So gerne würde ich diesen Optimismus teilen können, aber in Deutschland sehe ich davon nichts. Zwar haben die USA einen meilenweiten Vorsprung in Sachen verfassungswidriger Überwachung, Speicherung und Auswertung von Bürgerdaten. Allerdings haben Sie einen ebenso großen und entscheidenen Vorsprung auf einer anderer Ebene: Sie fühlen sich - ob es der Realität entspricht oder nicht - als Menschen, die Demokratie leben.
In unserem Land hat sich seit dem Kaiserreich und den darauffolgenden - sehr tragischen - Jahren nichts verändert: Die Menschen in dieser Nation brauchen eine starke Hand, eine Schulter, einen Führer; oder in der aktuellen Konstellation eine Führerin. Was es sie kostet ist egal, denn für Deutsche gilt: Safety first. Ich entstamme einer jüdischen Familie und weiß von meinen Angehörigen aus erster Hand, in welche Abgründe dieses Verhalten die Menschen hat blicken lassen.
Das nächste Mal werden es nicht die Juden sein, keine Reichen; Paradoxerweise wohl umgekehrt. Wie in den (Massen-) Medien seit Jahren von prekär lebenden Menschen gesprochen wird ist - erschreckend; eine bewusste Maßnahme, Unruhe zu stiften - den Egoismus der Menschen zu stimulieren. Ich wurde zu meiner Schulzeit prüde angelächelt, als ich über die Möglichkeit sprach, daß sich dieses Land von seiner Rechtsstaatlichkeit Schritt für Schritt entfernen könne; daß es eine plausible - wenn nicht gar zwangsläufige - Option ist. Es liegt ein seltsamer Geruch in der Luft, nahezu jeder kann ihn spüren. Doch während in anderen Ländern zumindest augenscheinlich diskutiert wird lassen wir uns die Entscheidung gleich von vornherein abnehmen.
Das Puppentheater rund um BND-Skandal, NSA-Affären, verfassungswidrigem Harz IV, Strafverfolgung von Whistleblowern, dem Dilemma des Bankensystems, dem bewussten Herbeiführen einer breitflächigen Verarmung und der neuen - erneut verfassungswidrigen - Vorratsdatenspeicherung zeigt in Deutschland, entgegen der Darstellung in den Medien, bereits die Grundzüge eines parlamentarisch aufgebauten, aber dennoch totalitären Systems. Im Gegensatz zum Dritten Reich braucht man heute nicht einmal mehr Sondervollmachten, um verfassungswidrige Gesetze zu erlassen. Werden diese erfolgreich angefochten, ändert die Regierung ein paar Klauseln und treten kurze Zeit später erneut in Kraft. Danke, Frau Dr. Merkel, Sie haben damals sicher von den Besten gelernt.
Aber trotz all dieser Entwicklungen gilt für das deutsche Volk nachwievor: Sicherheit vor Freiheit, Einigkeit vor Diskurs, Führung statt Demokratie. Ein Trauerspiel. Wieder.