Qualitäts-PC
Cadet 2nd Year
- Registriert
- Dez. 2010
- Beiträge
- 23
Vorwort – Unterschied zu David Gilmour Live in Gdansk
Ich muss zu Beginn erwähnen, dass ich (leider) zuerst die Live in Gdansk DVD und dann die Remember That Night Blu-Ray (Kurz R.T.N.) geguckt habe, sodass bei mir nach erstmaligem Hören des Konzertes aus der Royal Albert Hall letztendlich ein kleines bisschen Ernüchterung eintrat, da das Abschlusskonzert seiner On an Island Tour (2006) in Danzig (musikalisch) einfach genial(er) ist und ich mich durch häufiges Hören quasi daran gewöhnt habe: Wenn man einmal eine atemberaubende, weltklasse Performance abgeliefert hat, so erwarten naturgemäß (alle) die gleiche Leistung immer wieder (wenn auch häufig unbewusst) – so auch ich. Wenn wir uns des Wein-Bildes bedienen, finde ich bei R.T. N. etwas Essig im Wein, ich würde das Konzert mit AA+ (zweithöchste „Musik-Bonität“) und Gdansk mit Triple A (höchste „Musik-Bonität“) bewerten. So Leid es mir tut, Remember That Night erreicht die Genialität des Gdansk-Konzertes nicht. Auch wenn es musikalisch leicht abfällt, so haben wir es hier trotzdem mit einer Musik-Perle zu tun, die insgesamt aufgrund seiner Soli zwar nicht die musikalisch höchste Vollendung wie in Gdansk darstellt, jedoch nach mehrmaligem Hören (bei gleichzeitigem „verblassen“ der „Gdansk-Hörerfahrung“) nicht mit hervorragender, sondern brillanter Rockmusik zu begeistern weiß: Ästhetisch, optisch, musikalisch auf „höchstem“ Niveau (heutzutage inflationär gebraucht, evtl. wegen Jogi! J). Ein Großteil der Songs dieses Konzerts sind die gleichen wie in Gdansk, aber auch wenn die gleiche Musik dargeboten wird, so ist doch meistens jede Aufführung immer wieder anders – so auf jeden Fall bei Gilmour. Gerade beim Danziger Abschlusskonzert seiner Tournee hat er ALLE Titel anders, mit mehr Ecken und Kanten, souveräner, druckvoller, roher, rauer, schöner gespielt und zwar zur absoluten Perfektion. Beide historische Konzerte haben unterschiedliche Klangeigenschaften, Gdansk ist u.a. wegen der Open-Air-Akustik/Atmosphäre ein must have und London u.a. aufgrund des HD-Tons/Bildes und einiger nicht in Gdansk gespielten Songs. Unabhängig davon wie ich nun R.T. N. qualitativ einordne, ist es für die meisten Hörer, insbesondere für die die noch nie selbst musiziert haben, kaum nachzuvollziehen, wie schwer es ist, auf den Punkt genau das abzurufen was man jahrelang eingeübt oder versucht hat bis zur Perfektion einzuüben. Deshalb ist meine Kritik „meckern auf hohem Niveau“ und so rate ich, trotz der überwiegend fast gleichen Tracks, zum Kauf beider Versionen.
Bestimmte Musik, genauer gesagt Musik, die bestimmte emotionale Regungen in uns hervorruft oder uns am meistens berührt, ist für die Meisten schwer in Worte zu fassen. Bei Musik, die wir überhaupt nicht leiden können, fällt es uns da schon leichter. Da ich Gilmour (bzw. Pink Floyd) über alles liebe, fällt es mir nicht leicht, meine Begeisterung angemessen in Worten auszudrücken. Einige mögen hinsichtlich solcher Musikrezensionen der Prämisse „in der Kürze liegt die Würze“ nachgehen, jedoch würde meines Erachtens dieses Gilmours Musik überhaupt nicht gerecht werden. Ich kann meine entstehenden Gefühle nicht in ein paar Worthülsen packen. Man könnte jetzt natürlich anmerken, dass Musik grundsätzlich nicht in Worte zu fassen ist – stimmt, ab einem gewissen Punkt ist dies auch nicht mehr möglich, aber den muss man auszureizen versuchen, ohne dabei, wie häufig bei Kritiken in der „E-Musik“, in pseudointellektuelles Geschwafel zu verfallen.
Pink Floyd spielten 1968 in der Royal Albert Hall. Während der Aufführung von A Saucerful of Secrets feuerten sie zwei Waterloo-Kanonen ab. Daraufhin bekamen sie lebenslänglich Hausverbot. Jedoch durften Richard Wright und David Gimour (38 Jahre später!) im Rahmen seiner On an Island-Tournee 2006 wieder in der Royal Albert Hall spielen. Richard Wright erzählte Gavin Elder: “It brings back a lot of memories. I actually played ‘A Saucerful of Secrets’ on the Royal Albert Hall organ and I was thinking today, can I try and get back on the Albert Hall organ?”
Laut Gilmour ist ein Thema seines gesamten dritten Solo-Albums die Sterblichkeit, und Wasser ist ein Motiv, welches sich ebenfalls stark durch dieses Album zieht. Für ihn ist es sein bestes Album seit 30 Jahren. Der Song This Heaven z.B. soll Gilmours Atheismus wiedergeben: „Es gibt ein Element des Ausdrucks von Resignation in diesem Lied. Es preist die Vorzüge des Lebens im Augenblick und die Akzeptanz deiner Sterblichkeit. Vielleicht komme ich der Unsterblichkeit am nächsten durch Dark Side of the Moon. Ich denke, dass die Aufnahme doch noch für eine Weile gespielt werden wird.“
“I’m just getting so much pleasure out of this tour, I really am. It’s revitalized my whole love of going on stage.” (Richard Wright)
Mit dem Zusammenschnitt von Gilmours drei Mai Konzerten 2006 in der Albert Hall zu Remember That Night ist ein in der Tat ein für die Ewigkeit denkwürdiges Ereignis auf Blu-Ray festgehalten worden.
“It’s probably the most fun, most professional and easiest tour I’ve ever done in my life.” (Richard Wright)
Das Lichtdesign von Marc Brickman
Marc Brickman arbeitet seit ca. 1979 Jahren erfolgreich für Pink Floyd. Jeder kennt sein geniales Licht vom PULSE Konzert im Earls Court. Das Lichtdesign und die Konzerte der On an Island Tour sind persönlicher, intimer als PULSE. Gilmour wollte nach eigener Aussage auch ein intimes Licht, getroffen hätte man sich in der Mitte. Hier beweist mein Lieblings-Lichtdesigner Brickman abermals sein außergewöhnliches Fingerspitzengefühl für dramaturgisch perfekte Lichtregie zur perfekten Unterstützung der Musik. Lighting Genius Brickman, wie Gilmour prägnant bemerkte, schafft es praktisch mit jeder Lichtstimmung, die Akteure ins rechte Licht zu setzen. Für die drei Albert Hall Konzerte wurde im Vergleich zur ganzen Tour, mit Ausnahme des Saals, kein zusätzliches Lichtequipment eingesetzt. Die nicht immer überzeugende Saalbeleuchtung ist dann aber auch mein einziger Kritikpunkt an seiner Arbeit. Da wird manchmal, mit blauen und gelben Lichtstrahlen gemischt, unsymmetrisch der Saal ausgeleuchtet und am Ende von einigen Musikstücken nicht mit dem Black Out der Bühnenbeleuchtung der Saal verdunkelt sondern „aufgerissen“, damit der Filmregisseur ein Bild zeigen kann. Hier wäre jedoch – neben einer besseren Lichtgestaltung für das Publikum – ein kurzer (!) totaler Black Out besser gewesen.
Wie man anhand der Videos auf Youtube entnehmen kann, hat Brickman anscheinend während der gesamten On an Island Tour sein Lichtkonzept variiert, so auch im direkten Vergleich R.T.N. und Live in Gdansk zu erkennen. Bei Echoes in Venedig ist sogar die Anlage ausgefallen. Nicht nur ich bin von der außergewöhnlichen Lichtgestaltung begeistert, der Titel eines Artikels von „The Telegraph“ bezieht sich sogar auf das Licht: „Brilliant illuminations and shining guest stars“ – das soll was heißen. Brickman scheint auch jemand zu sein, der sich, wie Werner Haider auf pulse-and-spirit berichtete, auch voller Hingabe seiner künstlerischen Arbeit widmet: „Eine Person beim Mischpult beeindruckte mich besonders, Marc Brickman. Es gab kaum einen Moment während des Konzertes, an dem er ruhig sitzen blieb. Er dirigiert richtiggehend das Licht von seinem Platz aus. Ständig bewegt er sich, hob und streckte seine Arme in Richtung Bühne. Und das immer schön synchron zur Musik.“ („Nick Mason spielt Comfortably Numb mit Gilmour & Wright in der Royal Albert Hall“, Artikel vom 31.05.2006). Man kann sich jetzt fragen, warum er hier so ausgiebig erwähnt wird: Auch wenn er nicht als Musiker performte, so trug er doch (als wichtiger Teil einer großen Produktion / Tournee) maßgeblich zur außergewöhnlichen Atmosphäre bei und stand mit seiner faszinierenden Lichtgestaltung bildlich gesprochen mit auf der Bühne. Des Weiteren ist diese Lichtgestaltung als Alleinstellungsmerkmal zu sehen. Man sagt sich zwar später: ist ja eigentlich nicht so schwer aber bis dato ist – wie so häufig bei (einfachen) genialen Ideen - keiner darauf gekommen: Im wahrsten Sinne des Wortes einfach genial!
Musik par excellence – Ablauf des Konzerts (Concert Disc 1)
Hinsichtlich der Auswahl der Musikstücke ist der Beginn des Konzerts, der unvergesslichen Nacht so wie in Danzig, wurde dort aber aufgrund von angeblichen Tonproblemen (oder doch Platzproblemen, dürfte auf hoffentlich irgendwann veröffentlichte Blu-Ray kein Problem sein) nicht auf die Gdansk-DVD gepresst. Die fehlenden Tracks sind aber ganz legal auf Gilmours offizieller Internetpräsenz & auf seinem offiziellen Youtube-Kanal zu finden. Auf der R.T. N. Blu-Ray ist mit Speak To Me, Breathe, Time, Breathe Reprise glücklicherweise der Original-Verlauf gespeichert. Im Vergleich zur Danziger Version klanglich etwas dünner (etwas schlechter - wobei schlecht bei dieser Performance fehl am Platze wäre), Gilmours Slide-Gitarre ist hier auch leider nicht so dominant abgemischt. (Aber) wenn ich dann Gilmour trotzt seines Alter (60) „All you touch and all you see is all your life will ever be” so kraftvoll singen höre, dann weiß ich wieder, dann wird mir wieder bewusst, dass das der Soundtrack meines Lebens ist, das ist warum ich Pink Floyd & Gilmour so über alles liebe. Nach dieser Einleitung mit den drei Titeln von Dark Side of the Moon erklingen nun die Songs der „Rotwein-Platte“ (Michael Loesl, die Welt vom 15.09.2007) On an Island und die musikalische Reise auf die Insel kann beginnen.
Der Opener Castellorizon (quasi ein Instrumental oder Gitarren-Solo) beginnt mit einem Klangarrangement, welches aus verschiedenen Klängen verschiedener Tracks des Albums besteht & damit im Prinzip die Funktion wie die Ouvertüre einer Oper erfüllt (eine musikalische Zusammenfassung des Kommenden). Die Performance dieses Tracks inklusive des perfekt choreographierten Lichtdesigns kann mit „Understatement-Pathos“ (aber nicht pathetisch), mit entstehender Erhabenheit beschrieben werden, musikalisch gesehen sozusagen auf den Punkt: Gerade dieses erwähnte Klangarrangement & das flackernde Licht erzeugen eine stetig wachsende Spannung, eine auf etwas Zukünftiges gerichtete erregte Erwartung & Neugier – das Publikum & das Gejohle (vereinzelte euphorische Schreie) erwartetet Gilmour fast schon mit kindlicher Ungeduld. Die Bühne ist im Nebel und flackerndem Licht nur noch schemenhaft zu erkennen, im alterwürdigen Saal der Royal Albert Hall entsteht schnell eine ungeheure, knisternde Spannung und erreicht ihren Höhepunkt mit Gilmours ersten Tönen & dem ihn exakt treffenden Lichtstrahl (wie ein Vorhang öffnet sich ein Lichtstrahl über „The Voice and Guitar of Pink Floyd“) und wirkt gewissermaßen wie eine Entladung, um am Ende dann in den Titelsong On an Island überzugehen. Bei entsprechend eingestellter Lautstärke und einer einigermaßen qualitativ hochwertigen Anlage entfaltet Castellorizon eine Wucht im Raum, eine Euphorie & Ergriffenheit, die ihresgleichen sucht. (Übrigens Nicht umsonst wurde Castellorizon für die Kategorie Best Rock Instrumental Performance anlässlich der 49. Grammy Awards nominiert, ebenso nominiert wurde der Song in der gleichen Kategorie bei den 51. Grammy Awards für Gilmours Aufführung in Danzig (auf dem Live In Gdansk Album). Bereits zu Beginn des Konzertes in der Royal Albert Hall zeigt mein herausragender Lieblings-Lichtdesigner Brickman sein außergewöhnliches Gespür für (dramaturgisch) einwandfreies Lichtdesign zur perfekten Unterstützung der Musik, welches die entstehenden Emotionen der Musik verstärkt / unterstützt. Man könnte sagen, er „visualisiert“ (bis zu einem gewissen Grad) die Emotionen, die beim Hören dieser fantastischen Musik entstehen, dadurch ist man der Magie ein großes Stück näher gekommen. Inspirieren lassen hat Gilmour sich von einer Nacht, die er auf der griechischen Insel Kastelorizo (ital. Castelrosso, rote Festung) 1993 mit einigen Freunden, seiner Frau Polly Samson (die ein Großteil der Songtexte zu On an Island geschrieben hat), den Komponisten Michael Kamen & Tony Howard – beide inzwischen verstorben – verbracht hatte. Gilmour zufolge hatten sie einen besonderen Abend gehabt und als sie zu viel tranken, gingen sie mitten in der Nacht auf der Insel herum und sprachen über Leben und Tod, die Ewigkeit und die Sterne – diese Erinnerungen möchte er bewahren.
Der nachfolgende zu Castellorizon gehörende sinnliche & glasklare Track On an Island hört sich genauso wunderbar verträumt & genial an wie in Danzig – mit geschlossenen Augen singt Gilmour warm & innig „Remember That Night…“, dazu begleiten ihn Crosby & Nash und das Solo am Schluss ist Gilmour-typisch mal wieder einzigartig! Traumwandlerisch gleitet man zwischen Sternen, Meer und Küste: „Let the Night surround you, we’re halfway to the stars, ebb and flow, let it go, feel her warmth beside you” und dann dieses Solo – Wahnsinn! Man würde am liebsten beide Versionen (London und Danzig) zu einem Solo zusammen haben. Ganz entspannt erzählt Gilmour (als, wie er sich selbst bezeichnet, gitarrenspielender Familienmensch), dass es im Titeltrack darum geht, wie Freunde nach dem Tod in unserer Erinnerung (weiter-) leben (“It’s about how friends live on in your memories after they’re gone.”, RIP Richard Wright).
Ganz entspannt, ruhig & besänftigend erklingt dann auch das melancholische The Blue. Weich & geschmeidig gleiten seine Finger über den Gitarrenhals während der unterstützende blaue Laser die Farbe des Tracks in die Luft malt. Am Schluss fällt ein Lichtstrahl auf Gilmours Griffbrett und erhellt die magisch schwingenden Saiten. The Blue ist laut Gilmour eines von den Liedern, deren Sound und Rhythmus sehr ans Meer erinnern und die den Rhythmus des Meeres haben.
Bei Red Sky At Night, einem eher traurigen, schwermütigem & nachdenklich gestimmten Lied, dürfen wir ihn am Saxophon erleben – ein Multiinstrumentalist.
Mit Gilmour an seiner Les Paul wird nun This Heaven als klassischer Blues performt. Mit Wrights anfänglich etwas dominanterer Hammond-Orgel, in Gdansk zwar überragend, dennoch kommt auch diese Version wie ein sprudelndes Genussgetränk daher (“Live is much more than money buys – When I see the faith in my children eyes“). Gilmour sagt, dass dies ein Song über das Glück in seinem Leben ist – man hört es.
Bei dem ruhigen und schön sanft dahinplätschernden Instrumental Then I Close My Eyes darf man die Augen schließen, dem anfänglichen Meeresrauschen lauschen, sich Treiben lassen und sich dem Gefühlhingeben, dass die Zeit scheinbar gedehnt wird. Musik liegt in der Luft – wie eine frische Inselbrise genießt man sie mit tiefen Atemzügen. Robert Wyatt, den ich bis dato nur von der David Gilmour in Concert DVD kannte, fügt sich mit seinem Kornett in den Solopart gut ein und hinterlässt nicht so einen schwachen Eindruck wie auf der genannten DVD, setzt aber auch hier keine bleibende musikalische Duftmarke.
Obwohl die Royal Albert Hall eine sehr große Konzerthalle mit einem großen Publikum ist, so ist es doch ein intimes, warmherziges Rock-Konzert. Das merkt man insbesondere bei dem nun folgenden schnörkellosen & beruhigend Song Smile. Er verfehlt seine Wirkung nicht und Gilmour in sich ruhend bringt das letzte Eis zum schmelzen („To find my way home to your smile“).
Mit weit geöffneten Augen darf man das darauf folgende psychedelische, anarchische Sound- und Lichtgewitter Take a Breath hören und sehen, so als ob man den Strom musikalisch hörbar (& sichtbar) gemacht hat. Der gesamte Saal erstrahlt zu Beginn im grellen Stroboskoplicht, und im weiteren Verlauf intensivieren Lichtexplosionen auf der Bühne die ekstatische Wirkung der Musik – so muss Strom klingen! Beim Verklingen von Take a Breath erhellen wieder Lichtblitze den Saal & Gilmour kommt immer mehr in Fahrt. Das Publikum belohnt dies mit lautstarkem Applaus.
Ein sich entfaltender Laser eröffnet gewissermaßen das poetisch anmutende A Pocketful of Stones – wunderbar fast schon lyrisch würdevoll, ruhig, gefühlvoll-weich & erhaben vorgetragen. Mit dem Verklingen der letzen Noten beendet der sich schließende Laser das Lied auch wieder. Ich bin mir sicher, dass diese raffinierte Idee (der Laser) so eine starke (emotionale) Wirkung entfaltet bzw. so perfekt auf diesen Track abgestimmt ist, sodass das (ganz ergriffene) Publikum das Ende nicht zerklatscht, sondern damit bis zum endgültigen Verklingen und gleichzeitigem Erlöschen des Lasers wartet. Wie gebannt schaut man auf diesen Laser, der Musik fast schon andachtsvoll lauschend. Dieser lichtdramaturgische Verlauf ist sensationell. Die poetische Melodie, der fast schon meditativ wirkende Ballade, scheint (dadurch) im Raum zu schweben, aber dennoch wird das gewisse innewohnende Drama so gefühlvoll entfaltet, sodass man dieser Musik mehr als „nur“ einen stimmungs- und gefühlsbetonten Charakter zusprechen muss. A Pocketful of Stones ist fast schon eine unergründlich philosophische Vertonung von Poesie mit maximaler musikalischer Ausdruckskraft.
Mit Gilmours Strandspaziergang in den Sonnenuntergang („The Sun sinks slow“) endet seine wohltuende musikalische On an Island-Reise – Where We Start dringt nun in die Ohren und streichelt sanft unsere akustischen Haarsinneszellen, wie Wellness und Balsam für die Seele. Sehnsuchtsvoll & wehmütig, jedoch etwas zu eilend – nicht jede Note wird komplett ausgekostet. Bis hier wirkt er einige Male (im Vergleich zum Danziger Konzert) leicht angestrengt (evtl. leicht verkrampft), die absolute Leichtigkeit fehlt bis hier hin. Der frenetische Jubel ist aber vor der nun folgenden Pause mehr als berechtigt.
„Musiker und Diener der Musik zu sein ist kein Beruf – es ist eine Lebensweise.“ (Isaak Stern)
Mit lautstarker Begeisterung des Publikums startet der zweite Teil des Abends. Von den Tönen der Pink Floyd Klassiker umgeben, taucht man wieder schnell in die intergalaktische Klangwelt ein. Das neu arrangierte Shine on You Crazy Diamond (Wish You Were Here -Album) eröffnet den zweiten Teil des Konzerts und verhaucht einen Zauber, eine ganz eigene neue Soundästhetik. Die leisen, fast schon sakral wirkenden Töne von Shine on scheinen in der Luft zu stehen, so als ob sie greifbar wären. Maximal reduziert, begeistert es mit einem noch intimeren Klang, hingebungsvoll gespielt und unter mithilfe von Crosby & Nash beseelt gesungen. Die geschickte Lichtinszenierung tut ihr übriges. Brickman hat sich hier von dem Cover des Dark Side of The Moon – Albums inspirieren lassen und die Grundfläche eines Prismas, also die Dreieckesform mittels Gobos (Lichtschablone) auf dem Bühnenboden illuminiert. ▼ Die übereinander gelegten sechs „Lichtdreiecke“ (in gelb, lila, weiß und blau wechselnd) umrahmen die sechs Musiker.
Ab Fat Old Sun nimmt das Konzert weiter Fahrt auf, wodurch große Begeisterung entsteht. Hier tritt – wie häufig in der „E-Musik“ – das Phänomen auf, dass ab einem gewissen Punkt im Laufe des Konzertes alle eingespielt (im Falle der „E-Musik“ eingesungen) sind und zur Höchstform auflaufen. Der durch das rasch reduzierte Licht verstärkende beseelte Gesang „Sing To Me, Sing To Me…“ mündet in Gilmours Solo, diesmal gespielt auf seiner Fender Telecaster. Der volltönende Gitarrensound Gilmours und sein kontrastreiches Spiel ziehen einen immer stärker in den Bann und sorgt spätestens jetzt für maximale Endorphinausschüttungen. Der Zuschauerraum der Albert Hall beginnt zu kochen.
Der Genuss steigt weiter an, da der Drive von Fat Old Sun mitgenommen wird und das mit röhrendem Gitarrenklang und rauer, sonorer Stimme vorgetragene Coming Back to life zeigt, was gelebte Musik (was Leben) ist. Der Durst nach Klang, um sich der Rotwein-Metapher zu bedienen, lässt nicht nach – es werden immer fulminantere Akzente gesetzt und das entfachte musikalische Feuerwerk scheint grenzenlos zu brennen. Spätestens jetzt wird es das Konzert, welches uns von den Sitzen reißt. Anhand der Reaktionen seiner Mitspieler sieht man, wie die Funken seiner Gitarre, seiner imposanten Soli jetzt immer mehr überspringen. Mit geschlossenen Augen singt er inbrünstig „Dying to believe in what you heard“ und sein weißes Haar glänzt im gleißenden Scheinwerferlicht, die Besucher sind außer sich. Großartiges finales Solo – auf der Gdansk Disc 5 kann man meiner Ansicht nach wieder das Beste finden.
Das nun folgende bestechend vorgetragene High Hopes, als eines der beliebtesten Pink Floyd Songs, kommt so kristallklar, so unverbraucht und neuartig daher, dass man dem Irrglauben unterliegen könnte, ein gerade frisch komponiertes Meisterwerk zu hören. Sein auf der akustischen Gitarre gespieltes Schlusssolo markiert nun das Ende des Stücks, welches den Saal fast in Totenstille zu hüllen scheint. Mit dem Verklingen des letzten Akkordes und dem gleichzeitigen Verlöschen des letzten Scheinwerfers in totale Dunkelheit hat High Hopes eine Vollkommenheit, eine unübertrefflich emotionale Tiefe erreicht, die High Hopes nun zu einem vollendeten, perfekten Kunstwerk reifen ließ. Der Saal ist von dieser klangvollen Darbietung zu Recht begeistert. Gilmour in sich ruhend zeigt gerade mit seinem Abschlusssolo – neben seinem ganzen Charisma & seiner Weisheit – was sein Spiel (und seinen Gesang) so einzigartig, so unnachahmlich macht: Aus wenig viel machen, sein reduziertes, „minimalistisches“ Spiel – er kostet einzelne Noten bis zum äußersten aus und erzielt dadurch eine unbeschreibliche und beispiellose Dramatik, einen ganz besonderen musikalischen Ausdruck. Mich hat von Anfang an diese Kreativität, die charakteristische Klangfarbe seines Gitarrenspiels, sein puristischer Stil, sein Gespür für atmosphärische Musik beeindruckt. Ein (zurecht hinreißender) Virtuose oder Schnellspieler, der eben durch Geschwindigkeit beeindrucken will, war Gilmour nie, sein Gefühl, die Noten zur rechten Zeit an ihrem rechten Platz zu setzen und diese harmonisch perfekt in die ganze Komposition zu integrieren ist, neben seinen Soundeffekten, charakteristisch für sein Gitarrenspiel. Seine Soli klingen nie gleich und i.d.R. hat jedes Solo seinen ganz eigenen Charakter und das höre ich (hört man) aus hunderten Gitarristen raus.
“Dave’s a terrific guitar player, because he’s got a sense of the whole piece of music, not just like me and my axe” (Robert Wyatt)
Dann folgt Echoes – Ausdruck eruptiver Spielfreude. Häufig als DAS Highlight dieses denkwürdigen Konzerts bezeichnet, begeistert – inklusive der Lichtumrahmung – auch die Londoner Version. Wrights „Ping“ markiert den Beginn des großen Auftritts im Himmel. Dezent, ja bedächtig fügt sich Gilmour mit seiner Gitarre ein, einhergehend mit einem zweiten Lichtstrahl, der ein diffuses Lichtdreieck komplettiert – kurzer (Szenen-) Applaus. Nach der kleinen Einleitung wird die lichtdurchflutete Albert Hall nun in ihren Grundfesten erschüttert und der Klang dringt nun bis in den letzten Winkel des viktorianischen Baus. Ab Gilmours entfesseltem Solo beginnt die Luft zu brennen, womit DER magische Moment des glorreichen Abends erreicht ist. Das Publikum lässt sich ins Himmelreich der unbeschreiblichen Töne und Wohlklänge davontragen. Wenn man ihn nicht spielen sieht, kann man kaum glauben, dass so etwas überhaupt möglich ist. Es wird DAS 22 minütige musikalische Spektakel, psychedelisch wie in alten Zeiten (die ich nicht erlebt habe). Dieser Sound versetzt einen ins Elysium, in Ekstase, in den Zustand des vollkommenen Glücks: Psychedelisch wie in Trance die Musik genießend ist das beste Rauschmittel, der beste Rauschzustand. Die Töne scheinen ins transzendente Gefilde zu gleiten, die Sphärenklänge ins Jenseits zu entweichen. Parallel mit dem dann den Bühnenboden entlang kriechenden Trockeneis (oder flüssigem Stickstoff) umhüllt ein Klangbad die staunenden Zuschauer. Seltsame, bizarre Klänge wie Möwenschreie oder Krähenlaute dringen durch den Dunst und flirren durch die Halle, die dazu zuckenden Lichtstrahlen erzeugen ein surreales Bild. Die Klangphonie führt über ein rhythmisches immer schneller werdendes Crescendo unausweichlich in ein irres Sound- und Lichtgewitter. Das Publikum staunt „[…] und wartet auf das nächste Solo des Mannes, der der E-Gitarre Dinge zu entlocken vermag, die Normalsterblichen die Raumfahrt ermöglichen.“ (Hamburger Morgenpost vom 13.03.2006). Die berühmte Echoes-Titelmelodie (DAAAA-Da-Da-Da-Da-Da) geht in ein traumhaftes Wechselspiel zwischen Gilmour und Wright über. Mit gemächlichem Tempo, sachte, ja bedächtig lassen beide das musikalische Ausnahmewerk ausklingen. Wright spielt ein Motiv und Gilmour greift es auf: Nun scheint man in einer endlosen, grenzen- & zeitlosen Weite der Musik zu schweben und die Erde scheint stillzustehen. Einhergehend mit dem verklingen der Hymne Echoes und dem allmählichen Erlöschen aller Moving Lights (VL 2000) wird das Echo des Publikums immer stärker: Der Saal tobt mit ohrenbetäubender Lautstärke!
„Kein Bild, kein Wort kann das Eigenste und Innerste des Herzens aussprechen wie die Musik. Ihre Innigkeit ist unvergleichlich, sie ist unersetzlich!“ (Friedrich Th. Vischer 1807-1887)
Musik aus einer anderen Welt, vom einen anderen Planeten? Nein, es ist doch tatsächlich das irdische Glück, diese Musik genießen zu dürfen. Echoes ist für mich das definitiv am schwersten in Worte zu fassende Musikstück meiner Lieblingsgruppe Pink Floyd. Kein Wort, keine Worte dieser Welt können dieses unfassbar sensationelle Kunstwerk, Manifest angemessen beschreiben. Nach dem Verklingen der auditiven Glückseligkeit Echoes braucht man eine Weile bis man die Sprache wieder gefunden hat, man ist im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos, was dann wohl auch die beste Beschreibung ist. Man kann gar nicht glauben was man da gerade gehört hat! Nun muss ich auch hier relativieren (Sie wissen worauf ich hinaus will), dass die Danziger Version (25 Min) noch mehr überzeugt, etwas reifer, vollkommener, vollendeter wirkt.
„Es ist viel schwieriger ein Meisterwerk hervorzubringen als eins zu verschandeln.“ (Klangspektrum)
Ein leises, fast schon andächtiges Intermezzo lässt das völlig ausgeflippte Publikum musikalisch durchatmen: Wish You Were Here natürlich mit den vom „P.U.L.S.E. Konzert“ bekannten orangenen Lasern.
Mit Find the Cost of Freedom erklingt eine wunderschön spirituelle, saubere chorartige Einlage gesungen von David Crosby, Graham Nash & Gilmour. Es ist die letzte Möglichkeit musikalisch Luft zu holen, zu entspannen, denn nun folgt das erste von Pink Floyd veröffentlichte Lied (1967) Arnold Layne (featuring David Bowie), wobei ich persönlich die Version mit Richard Wright am besten finde (Disc 2 Bonus Tracks).
Dann DER krönende Abschluss eines sagenhaften Konzerts: Comfortably Numb! Kamera-/Bildtechnisch wunderschön eingefangen und mit meiner Ansicht nach Gilmours drittbestem intensiven, kraftvollen Solo (P.u.l.s.e., Gdansk, London) ein denkwürdiges Ende. Wer von den damals am viktorianischen Bau Beteiligten hätte gedacht, dass im Jahre 2006 die gesamte (!) Royal Albert Hall zum Finale von Comfortably Numb in ein helles und heftiges Stroboskop-Licht erstrahlt und ein Herr Gilmour seine E-Gitarre („Black Strat“) zum schreien bringt! Die Töne scheinen einem regelrecht entgegen zufliegen (Gilmour: “[…]trying to create distortion, which gives an impression of real loudness.[…]it’s not the same as sort of feeling it when you’re on a stage and you can sort of lean back against the sound, you feel like it is so powerful you can sort of lean against it”). Nur Bowies Gesang will nicht so recht passen. So What!
Yes David, I remember that night…
Was sonst noch zu sagen ist…
Sehr schön und einzigartig ist, dass am Ende des Konzertes alle an der Produktion Beteiligten bild- und namentlich im Abspann erwähnt werden.
“Pink Floyd succeeds in using music as a vehicle to understanding the deeper things in life.” (Manuel aus Santo Domingo)
Meine persönlichen Highlights und Anspieltipps der Remember That Night Blu-Ray sind Uh…Wot’s The Deal („A Million miles from home – you’re on your own“), Wearing The Inside Out, Time, Castellorizon, On an Island, Fat Old Sun (“When that fat old sun in the sky is falling - Summer evenin’ birds are calling”), Coming Back To Life, Shine On You Crazy Diamond, High Hopes, Echoes (“Strangers passing in the street / By chance two separate glances meet / And I am you and what I see is me.”), Arnold Layne & natürlich Comfortably Numb.
Im Moment kann ich dieses Konzert nicht besser in Worte beschreiben, bzw. versuchen zu formulieren was ich fühle, wenn ich diese Musik höre:
„Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“ (Victor Hugo 1802-85, frz. Dichter d. Romantik). Oder wie E.T.A Hoffmann ebenso hervorragend formulierte:
„Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an.“
Anhänge
Zuletzt bearbeitet: