Ode an die Schweigepflicht

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Ode an die Schweigepflicht Teil 1

Ode an die Schweigepflicht: Die Wahrheit und das, was man sehen will…

In der heutigen Zeit stellt sich des öfteren die Frage, wozu der Mensch fähig ist. Da werden im Irak Zivilisten auf den Verdacht einer Verletzung einer Konvention hin von einer Nation ermordet (siehe Raketenangriff auf ein ziviles Gebäude, indem sich der Vermutung nach Saddam Hussein befunden haben soll), da werden vom aussterben bedrohte Wale zu Genusszwecken getötet, die Umwelt wird ohne Bedenken verschmutzt. Rechtsradikale mit klaren Gewalttendenzen können frei unter uns leben, immer mehr Kinder werden misshandelt und sexuell missbraucht. Mit Sicherheit eins der schlimmsten Verbrechen, daß ein junges Leben zerstört. Und noch immer werden tagtäglich Kinder missbraucht…
Gerade in der heutigen Zeit besonders nach dem Fall des Toten Pascals in Saarbrücken, bei dem nicht nur das Jugendamt auf fatale Weise versagte, sondern auch das Umfeld, sollte man denken, das Verdächtigungen im Bereich Kindsmisshandlung verstärkt nachgegangen werden sollte. Doch dieses scheint anhand des folgenden Beispieles gezeigt nicht der Fall zu sein. Wenn man erzählen würde, daß Zeugen aus zwar begründeter Angst vor Konsequenzen Verbrechen verschweigen, sollte man normalerweise denken, daß es solche Situation nur in schlechten Filmen gibt. Wenn es sich aber nun um Realität, das tägliche Leben handelt…?
Fakt ist auf alle Fälle, daß misshandelte Kinder genauso die Schule besuchen müssen, wie andere Kinder. Fakt ist außerdem, daß es den Lehrern und Erziehungspersonen selten verborgen bleibt, daß die Kinder Wundmale haben oder „wirres Zeug“ reden. Fakt ist desweiteren, daß solche Personen (sicher auch aus gutem Grund) eine Schweigepflicht abgelegt haben, um sich z. B. in der Öffentlichkeit nicht über die Lebensumstände anderer Leute lustig zu machen oder sie gar zu erpressen. Aus diesem Grund erfüllt die Schweigepflicht auch sicherlich ihren Zweck. Was wäre, wenn ein Arzt über die Potenzprobleme seines Patienten lästern würde oder ein Priester ein Verbrechen melden würde, daß ihm gebeichtet wurde? Immerhin hat sich die Person ihm anvertraut in der Hoffnung, Hilfe von ihm zu bekommen und nicht dadurch Probleme. Aber zurück zum Thema:
Fakt ist außerdem, daß es in Schulen eine gewisse Hierarchie gibt:
Schüler → Lehrer → Direktor
Der Lehrer gibt also seine Beobachtungen an den Direktor weiter, der seines seitens nach mehrmaligem Verständigen der Eltern ohne Ergebnis das Jugendamt verständigt. Noch scheint alles in Ordnung. Doch nun reißt die Kette der heilen Welt: Das Jugendamt fängt an zu schlampen. Verdächtigungen werden nur schleppend nachgegangen, Beweise werden missachtet, es wird gut zugeredet „man müsse den Eltern ja Zeit geben, so was ändert sich ja nicht von heute auf morgen“. So etwas soll nicht passieren, passiert aber.
Nun ist es ja so, daß es sich bei dem Jugendamt um eine Instanz handelt, die noch nicht über die „Obermacht“ verfügt. Es ist ja allgemein bekannt, das die Judikative mit Staatsanwaltschaft und Polizei über deutlich mehr Gewalt verfügt. Man sollte nun denken, wenn der Direktor einer Schule nun merkt, daß das Verfahren beim Jugendamt schon über ein Jahr dauert, daß er sich dazu entschließt, die höhere Instanz anzurufen. Sicher, würde das Probleme mit sich bringen. Die Polizei ist normalerweise nicht dafür bekannt besonders zimperlich zu sein. Haben sie einen Verdacht, so wird dem auch streng nachgegangen, ohne Rücksicht auf Verluste. Sicherlich wäre es dann so, daß das misshandelte Kind in so einem Fall aus seiner Familie gerissen werden würde und das man es in ein Heim stecken würde. Für ein Kind eine Katastrophe. Nur ist das Leben zuhause besser? Von seinem Vater tritiert zu werden („Ich wollte dich nie haben“), mit ihm abends in einem Bett schlafen zu müssen, die Geschwister, die mit 14 Jahren alleine den Haushalt schaffen müssen, ohne Essen in die Schule zu kommen. Ganz zu schweigen von den „Knutschflecken“ des Vaters, dem Reden des Kindes in der Schule („Papi hat mir die Nase blutig geschlagen.“)… mit 8 Jahren alleine, überflüssig, weggeschmissen? Haben wir als Erwachsene da das Recht zu? Haben wir das Recht, einem Kind das Leben zu zerstören?
Einige werden nun sagen: „Das geht mich ja nichts an.“ Richtig. Das ist die Sache derer, denen es auffällt, die sich darum kümmern. Nur was wenn diese Leute das auch sagen. „Von sich weisen, sich nicht darum kümmern, den schwarzen Peter weiterschieben“ ist das Stichwort. Soll sich ein anderer die Hände schmutzig machen… Aber ist das moralisch vertretbar?
„Ich kann mich nicht entscheiden, die Polizei / Jugendamt zu informieren oder ihn bei seinen Eltern leben zu lassen, weil ich nicht weiß was besser für ihn ist.“ sagen andere. Richtig. Aber hat man damit nicht entschieden nichts zu tun, also ihn bei seinen Eltern leben zu lassen UND ist es überhaupt Sinn und Zweck, sich darüber Gedanken zu machen, was besser ist? Fakt ist auf alle Fälle, daß hier ein Verbrechen passiert, und es gibt eine Bürgerpflicht, die jemanden dazu zwingt, Verbrechen zu melden. Ansonsten macht man sich strafbar.
„Ich habe Angst vor den Konsequenzen.“ Richtig. Das ist wohl auch der Grund in diesem Fall. Man bricht seine Schweigepflicht. Eventuell kommen Anzeige und Verleumdungsanzeige auf einen zu. Aber zerstört man durch das Nichtstun nicht einem Kind das Leben? Außerdem: Ist das nicht Egoismus? Handelt man nicht, um sich selbst zu schützen? Eine recht zweifelhafte Sache…
Der Direktor hofft auf alle Fälle weiter auf das Jugendamt…
Was ist nun jedoch wenn sich jemand gegen diese Denkweise stellt und es mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren kann, daß es so etwas gibt, er will etwas tun, hat ein schlechtes Gewissen…


Siehe Teil 2
 
so, nach diesem post kannst den 2. Teil schreiben weil dein artikel ja anscheinend zu lang ist. ich les mir das dann ma durch

Michi
 
Ode an die Schweigepflicht Teil 2

Was nun, wenn dieser jemand die Zivilcourage besitzt und die Polizei TROTZ all dieser Bedenken informiert? Hut ab, sollte man denken. Dieser Mensch hat Mut und gehört unterstützt. Man sollte denken, daß er für sein Tun und Handeln eine Art Vorbildfunktion erhält und mehrere andere seinem Tun nacheifern.
Das Problem ist an dieser Stelle jedoch der Egoismus anderer Leute. Immerhin geraten diejenigen, die geschwiegen haben, dadurch unter Druck. Hinzu kommt auch noch, daß es leider nun an dieser Stelle zu Ermittlungsfehlern kommt.
Die Anzeige wird anonym gemacht. Aus dem Grund, daß man Angst vor den Konsequenzen hat (siehe oben! Hätte nicht jeder ohne Angst eine anonyme Anzeige machen?). Allerdings möchte sich die Person unter Umständen bei Bearbeitung doch gerne als Zeuge zur Verfügung stellen und hinterlässt seine Telefonnummer, nur für den Fall, daß der Fall bearbeitet wird. Die Anonymität soll trotzdem ausdrücklich gewahrt bleiben. Nun geschieht der Fehler:
Die anonyme Anzeige wird zurückverfolgt (das gute Recht der Polizei). Es kommt auch zur Bearbeitung und zu einer Befragung der Lehrer. Allerdings wird hierbei der Fehler gemacht und der Name dieser Person genannt.
- Pol.: „Es liegen uns anonyme Anzeigen vor.“
- Leh.: „Ich kann mir schon denken, um wen es sich handelt…“
- Pol.: „Wo wohnt denn diese Person denn?“
- Leh.: „Sie wohnt in K.“
- Pol.: „Und wie heißt sie?“
- Leh.: „Sie heißt G.“
- Pol.: „Ja, das ist richtig…“ (Auszug / Gekürzt)
Was folgt ist zu erwarten. Ausgrenzung, Bedrängung, Bedrohung…. Warum? Nun, zu erwähnen wäre an dieser Stelle, daß es sich bei dieser Person, die den anonymen Hinweis gab, um einen Mitarbeiter der Lehrer handelt, der das ganze Martyrium mitbekommen hat, der zwar auch diese Schweigepflicht besitzt, sich aber darüber hinweggesetzt hat.
Jedenfalls wird diese Person tags darauf zum Direktor gerufen und über die Situation ausgefragt. Er ist sehr erbost und fühlt sich in seiner Position geschwächt. Immerhin hat ein Mitarbeiter seine Loyalität verletzt. Er hätte ihn informieren müssen, meint er. Jemanden, der ein Jahr lang zugesehen hat, wie das Jugendamt schläft? Wäre das eine Lösung gewesen? Irgendwann ist das Maß voll, die Grenze erreicht. Muß man sich dann wirklich an die Hierachie halten?
Aber ist es wirklich nur das, nur die fehlende Loyalität, die im nicht passt? Nein, sicher nicht, die Person hat ja damit, daß sie ein Verbrechen gemeldet hat seine Schweigepflicht verletzt. Aber fallen Verbrechen wirklich unter die Schweigepflicht? Auszug aus dem Strafgesetzbuch § 203:
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart (…) wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) (…)Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1 stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfasst worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden, soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.
Ist es nun juristisch verantwortbar, seine Schweigepflicht in diesem Rahmen zu brechen? Ja, auf alle Fälle. Nach Absatz 2 schon. Das Gesetz verlangt einen solchen Bruch sogar (Unterlassene Hilfeleistung).
Aber wahrscheinlich sind nicht einmal fehlende Loyalität oder gebrochene Schweigepflicht das Problem. Es geht höchstwahrscheinlich nur um die Vertuschung dieser Geschichte, um sich ein gutes Gewissen einzureden und seine Position zu behalten…
Ist es jedenfalls rechtens dieser Person mit Kündigung zu drohen (was in diesem Fall leider passiert ist)? Es wurde zwar nachher widerrufen („Ich wollte Ihnen ja nur einen Denkzettel verpassen…“), aber trotzdem. Ist das rechtens? Ein ganz klares Nein. Wahrscheinlich ist es sogar strafbar…
Aber die eigentliche Frage ist doch, was denkt sich der Direktor, eine Vorbildfunktion, dabei eine solche Geschichte unter den Tisch kehren zu wollen? Würden Sie einem solchen Menschen Ihr Kind anvertrauen? Ist die klassische Ein-Igelungs-Taktik der richtige Weg? Sollte man nicht den Kindern beibringen immer das zu sagen, was sie denken? Entscheiden Sie selbst…
Fazit:
Ist es in der heutigen Zeit nach all den Fehlern, Verbrechen und Opfern wirklich noch so, daß noch immer so verfahren wird wie vor 30 Jahren? Wir befinden uns im 21. Jahrhundert, ist Gewalt gegen Kinder da noch immer an der Tagesordnung und es wird stillschweigend weggesehen? Werden Märtyrer wirklich noch immer so mit Füssen getreten?
Anscheinend schon… Aber immerhin: Man hält sich ja nur an seine Schweigepflicht. Schweige, Pflicht. Vielleicht sollte man mal über die Wörter und ihre einzelne Bedeutung nachdenken… Vielleicht entdeckt man dann die Ironie…
Schöne neue, bürokratische Welt!




Ich befinde mich zur Zeit in dieser Situation und wenn ich Pech habe werde ich gekündigt und bekomme ein Disziplinarverfahren.

Bye Ballermannbaby
 
Willst du jetzt bedauert werden ?
Sollen die dir doch kündigen.
Wenn die das schaffen, dann schreib an die Klatschpresse.
 
der erste der den Beitrag nicht verstanden hat, wodrum es eigentlicht geht *g*
 
@ Ballermannbaby,
Das mußt Du mit Deinem Gewissen abmachen.
Kannst Du warten, wegsehen oder ergreifst Du die Initiative und lebst hinterher mit den Konsequenzen.
Als Märtyrer siehst Du Dich aber nicht wirklich, oder?
Ich glaube, Du hast richtig gehandelt und nun kämpf es durch.

Gruß

Elessar
 
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Reaktionen: longi
Dann erklär mal deine Intention um die 75 Seiten hier (welche in etwa soviel sagen wie 1/5 des Textes eines beliebigen anderen) zu schreiben, vielleicht versteh ichs dann.
 
Also erstens geht es nicht dadrum das ich bedauert werden will. Es geht mir einfach dadrum das so eine Situation es einfach nicht geben darf, und ich bin leider nicht die Einzigste. Kein Wunder das es Leute gibt die lieber schweigen als irgendetwas zu unternehmen, weil man am Ende die gearschte Person ist und man nur Ärger bekommt. Aber auch all den Problemen würde ich es immer wieder tun, weil es mein Gewissen einfach fordert.
Das sollen sie dir kündigen. So ein Spruch bringt natürlich nur einer der entweder noch zur Schule geht oder ihn das ganze nicht intressiert. Und über die momentane Arbeitsmarktlage muss ich hier doch keinen erklären.


Bye
 
Zum einen stellt sich wirklich die Frag, ob man das Recht hat über das Leben eines anderen zu entscheiden, denn beide Alternativen sind die Hölle:

Kindsmissbrauch = Kinderheim

Diese Enscheidung ist nicht leicht, denn man ist ja schliesslich auch nicht Gott!

Doch weisst Du was? Wenn Du das gemacht hast, was ich denke, dann halte ich dich für eine starke, gerechte und vor allem moralisch korrekte Person... Mein Respekt!

Wenn dir gekündigt wird, dann bist du rechtlich im Hintertreffen, doch in so einem Fall sind Richter auch nur Menschen, falls du vor Gericht ziehen willst. Doch wer will danach wieder an so einem Ort arbeiten?
 
Erstmal gratuliere ich dir zu deiner Courage, du hast dein eigenes Wohl hinter das eines anderen gestellt.

[anderes Thema]
Leider komme ich aber nicht mit deinem Text in der Art und Weise, wie du ihn verfasst hast, klar.
Für meinen Geschmack unglücklich ziehst du selbst sofort deine Konsequenzen und willst sie anderen oktroyieren, indem du aus deinen eigenen Konsequenzen folgerst.
Deswegen war für mich der erste Gedanke dahingehend, dass du selbst als Märtyrer dargestellt und bedauert werden willst. Wieso hast du es geschrieben wenn du nicht in deiner Handlung bekräftigt werden willst?
[/anderes Thema]

Du hast nach deinem besten Wissen und Gewissen gehandelt, das soll dir Nahrung im Kampf um dein eigenes Recht sein. Ich wünsche Dir viel Erfolg im Kampf gegen unsere Rechtsstaatlichkeit.

Nichtsdestotrotz sieht man an deinem Beispiel, dass eine gesunde Portion Egoismus für die eigene Karriere durchaus förderlicher sein kann.
Prozessieren und anklagen kann ich immer noch, wenn meine Altervorsorge steht.
 

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