wieder an´s Ruder zu kommen, geht die Reise sogar in die Gegenrichtung.
Wer wird eventuell Nachfolger von Djindjic?
Keine Ahnung, und siehe oben.
Werden die Nationalisten wieder verstärkt Einfluß auf die serbische Politik bekommen?
Das steht zu befürchten.
Beginnt für den Balkan eine neue Phase politischer Instabilität?
Das wäre dann die Konsequenz.
Wird es möglicherweise erneut kriegerische Auseinandersetzungen geben?
Als extreme Konsequenz sicherlich nicht auszuschließen.
Welche wirtschaftlichen Auswirkungen des Attentats sind wohl zu erwarten?
Wenn die durch Deine Fragen vorgezeichnete Entwicklung wie dargestellt eintritt, wird Serbien wieder isoliert, mit katastrophalen wirtschaftlichen Folgen. Die Nachbarländer werden auch beinträchtigt. Für uns sind die wirtschaftlichen Einschnitte wahrscheinlich eher gering.
Könnte man dieses Attenat als Folge des Kosovo-Krieges betrachten und damit als Beispiel gescheiterter (Nach-)Kriegspolitik der Nato betrachten?
Ohne den Kosovo-Krieg wäre Milosevic nicht so geschwächt worden, daß er später vom serbischen Volk gestürzt werden konnte. Djindjic wäre nicht Ministerpräsident geworden und daher auch nicht als solcher ermordet worden. So - und nur so - gesehen kann man Deine Frage mit "Ja" beantworten. Anders gesehen halte ich diese Frage in diesem Zusammenhang für reichlich daneben. Ohne die NATO und den Kosovo-Krieg (übrigens ohne UN-Mandat!) hätte Serbien die Chance der letzten paar Jahre, sich zu einem ganz normalen Land in Europa zu entwickeln, nie gehabt.

Ciao, Tiguar
 
ich denke, dass mit der gescheiterten Politik der Nato sollte ich nochmal genauer erörtern....

Djindjic war während des Kosovokrieges der Gegenspieler von Milosevic und wurde von der Nato und den USA unterstützt... bei den ersten Wahlen hat er das Land geeint und die Regierung übernommen.

Aber dann kam meiner Meinung nach der Fehler, den die Nato/ Uno begangen hat... sie haben es versäumt, die Menschen in Jugoslawien dazu zu bringen, sich als 'befreit' zu betrachten. Denen schwebt bei dem Gedanken an die USA und ie Nato immer noch die zerstörten Brücken und ausgebombten Häuser im Kopf rum ( ist ja auch irgendwo verständlich..)
Aber statt die Menschen positiver zu stimmen haben sie Djindjic dazu gezwungen, Milosevic an Den Haag auszuliefern. Sie haben ihm ja quasi die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt: "Entweder Milosevic oder du kriegst keine Kredite"

Und das Djindjic dann die in Serbien unpopuläre Entscheidung treffen musste, Milosevic auszuliefern, hat ihm eine ganze Menge Feinde gemacht. (Es ist mir auch immer noch nicht klar, warum milosevic nicht vor einem jugoslawischen Gericht nach jugoslawischem Recht verurteilt wurde - das Urteil würde bestimmt nicht viel anders aussehen, als in Den Haag)

Und die Feinde, die Djindjic sich mit dieser und anderen Entscheidungen gemacht hat, haben nun zurückgeschlagen und den weiteren Ausbau der Demokratie und der Wiederingliederung in Europa zumindest vorrübergehend zunichte gemacht (siehe Bildung der gemeinsamen Regierung von Serbien und Montenegro)

Ich hoffe mal, dass dies Frage nun nachvollziehbarer ist und nicht zu Missverständnissen führt...

Denn dass Jugoslawien ohne den kosovokireg nicht zu dem Staat geworden wäre, der es heute ist, ist ja wohl klar..
 
Zuletzt bearbeitet:
Soweit ich gehört habe, hat das Attentat auf Djindjic nicht unbedingt einen politischen Hintergrund!!!
Djindjic soll sehr enge Kontakte zur Belgrader Mafia gehabt haben! Man vermutet auch in diesen Kreisen die Attentäter!


Greez
Booster88
 
@Booster:

Soweit ich das gehört habe, hatte er keine engen Kontakte zu Mafia sondern wollte ihre Macht mittels Rechtsstaatlichkeit beschneiden ... was die ihm wohl übelgenommen haben - und dass er von politischen Gegnern ermordet wurde, habe ich lediglich daruas geschlossen, dass ja morgen dieses Parlamentstreffen von Montenegro und Serbien stattfiunden sollte, bei dem die neue gemeinsame Regierung gebildet werden sollte.

Von daher wäre das heute ein guter Tag für einen politisch motivierten Mord gewesen, denn dass das Treffen dann abgesagt würde, ist ja nur logisch...


@Tiguar

ich hätte nicht geglaubt, dass es tatsächlich jemandem möglich ist, meine Fragen mit so einsilbigen Sätzen zu beantworten und daraus einen so langen Thread zu machen.
Ich wäre für eine ausführlichere und detailiertere Beantwortung. Danke!

Und zu der Nato-Frage die du so unglaublich 'daneben' (bitte erörtere das nocheinmal) fandest :

Wie du sicherlich selbst erkannt hast, steht im meinem Thread diese Frage etwas abseits und ist im Konjunktiv formuliert - und das hat tätsächlich auch einen Grund!
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Bajaga
Ich hab mir das auch nicht aus meiner Nase gesaugt, sondern in den 18 Uhr Nachrichten des SWR3 gehört! - Mehr kann ich dazu nicht sagen.
 
im moment sagt eh jeder fernseh und radiosender was anderes ... die ard sagt, dass er gegen die Mafia gearbeitet hat... der swr3 sieht das wohl anders ... wer weiß, wie es wirklich ist ;-)
 
Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher dass das ein Attentat mit politischen Hintergrund war.

An die Frage mit den Nachfolger:
Unklar, da Serbien noch über keine ausgeprägte Demokratie verfügt, entscheidet meiner Meinung nach nicht das Volk, sondern das dem Kanzleramt entsprechende politische Organ über die Nachfolge. Im Falle einer Wahl bleibt diese leider nicht unmanipuliert...

Ich mache mir Sorgen, um die Demokratie, die ohnehin schon in den Kinderschuhen steckt(e) !
 
Als ich diese Nachricht gelesen habe, war ich wirklich sehr geschockt. Auch wenn seine politsche Vorgehensweise teilweise sehr schmerzhaft für den alten politischen Kader und gewisse Gruppierungen in Serbien war, hatte dieser Mann, den ich auch seiner guten Deutschkenntnisse wegen gerne im Fernsehen gesehen habe, eine Vision: Die Annäherung seines neu vereinten Landes an die Europäische Union und damit auch ein Neuanfang für einen Teil des ehemaligen Vielvölkerstaates Jugoslawien. Ich hoffe dieser Gedanke wird auch in Zunkunft in die Tat umgesetzt von anderen fähigen Politikern.
Mit Bestürzung wurde mir allerdings auch wieder bewusst, was für große Probleme es immernoch auf dem europäischen Kontinent gibt und wie schnell ich eigentlich die Balkankriege vergessen habe, wo diese Region in der Relation gesehen fast vor meiner Haustür liegt im Gegensatz zu dem Irak, dessen aktuelle Situation, Geschichte und mögliche politische Zukunft mich z. Zt. beschäftigt.

und noch eine kleine Anmerkung:
der Balkan gehört geografisch gesehen nicht zum Nahen Osten und deshalb ist Djindjic nur ein vernünftiger Politiker aus dem Balkan gewesen. Das hatte hier jemand ausversehen falsch dargestellt.

PS: so einen Politiker hätte der Nahe Osten allerdings wirklich mal nötig. hm, besser eine ganze Horde solcher Politiker
 
@Bajaga: Sorry für die Einsilbigkeit, aber ich habe im Moment meine rechte Hand in einer Schiene und daher fällt mir das Tippen etwas schwer.

Auch aus diesem Grund gebe ich Dir hier einen Link zu einem Artikel des Spiegel, der sich mit meiner Einschätzung deckt. Meine Befürchtung ist die, daß mit dem Tod der Symbolfigur des demokratischen Aufbruchs in Serbien die demokratische Entwicklung insgesamt in Gefahr ist. Ein möglicher Nachfolger, der ähnliches leisten könnte wie Djindjic, ist mir jedenfalls nicht bekannt. Und falls die alten Kader die Gelegenheit nutzen, wieder an die Macht zu kommen, sehe ich relativ schwarz für Serbien, da diese Leute im letzten Jahrzehnt zu Genüge bewiesen haben, wozu sie fähig sind. Und das strahlt dann natürlich auch auf den Balkan, insbesondere auf Bosnien-Herzegowina aus, wo die serbische Teilrepublik ja auch erst Ruhe gegeben hat, als die Unterstützung aus Belgrad eingestellt wurde. Das Pulverfaß ist doch immer noch da, lediglich die Lunte daran ist 1999 und in den Jahren danach ausgetreten worden.

Ob es jetzt die Mafia oder die Milosevic-Clique das Attentat verübt hat, ist dabei imho zweitrangig, da sich beide Gruppen in der Vergangenheit so gut verstanden haben, daß man sie durchaus in einen Topf werfen kann.

Zur NATO-Politik: Ich hatte Deine Frage so (miß)verstanden, daß letztlich der Kosovo-Krieg der Auslöser für die Ermordung Djindjics gewesen sein sollte. Da diese Ansicht imho die Realitäten völlig umkrempelt, habe ich entsprechend geantwortet.

Im Zusammenhang vor allem mit dem Druck, der zur Auslieferung Milosevics an das Haager Kriegsverbrechertribunal führte, kann man natürlich geteilter Auffassung sein. Djindjic hat sich dadurch bei den Nationalisten nicht beliebt gemacht, im Gegenteil. Aber der Bruch vor allem mit Kostunica, seinem alten Freund und späteren Gegner, wurde dadurch nicht erst ausgelöst, sondern lediglich vertieft, da die Entfremdung schon wesenlich früher - nämlich unmittelbar nach dem Sturz Milosevics und damit nach dem Wegfall der das Reformbündnis zusammenhaltenden Klammer - eingesetzt hat.

Es ging aber auch aus westlicher Sicht darum, ein Zeichen zu setzen, daß es so etwas wie Reformen "light", bei denen man die Handlanger vor allem aus Bosnien aburteilt, den Hauptverantwortichen für 10 Jahre Krieg und Terror auf dem Balkan aber laufen läßt, nicht geben kann.

Attentatsversuche auf Djindjic hat es übrigens auch vor der Auslieferung Milosevics schon gegeben. Daher halte ich die westliche Nachkriegspolitik gegenüber Serbien nicht für die Ursache der Ermordung Djindjics.

Vielmehr ist er nach meiner Meinung letztlich zu vielen Leuten zu unbequem geworden. Dazu zählen natürlich die Nationalisten, die immer noch von einem serbischen Großreich träumen und Djindjic nie verziehen haben, daß er sich 1999 während des Kosovo-Kriegs nach Montenegro abgesetzt hat. Oder eben auch die Mafia mit unscharfer Trennlinie.

CU, Tiguar
 
Original erstellt von Tiguar
ich habe im Moment meine rechte Hand in einer Schiene

Na dann erstmal gute Besserung! :)

Ich habe im Moment noch die Hoffnung, dass sich der Kurs Serbiens nicht grundlegend verändern wird - zumindest der große Optimist in mir sieht dies so. Der starke Realist will noch nichts sagen, weil der Zeitpunkt seiner Meinung nach einfach noch zu früh ist - er wird sich aber auch bald melden. ;)

p.s.: Nein, ich bin nicht schizophren... :lol: :p

mfg
 
Zurück
Oben