Nach Studium: IT-Projektmanagement oder IT-Spezialist

te one

Lt. Commander
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Apr. 2009
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Guten Abend,

ich bin auf der Suche nach Ratschlägen von erfahrenen IT-lern.
Vorab: Das hier soll in keinem digitalen Schwanzvergleich von Gehältern, Arbeitsbedingungen, etc. enden. Ich versuche einfach die für mich richtige Entscheidung zu treffen. Ich freue mich über offene und ehrliche Meinungen.

Bisheriger Werdegang: Bald Master of Science (Informatik, Uni, Top-Noten), davor bereits Ausbildung und "Meister" (IT-Projektleiter) in der IT. In meinem bisherigen Werdegang nun ca. 7 Jahre Berufserfahrung in der IT gesammelt und hierbei verschiedenste Bereiche (Netzwerktechnik, Softwareentwicklung, Projektmanagement) kennengelernt. Leider "nur" im öffentlichen Dienst - Erfahrung aus der Industrie fehlt also.

Meine Situation: Ich stehe nun kurz vor dem Berufseinstieg nach dem Studium. An sich interessiert mich der Bereich/die Kombination um/aus Embedded Systems/Robotik/Automation/KI. Allerdings kann ich mich noch nicht ganz damit anfreunden, jeden Tag Vollzeit am PC zu sitzen und nicht viel anderes zu sehen - die meisten Job sind Softwareentwickler-Jobs. Ich überlege daher, direkt eher im Bereich des Projektmanagements durchzustarten. Auch weil ich zukünftig (mittelfristig, wenn genügend Industrie-Erfahrung) sowieso gerne eine Führungsposition hätte.

Nun meine Fragen:
  • Wo stehe ich in 3-5 Jahren, wenn ich nun als Embedded System Softwareentwickler oder als IT-Projektmanager beginne? Persönlichen Einsatz/Engagement nehmen wir nun einfach mal an. Würde gerne in meiner Gegend wohnen bleiben - ist keine Großstadt, aber es gibt viele große Unternehmen aus der Automobilzulieferer-Branche, Medizintechnik, ...
  • Wie sieht es mit dem Gehalt aus? Ist die höhere Verantwortung etwas wert, oder sind Spezialisten einfach so gesucht, dass sie mehr verdienen? Eventuell gibt es einen Überschuss an Projektmanagern, da hier zB auch Wirtschaftsinformatiker einsteigen? Vielleicht haben die hier sogar Vorteile gegenüber mir?
  • Wie schätzt ihr die Work-Life-Balance ein? 1.000€ mehr im Monat sind es mir nicht wert, keine Freizeit mehr zu haben. Die Industrie punktet mit 35h-Woche und guten Gehältern - als IT-Spezialist. Wie sieht es hier mit Projektleitern aus?

Aktuell scheinen mir alle Angebote recht ähnlich: um 60k Jahresgehalt und je nach Unternehmen 35-40h wöchentliche Arbeitszeit.

Ich freue mich auf Meinungen. Vielleicht vergesse ich auch wichtige Punkte - dann gerne raus damit :)
 
Ich habe mir Deinen Beitrag dreimal durchgelesen, mein Problem ist, ich kann keine Prioritätenliste anlegen.

Im Projektmanagement durchstarten, Führungsposition anstreben, gerne am Wohnort bleiben, gute Work-Life-Balance. So ein Paket beinhaltet naturgemäß Zielkonflikte, es gibt Eierlegendewollmilchsauanstellungen, aber sie sind äußerst rar.

Ich würde für mich zunächst die genannten Punkte in eine Rangliste eintragen, von 1 bis 4 (es gibt keine gleichwertigen Punkte!). Wenn das Ziel klar ist, dann kann man an die Strategie und deren Umsetzung gehen.

Da ich nicht weiß was Du alles zur Berufserfahrung zählst, kann ich Dein Alter nicht genau einschätzen. Ich vermute aber durch die Ausbildung, den Meistertitel und das Masterstudium bist Du nicht weit weg von der 30 und das ohne Industrieerfahrung, d. h. Dein erster Aufschlag im Industriebereich sollte sitzen. Ansonsten könnte sich das, in Verbindung mit den noch ungeklärten Prioritäten und einer sich demnächst wahrscheinlich abschwächenden Konjunktur, eventuell zum Problem auswachsen.
 
Danke für die ausführliche Antwort. Ich versuche mal auf alles einzugehen:

Ergänzung zu mir: Ich werde ziemlich genau zu meinem 27. Geburtstag fertig mit dem Masterstudium. Nach der Ausbildung arbeitete ich 3 Jahre in Vollzeit (nebenberuflich lief der IT-Projektleiter-Kurs), danach 4,5 Jahre nebenberuflich während des Studiums (größtenteils weiterhin im öD, zuletzt an der Uni als HiWi).

Ich würde nicht sagen, dass es mein Ziel ist, Führungskraft oder Projektmanager zu werden. Das übergeordnete Ziel ist eine spannende, abwechslungsreiche Arbeit, bei der ich etwas bewegen und mich einbringen kann. In der kleinen IT-Abteilung im öD war das sehr gut möglich und führte jetzt auch zu einem Jobangebot als Leiter einer kleinen Unterabteilung, später vermutlich komplette IT-Leitung. Das reizte mich sehr und ich denke das liegt mir - allerdings möchte ich erstmal sehen, wie es in der Industrie abläuft. Wie wird dort gearbeitet? Laufen Projekte dort ähnlich? ...
Ich bin - und war bisher - immer gerne bereit auch mal einen Tag am Wochenende zu opfern, um das Projekt zu retten. Hin und wieder saß ich von Sonntag auf Montag Nacht alleine/mit dem Chef auf der Arbeit und rettete die Systeme, damit der Betrieb am Montag wie gewohnt loslaufen konnte. Das tue ich gerne - aber die 40h-Woche sollte eben schon die Regel sein.

Daher meine Prioritäten:
  • Spannende, abwechslungsreiche Tätigkeit (ich denke das kann fachlich und organisatorisch sein)
  • Work-Life-Balance (Ausnahmen sind kein Problem; außerdem will ich ja arbeiten und nicht "Eier schaukeln")
  • Gehalt

Welche Möglichkeiten verbaue ich mir, wenn ich mich jetzt für einen der beiden Wege entscheide?

Wenn ich mir vorstellen sollte, was ich in 5 Jahren mache (vermutlich ist das am hilfreichsten): Ich leite ein Team aus 5-10 Spezialisten im Bereich der Forschung&Entwicklung. Das Detailwissen haben die Mitarbeiter - ich nur einen Überblick. Im Gegenzug halte ich ihnen den Rücken frei, damit sie möglichst problemfrei arbeiten können und koordiniere die Arbeit Richtung Ziel.
 
Ich bin kein Karriereberater, so etwas überlasse ich lieber den Profis...

https://www.ingenieur.de/karriere/arbeitsleben/heiko-mell/

(unter der Rubrik "Heiko Mell Kategorien" findet man viele interessante Beispiele)

Mir hat dieser Ratgeber vor ca. 20 Jahren sehr geholfen, viele (nicht alle) Ratschläge dieser "Regelkunde" kann ich weiterempfehlen. Es sind die "ungeschriebenen Gesetze" des Berufsalltags.

Zu Deinem letzten Beitrag möchte ich noch anmerken: Ja, Industrie ist etwas anderes als der ÖD, das erkennt man in der Regel schon an den Gehältern. Eine Karriere im Bereich F&E sähe ich persönlich eher bei Personen mit Abi, Studium und Promotion. Du klingst für mich eher nach Praktiker und Anpacker der seinen Weg im operativen Bereich gehen könnte. Beide Typen werden gebraucht (ich meine das völlig wertungsfrei).

Du bist erst 27, Dir stehen alle Wege offen... "Talent bricht sich Bahn!"
 
Sorry, alles etwas ungeordnet... Ich schreibe mal runter was mir einfällt. Ich denke die Lösung meiner eigentlichen Frage ist hier enthalten :)

So, ich habe mal einige Beiträge von Heiko Mell gelesen und mir Gedanken gemacht. Ich denke eine rein praktische Tätigkeit wird mich auf Dauer nicht erfüllen, maximal für 2-3 Jahre. Ich würde mich auch nicht wie von dir beschrieben als reinen Praktiker/Anpacker sehen. Ich bevorzuge auf jeden Fall Arbeiten, die am Ende ein praktisches Ergebnis liefern (heißt: Einsatz im Echtbetrieb). In der Uni wird m.E. häufig für die Schublade entwickelt. Dabei muss ich nicht unbedingt selbst entwickeln - ich manage auch.
Auch habe ich mich bewusst für Uni statt FH entschieden (hatte eine Zusage für ein duales Studium) - denn die Inhalte waren dort einfach so ähnlich zur Ausbildung. Vom Uni-Stoff habe ich anfangs nur Bahnhof verstanden.
Auch wurden mir von vielen Professoren schon Stellen (teilweise Promotion, teilweise einfach Forschungsprojekte) angeboten. Aber man merkt einfach den Unterschied zu den anderen Studierenden: Ich will Verantwortung! Die gibt es an der Uni einfach nicht, bevor man nicht "Prof. Dr." am Namen stehen hat. Kann mich noch gut an das Gesicht des Professors erinnern, der mich in der Masterarbeit betreut. Er meinte er müsste für mich mit externen Stellen kommunizieren - hatte ich zu den Zeitpunkt schon alles geregelt. Aber mehr Verantwortung wird es eben nicht.

Hinzu kommen meine bisherigen Schwerpunkte: 10 Jahre in der Netzwerktechnik/Systemadministration sowie der IT-Sicherheit, damals zusätzliche Zertifizierung im Bereich Elektro, Fortbildungen im Bereich Selbstmanagement/Projektmanagement/Führung, nebenbei Mitgründer eines Software-Unternehmens, durch ein Stipendium einiges an Wissen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (inkl. der Veröffentlichung eines Buches zusammen mit vielen Co-Autoren), Spezialierung im Bereich Robotik im Master-Studium, auch wenn meine Schilderung des Lebenslaufes es nicht vermuten lässt: Auch mathematische Probleme bereiten keine allzu großen Schwierigkeiten,...

Im Endeffekt bin ich der perfekte All-Rounder. Gibt nichts, das ich nicht hinbekommen würde - natürlich immer mit ausreichend Einarbeitungszeit - ich kann ja nicht überall bis ins kleinste Detail drinstecken.
Diese Kombination macht (glaube ich) eigentlich nur in der Führungslaufbahn richtig Sinn. Heiko Mell empfiehlt beim Ziel Führungslaufbahn möglichst frühzeitig die Übernahme von Projekten - damit wäre ich wieder im Projektmanagement.

Dabei wären dennoch zwei meiner Fragen offen:
1. Lässt sich diese Laufbahn auch aus Sicht der Work-Life-Balance vertreten? Hier habe ich einfach keine Erfahrung. Im öD sind diese Stellen ganz normal im Tarifvertrag. 39h, Stechuhr, natürlich kann es mal Abends länger werden.
2. Wie sehen hier langfristig meine Chancen aus? Habe ich Vor- oder Nachteile gegenüber beispielsweise einem Wirtschaftsinformatiker? Wird wert darauf gelegt, dass ich notfalls mit dem Informatiker/Mathematiker/Physiker über ein Problem sprechen kann? Hier kann ich sicher punkten.

Ja, Türen stehen aktuell einige offen. Je nach Entscheidung schließen sich nun jedoch einige (Projektmanagement -> Fachlaufbahn ist m.E. schwieriger als Fachlaufbahn -> Projektmanagement)
 
Ich weiß nicht wo du wohnst, aber eine Stelle im öD bei einer Bundeseinrichtung kann momentan sehr luktrativ sein, da es da die IT-Zulage (bis zu 1000 Euro im Monat) gibt. Je nachdem was du machst, kann das ganze auch sehr spannend sein bzw. praxisorientiert.
Ich denke du müsstest dir erstmal klar werden, ob du in eine Leitungsposition gehen möchtest oder eher Spezialist werden willst.
 
@Edward N. Ich sehe aber wenig Möglichkeiten, danach wieder aus dem öD heraus zu kommen. Das bereitet mir Sorge...

Wie oben bereits erwähnt glaube ich nicht, dass mich eine Spezialisten-Stelle auf lange Dauer glücklich machen würde. Ich suche seit Jahren immer wieder die Herausforderung.
Vermutlich ist die eigentliche Frage daher:
  • Spezialist -> Führungskraft
  • Projektmanager -> Führungskraft
In Anbetracht des bereits vorhandenen (eher breiten, aber für Führung vermutlich ausreichend tiefen) Fachwissens sehe ich die letztere Variante als vielversprechender.
 
Ich werde mich hüten konkrete Ratschläge zu erteilen, deshalb nur folgende Anmerkungen:

Wenn Du Heiko Mell noch nicht kanntest, dann nimm Dir Zeit ihn "kennenzulernen". Damals hatte die Homepage noch einen anderen Aufbau. Es waren über 1000 Beiträge verfügbar, in denen Herr Mell anhand von echten Zuschriften seine Sichtweise erläuterte. Ich habe mir dann jeden Tag zwei bis drei Beiträge durchgelesen, das ging fast ein Jahr. Ich will damit sagen, für diese Materie sollte man sich Zeit nehmen.

Du machst Dir über viele Aspekte Gedanken, was prinzipiell schon mal gut ist. Deinen Ausführungen kann man entnehmen, dass Du "etwas drauf hast" und sehr selbstbewusst bist. Aber Vorsicht! Mit Urteilen über sich selbst wie "Im Endeffekt bin ich der perfekte All-Rounder" sollte man als abhängiger Beschäftigter stets sparsam umgehen. Gültige Urteile über Deine Leistung werden immer die Vorgesetzten fällen. Warum das so ist? Stellen wir uns kurz die Situation vor dass Vorgesetzter und Mitarbeiter unterschiedlicher Meinung sind. Wer ist in dieser Situation wohl der Letztentscheider? Und wer jetzt auf die Idee kommt "Dann gehe ich eben zum Vorgesetzten des Vorgesetzten!" hat alles Zeug dazu seine Karriere im Keim zu ersticken.

Zu Beginn einer Karriere genügt es sich an "die Regeln" zu halten, genau zuzuhören wenn der Vorgesetzte etwas sagt (und zu wissen was er eigentlich damit meint) und hohes Engagement zu zeigen (egal was man tut).

Zu Deiner Ausführung...

"Im Endeffekt bin ich der perfekte All-Rounder. Gibt nichts, das ich nicht hinbekommen würde - natürlich immer mit ausreichend Einarbeitungszeit - ich kann ja nicht überall bis ins kleinste Detail drinstecken.
Diese Kombination macht (glaube ich) eigentlich nur in der Führungslaufbahn richtig Sinn.
(...)
Lässt sich diese Laufbahn auch aus Sicht der Work-Life-Balance vertreten?"


würde Herr Mell wohl schreiben: "Wer eine Führungslaufbahn anstrebt und Karriere machen will, der würde das Wort "Work-Life-Balance" nie in den Mund nehmen, er kennt es gar nicht! ;-)

Deine Frage "Wird wert darauf gelegt, dass ich notfalls mit dem Informatiker/Mathematiker/Physiker über ein Problem sprechen kann?" verstehe ich in Richtung "fachspezifisches" Problem. Weshalb sollte man von einem Nichtmathematiker erwarten dass er mit einem studierten Mathematiker auf Augenhöhe fachspezifische Probleme diskutieren kann?

Solltest Du Führungskraft werden, dann wird ständig Wert darauf gelegt dass Du mit anderen Personen (nicht nur aus dem Bereich MINT, auch Personaler oder Controller gehören dazu) über "allgemeine" Probleme wie Wiederbesetzungen, Krankenstände, Abmahnungen, Budgets, Kennzahlen,... sprechen kannst.
 
Keine Sorge, auch wenn ich ein gesundes Selbstbewusstsein mein Eigen nenne, kann ich mich unterordnen und weiß, dass ich genügend Schwächen habe. So plump hätte ich das bestimmt nicht vor dem Vorstand losgelassen - außer man kennt seinen Humor ;)

Ich habe mittlerweile überlegt was wohl mein ehemaliger Chef mir raten würde. Da er mich aber zur Führungskraft machen wollte, erübrigt sich eigentlich die Frage, ob er mich für fähig hält. Das tut er wohl. Auch die letzten Jahre hat er mich immer wieder in Personalangelegenheiten involviert (meine Meinung vor Ausstellung einer Abmahnung, Auswahl von Bewerbern, ...)

Ich rede nicht davon, "auf Augenhöhe" mit einem Spezialisten sprechen zu können. Aber manchmal bringt einen Input von Außen doch auf eine gute Idee. Oder bei der Teamzusammenstellung ist ein gewisses Wissen nötig, um überhaupt die passenden Charaktere mit ins Boot zu holen.

Deine Antwort ließt sich zusammengefasst für mich wie folgt:
  • Außerhalb einer Fachlaufbahn wird die Freizeit ordentlich leiden (ich habe noch ein spannendes Unternehmensgründungsprojekt im Software-Bereich mit einigen Kumpels am laufen. Ich werde dort die nächste Zeit nicht intensiv einsteigen - aber wöchentlich muss/möchte ich da noch 5-10 Stunden investieren können). Sport wird natürlich auch 3x/Woche gemacht^^
  • Als Führungskraft taugt man auch ohne - in diesem Fall - MINT-Studium. Dafür benötigt es andere Kompetenzen.

Ich hatte vor vielen Jahren mal einen Top-Berater beim Arbeitsamt. Vielleicht wäre das auch mal einen Besuch wert. Weiß aber nicht, ob mir da jemand zu diesem Problem Auskunft geben kann...

Ansonsten werde ich demnächst wohl einfach ein paar Vorstellungsgespräche führen und sehen, was mir am ehesten zusagt. Man kann sich ja mal etwas vom täglichen Arbeitstag erzählen lassen.
 
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