Mit der Bluecard gegen den Fachkräftemangel?

Bartholomew23

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Guten Tag!

in letzter Zeit beschäftigt mich ein Thema ganz intensiv. Es geht um den sogenannten "Fachkräftemangel" in Deutschland, der immer mehr in den Medien umsichgreift. Fast täglich lese, höre oder sehe ich etwas darüber. Ich selbst habe davon noch nichts mitbekommen und in meinem Job als Operator in einem Rechenzentrum herrscht meiner Einschätzung nach kein Mangel an Bewerbern. Erst neulich wurde bei uns eine Stelle neu besetzt und es gab genug Bewerber. Wie sieht das bei euch aus? Ist es da anders?

Auf jeden Fall habe ich heute einen sehr spannenden Artikel gelesen, den ich euch nicht vorenthalten wollte: http://blog.ictjob.de/bluecard-ist-keine-bedrohung/1100/

Ich selbst habe von dieser Bluecard noch nichts gehört und es kommt mir auch so vor, als ob darüber in den Medien nicht groß berichtet wurde. Wenn ich das richtig verstehe, ist sie soetwas wie die Greencard auf europäischer Ebene. Man will so qualifizierte Fachkräfte dazu bewegen in die EU zu kommen. Glaub ihr, dass das funktioniert? Ich bin da mehr als skeptisch und weiss nicht, ob sich so Fachkräfte dazu entschließen nach Europa zu kommen. Wenn doch, glaubt ihr, dass das das Gehaltsniveau gerade in Deutschland kaputt machen kann?


Grüße
Bartholomew
 
Moin,

zu allererst seh ich den Fachkräftemangel eher als gut gestreutes Marketing der Berufsverbände die Ihre Berufe fördern wollen. Grad im Bereich Ingenieurswesen machen der VDI ja schon seit Jahren große Panik und erzählen, dass es nicht genug Ingenieure geben wird und die deutsche Wirtschaft darunter leiden wird etc.
Dazu gibt es eine Studie der DIW (Institut für Wirtschaftsforschung), die das entkräften können.
Es gibt zwar in bestimmten Regionen oder Branchen (z.B. Raumfahrt) Engpässe, aber im Gros gibts keinen Grund zur Sorge. Im Bereich Maschinenbau (einer der wichtigsten Berufe auch für die Exportindustrie gibts pro Jahr 9.000 neue Jobs und 22.000 Bewerber...

Natürlich gibts auch gegensätzliche Studien, aber ich bin eher der Meinung, dass die Berufsverbände ihre Berufe halt durch überdramatisierende Aussagen wichtiger machen wollen als sie sind... und natürlich ihren Mitgliedern gute Argumente für Gehaltsverhandlungen geben ;)

Was ich bei uns im Betrieb gemerkt habe: Es ist scheinbar schwierig Leute für Ausbildungsplätze zu finden. Die klügeren Köpfe wollen alle studieren und kommen dann später mit völlig übertriebenen Erwartungen ins Berufsleben, die Leute die sich bei uns z.B. für die Position eines Industriekaufmanns bewerben, können regelmäßig nur schlechte Noten und wenig Motivation/Bereitschaft aufweisen. Wir haben seit jahren Probleme gute Azubis zu finden, was wie ich finde sehr schade ist. (unsere Anforderungen sind echt nicht hoch...)

Aber zum Thema Bluecard. Ich bin mit der Bluecard im Detail nicht vertraut, allerdings bin ich generelle ein Fan davon, ausländische Fachkräfte ins Land zu holen. Sei es erstmal zum Studium (finde ich für eine Exportnation wie Deutschland sogar sehr wichtig) oder später auch als ausgebildete Fachkräfte.
Muttersprachler mit guten Beziehungen zum Heimatland bringen unseren Unternehmen sehr viel und wenn für die Positionen tatsächlich keine Bewerber in Deutschland gefunden werden können, dann ist das halt so. Besser als wenn eine Stelle nicht besetzt werden kann. Ich find selbst die Mindestanforderungen (grad finanziell) auch bei der Bluecard schon recht hoch...

Aber Deutschland profitiert definitiv... Sei es durch einen "frischen Wind" durch ausländische Fachkräfte, mehr Auswahl für die Unternehmen, Besetzung offener Stellen mit den damit verbundenen Mehreinnahmen des Staates (Steuern und auch Konsum) etc.

Also...dafür ;)
 
Fachkräftemangel bedeutet, dass den Anforderungen der Unternehmen entsprechend nicht genug Personal gefunden werden kann.
In so mancher Branche sind die Anforderungen ungefähr so: Qualifikation mindestens 10 Jahren Berufserfahrung, Gehaltswunsch in der Region unterdurchschnittlicher Berufseinsteiger.
Das grenzt natürlich so manchen Deutschen aus. So kann es dann passieren, dass man vom Fachkräftemangel spricht, obwohl prinzipiell qualifiziertes Personal verfügbar ist.

Wenn man sich die Senkung des Mindestgehalts anschaut, sieht man schon wohin die Reise gehen soll: Lohndumping. Warum einen Deutschen nehmen, wenn man einen Anderen für 35k€ bekommen kann?
Ich hoffe mal, dass sich nicht allzuviele dafür hergeben werden.

Wo es dagegen tatsächlich echten Handlungsbedarf gibt ist die Bildung. Das betrifft allgemeinbildende Schulen, betriebliche und schulische Ausbildungen und Hochschulen. Die Lehre insgesamt ist stark verbesserungswürdig. Wenn man tatsächlich etwas in der Zukunft verbessern will, muss man da anpacken.

Ich persönlich glaube nicht, dass wir große Mengen Arbeitskräfte von außerhalb der EU brauchen. Wenn dann nur echte Spezialisten, die bislang auch ihren Weg hierer gefunden haben.
Sollten sich tatsächlich viele Kräfte dafür finden, würde das sicherlich auch Auswirkungen auf die Gehälter haben.
Aber ob das wirklich passieren wird?
 
Spitzenarbeiter verdienen überall gut, egal woher sie kommen.
Wenn du einen Inder oder Spanier nach DE holst, MUSS der auch gut verdienen weil er sich sonst das Leben hier nicht in dem Ausmass leisten kann wie zu Hause.
Man geht ins Ausland weil man es sich besser machen will, nicht gleich.

Schau mal zu den Chinesen und unterhalte dich mal mit einer 20 jährigen...die reden nur von der Arbeit und vom Geld, Familie und Freund ist sekundär, Letzterer wird nicht mal angesehen wenn er nicht zumindest Auto und eigene Wohnung hat.
Ich hab da keine Angst dass gebildete und gut ausgebildete Immigranten zu Dumpinglöhnen hierher kommen, eher dass man sie zu Hause sitzen und von dort aus billig hackeln lässt, aber das sind billige Dienstleister, keine produktiven Angestellten von denen wir reden.

Hab grad neulich gelesen dass China pro Jahr 450.000 Ingenieure produziert...

In unseren Breitengraden ist neben Dumpinglöhnen im Dienstleistungssektor (siehe unten) in produktiven Jobs eher Motivation zur Leistung ein Problem weil es durch die Steurlast schwer wird als Angestellter/Arbeiter mit Überstunden die der Arbeitgeber nicht mehr zulässt auch legal gutes Geld zu verdienen.

Ein Beispiel, weil ich aus der Region Tirol komme, das Egger Spanplattenwerk, die produzieren Laminatböden, Arbeitsplatten und Küchenkästen für alle namhaften Küchenhersteller und generell Spanplatten für die Bauwirtschaft.
Weltweit 17 Fabriken und 23 Vertriebsbüros:

http://www.egger.com/AT_de/werke-und-vertriebsbueros.htm

In den 80ern bis Anfang der 90ern konnte man dort als Schichtarbeiter soviele Schichten machen wie man wollte und seinen Verdienst anpassen...kaum einer ging damals unter 2500 Euro nach Hause wenn er 2 Wochenenden durcharbeitet und das waren nach heutigem Masstab eher EUR 4000.-
Das waren gelernte Tischler, Mechaniker, Ingenieure, Statiker, Maurer, Zimmerer, Sägearbeiter, Kraftfahrer, Bodenleger usw..

Heute mit dem unsinnig versteuerten Überstunden hat sich das erledigt und es werden kaum noch Extraschichten zugelassen.

Durchs arbeiten wird man heute nicht mehr richtig mittelständig "reich" und das was unsere Eltern oder Grosseltern in den 60ern und 70ern aufgebaut haben, ist Heute für 95% des arbeitenden Volkes gar nicht mehr möglich.

Arbeit muss attraktiv sein und entlohnt werden, DAS ist Motivation etwas zu lernen und sich fortzubilden.

Denn was hab ich davon wie ein Freund von mir als junger Ingenieur für 1600.- netto und unbezahlten Überstunden am Reissbrett zu sitzen wenn jeder ungelernte Bauarbeiter mit 38 Stunden 1800.- hat.

Mir wird immer speiübel wenn ich die Inserate in den Tageszeitungen lese:

Nachtkoch (gelernt!) im 5 Sterne Hotel : 1300 brutto
Serviererin (gelernte!) im selben Hotel: 1200 brutto
Zimmermädchen im selben Hotel: 800 brutto

usw usw...

Gutes Personal zu finden ist heute ungleich schwerer als noch vor 25 Jahren, der Andrang mag vielleicht gross sein, aber die Qualität ist echt beschissen.
Viele wollen alles geschenkt und sind oft nicht bereit sich weiterzubilden oder wegen dem Job umzuziehen, unser Sozialsystem hilft auch nicht gerade dabei, obwohl wir in Österreich noch die niedrigste Arbeitslosenquote, vor allem der Jugend, in der EU haben.
 
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mdave hat meiner Meinung nach absolut Recht. Wir haben wirklich viel hochqualifizierte Leute in Deutschland, die keinen Job finden weil sie nicht genügend Berufserfahrung haben und zudem nicht für das Gehalt von ungelernten Saisonarbeitern arbeiten wollen und können.
 
Welcher Fachkräftemangel achso der wo man nem Ing. weniger zahlt als einem Dreher...
Genau dieser wars... Tja das schöne Märchen vom Mangel.
 
Muss hart sein ein Ingenieursstudium zu absolvieren weil man der Industrie und ihrem Jammern am Leim gegangen ist, nur um dann festzustellen lediglich die Wahl zwischen Leihfirma bzw. Zeitarbeit und Arbeitslosigkeit zu haben.
 
Ich kenne KEINEN EiNZIGEN Ingenieur/Informatiker mit Hochschulabschluss (Diplom oder Master, Bachelor war nach meiner Zeit), der nicht einen gut bezahlten Job hat (und ein Gehaltsspanne von 50.000€-80.000€ zähle ich eher nicht zu den Hungerlöhnen). Die Arbeitslosigkeit ist erwiesenermaßen sehr gering unter Ingenieuren.
Umgekehrt haben wir monatelang erfolglos versucht, eine Stelle in der Entwicklung zu besetzen. Zugegebenermaßen ist das in München, wo es bekannterweise Stellen wie Sand am Meer gibt.
 
Nur weil du keinen kennst...
 
Prinzipiell habe ich kein Problem damit dass ausländische Fachkräfte ins Land geholt werden. Aber das Ingenieure/IT-Experten ab 35000€ eine Erlaubnis bekommen ist doch ein Witz. Da will man doch nur die Löhne drücken. Kein deutscher Ingenieur arbeitet für 36000.
Wenn man die Grenze bei 50000€ legt, wäre es denke ich eine gute Sache, denn soviel verdient ein Ingenieur mit Erfahrung mindestens.
 
Exakt! Den das sind keine Absolventen sondern genau Fachkräfte mit Berufserfahrung und kein Ingenieur (mit Berufserfahrung) sollte für weniger als mindestens 50000€ arbeiten !

So kann man halt schnell und gezielt die Löhne drücken!

Also ein sehr guter Rat! Bloß nicht Ing. werden!!!
 
Na ja, ohne Hochschulabschluss krebst du dann teilweise mit 25k oder sowas rum....

Der korrekte Rat lautet also: Hochschulabschluss und dann die Koffer packen, dem Geld hinterher. Andere Länder zahlen besser. Ich hab z.B. letztes Jahr in Schottland ne Stellenausschreibung für n Web-Entwickler (kein Studium nötig, nur Erfahrung) für ~45k gesehen... und zwar Pfund Sterling, kein labberiger Euro.
 
Ja das stimmt in Deutschland ist man wirklich ziemlich weit unten mit dem Gehalt!
Am besten: Master Plus Doktor und weg!
Das gibt ziemlich viel Schotter wenn man was findet zb. in Übersee!

Najaa.. 25k ich kenne Leute die ungelernt arbeiten, zwar mit Nachtschicht aber für 40000€ ...
 
Cezka schrieb:
Ja das stimmt in Deutschland ist man wirklich ziemlich weit unten mit dem Gehalt!
Am besten: Master Plus Doktor und weg!
Das gibt ziemlich viel Schotter wenn man was findet zb. in Übersee!

Quellen? Belege? Ingenieure, die in der westdeutschen Industrie arbeiten, dürften zum allergrößten Teil spätestens ab dem dritten Berufsjahr mehr als 50.000 € Jahresbrutto bekommen, "ziemlich weit unten" sieht für mich anders aus. Und mit Gehaltsvergleichen mit dem Ausland wäre ich prinzipiell vorsichtig, gerade bei angelsächsischen Staaten. Dort muss nämlich im Gegenzug für das größere Gehalt oft deutlich mehr privat für Krankheit, Arbeitslosigkeit und Rente vorgesorgt werden. Mal ganz abgesehen von so Kleinigkeiten wie ganzen 10 Tagen Jahresurlaub in den USA....
 
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Ich hab jetzt im zweiten Berufsjahr bei 50.000 € Jahresbrutto trotz Lohnsteuerklasse 1 schon knapp 30.000 € netto raus, komisch wa? Und von dem Netto muss ich auch nix für eine Krankenversicherung zahlen. Und das bei vier Wochen mehr Urlaub als in den USA üblich und ganzen 38 Wochenstunden. Was für ein Drecksjob.... :freak:
 
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|MELVIN| schrieb:
Ich hab jetzt im zweiten Berufsjahr bei 50.000 € Jahresbrutto trotz Lohnsteuerklasse 1 schon knapp 30.000 € netto raus, komisch wa? Und von dem Netto muss ich auch nix für eine Krankenversicherung zahlen. Und das bei vier Wochen mehr Urlaub als in den USA üblich und ganzen 38 Wochenstunden. Was für ein Drecksjob.... :freak:

Da kann man nicht meckern. Allerdings gibt es trotzdem keinen Ingenieurmangel, der Leute frisch von der Uni/FH inkludiert. Da muss man als nicht Muster-Absolvent hart für einen Jobeinstieg kämpfen und schnell den Einstieg schaffen, sonst ist der Zug für immer abgefahren. Ich war 3 Jahre lang auf der Suche und habe micht dann letztendlich umorientieren müssen, um endlich aus der staatlichen Alimentierung rauszukommen. Ex-Studienkumpel macht jetzt seit 1 1/2 Jahren Lagerist aus der Not heraus. Die Arbeitgeber scheuen nur noch wenig einen Akademiker fachfremd zu beschäftigen, weil sie deren Fähigkeiten doch gut gebrachen können und keinen Wechsel mangels Alternativen fürchten müssen, weil sie ja die wahre Lage auf dem Arbeitsmarkt kennen.
 
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