Marvolo
Lt. Commander
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Die heutige 2000er / Gen-Z-Generation wird diesem Thread jetzt vermutlich nicht viel abgewinnen können - allenfalls mit Fragezeichen in den Augen die Google-Suchmaschine anwerfen und sich fragen, was zum Teufel diese 3 Buchstaben nun bedeuten sollen.
Für alle "vor-2000er-Kids", hauptsächlich all jene, die vor der Mitte der 90er geboren wurden, soll dieser Thread allerdings noch einmal eine kleine Zeitreise in die (aus heutiger Sicht) rudimentären & spartanischen Anfänge des Internets bzw. des Social-Networkings werden, um so den uns alle damals vereint habenden Messenger noch einmal gebührend zu würdigen, bevor er im Internet-Himmel verschwindet:
"Gib mir mal deine ICQ-Nummer" – unter jahrzehntelangen Nutzern des Internets ist der Besitz und das Auswendigwissen dieser meist 9-stelligen UIN eine Art Lackmustest. Ende der 1990er-Jahre und Anfang der 2000er-Jahre gehörte die ICQ-Nummer auf der Visitenkarte für Vollzeit-Onliner zum guten Ton. Wer könnte das dröhnende Nebelhorn, das uns beim Einloggen in den Messenger tagtäglich freudig in die Ohren bließ, denn schon vergessen haben? Von der Bekanntheit her dürfte er sich ohne Probleme zum tinnitus-artigen Piepen des Faxgeräts und zum knarzend-schrillen Getöse des 56k-Einwahlmodems dazugesellen.
Auch das berühmte "uh-oh", das bei jeder eingehenden Nachricht ertönte, dürfte bei vielen Internetnutzern der späten 90er und frühen 2000er Kultstatus haben. Schnell die Kopfhörer in die Buchse stecken, damit es im Wohnzimmer niemand hört: Die Nachrichten kommen im Sekundentakt an. Das „Ah oh“-Geräusch zu unterdrücken, das so viel Glück durch Kommunikation verspricht, war eine der wichtigsten Aufgaben vieler Teenager in den Abendstunden der 2000er Jahre, wenn eigentlich Vokabellernen angesagt war. ICQ war einer der ersten Instant-Messenger-Dienste und lieferte den zu verheimlichenden Dopaminkick der sozialen Onlinewelt. Nicht nur, weil man sonst ermahnt wurde, endlich seine Hausaufgaben zu erledigen, sondern vor allem wegen der elenden elterlichen Frage: „Mit wem schreibst du da eigentlich?“
Mit Mitschüler*innen, der heimlichen Liebe, mit Menschen aus digitalen Jugendclubs …
ICQ war der Ausweg für alle, die sich beim Telefonieren immer vertippten, Angst davor hatten, dass nicht die Freundin, sondern deren Vater abnimmt, die vor Aufregung stotterten. Vielleicht ist ICQ der Grund, warum so viele heute nicht mehr gerne telefonieren, denn es hat uns gezeigt: Musst du gar nicht! Du kannst auch einfach chatten. Macht eh mehr Spaß und geht sogar in der Nacht. Wenn die erste große Liebe ein halbes Jahr auf Schüleraustausch in den USA ist, stellt man sich einfach den Wecker auf 3 Uhr nachts, um Nachrichten auszutauschen. Und wenn alles zu überfordernd wird, kann man auch einfach einen Youtube-Link zu einer pathetischen Hardcore-Schnulze verschicken.
Irgendwann hatte selbst das schäbigste Internetcafé hinterm Hauptbahnhof ICQ auf den Rechnern. Das war häufiger mal nötig, wenn man sich beim Datentausch via ICQ irgendwelche Viren eingefangen hatte. Denn der Dienst war auch: Malware, Phishing, Mobbing. Aber er hatte eben auch animierte Emoticons, die lärmend den Screen blockierten. Der „I can’t hear you“-Typ etwa, der über zehn Sekunden lang die Finger in seine übergroßen Ohren stopft und singt. Eine wundervoll ironisches Schuldeingeständnis, wenn man einsieht, dass man berechtigterweise kritisiert wird, aber noch nicht das Format hat zu sagen: „Stimmt, das war scheiße von mir.“
ICQ war Ende der 1990er-Jahre so revolutionär und beliebt, weil es so einfach war und schlicht funktionierte. Der Name steht für "I seek you", also: Ich suche dich. Und anhand der ICQ-Nummer, die wie eine Telefonnummer genutzt wurde, konnte man Nutzer auch einfach finden. Heutige Smartphone-Messenger sind in der Regel auch an die Telefonnummer des Geräts gebunden. ICQ führte, weil es für PCs keine eindeutige Identifikation gab, einfach seine eigene Nummer ein, die "User Identification Number" (UIN).
Das war's: Mit seiner ICQ-Nummer konnte man sich auch auf einem fremden Gerät anmelden, den zum Beispiel in Internet-Cafés meist installierten Messenger verwenden und einfach los chatten. Das lief alles servergestützt, eigene Infrastruktur war nicht nötig. Auch Dateien konnten übertragen werden, später waren auch Sprach- und Videoanrufe möglich. Ebenso konnte man Gruppen erstellen, eine Funktion, die später durch WhatsApp für viele Menschen unverzichtbar wurde. Das Verzeichnis von ICQ ließ sich ebenfalls nach Nutzernamen und, sofern hinterlegt, Mailadressen durchsuchen, nur: Das war nicht zwingend nötig. Nur die UIN eingeben reichte auch für Anonymität. Auf dem eigenen PC konnte man den Nummern dann Nutzernamen zuordnen, die aber nicht veröffentlicht wurden.
Weil diese zeitversetzte und auch in Gruppen organisierte Kommunikation abseits von – oft noch kostenpflichtigen – SMS so gut funktionierte, war ICQ auf den Windows-PCs der Zeit häufig ein Autostart-Programm. Menschen vernetzten sich so, insbesondere die noch junge Szene der Online-Gamer. Für die war um die Jahrtausendwende zwar der Internet Relay Chat (IRC) das eigentliche Nervensystem, aber ICQ das Mittel der Wahl für direkte 1:1-Kommunikation. Erst, wenn jemand nicht per ICQ erreichbar war – also offenbar nicht am PC saß – griff man zum Telefon.
Im Gegensatz zu heutigen Messengern war ICQ seit der Übernahme durch AOL zudem auf eine bestimmte Offenheit ausgelegt, dafür sorgte das Protokoll "Open System for CommunicAtion in Realtime" (OSCAR). AOL hatte das halbwegs gut dokumentiert, aber erst viel später wirklich offengelegt. Die APIs waren aber so transparent, dass man eigene Clients für ICQ und andere Messenger entwickeln konnte, populäre Tools waren unter anderem Miranda, Pidgin und Trillian.
Weil Instant Messaging Ende der 1990er für viele neu war, gab es in den Anfangszeiten von ICQ aber auch die Probleme, die heute noch existieren: Account-Diebstahl, Phishing und Spam sind nur einige der unschönen Nebeneffekte. Anfragen von unbekannten Accounts blockierte man lieber nach den ersten schlechten Erfahrungen, und auf einer LAN-Party sicherte man den Rechner lieber auch besonders, um Veränderungen an der lokal gespeicherten Kontaktliste zu verhindern. Und auch die Sicherheit der Anwendung selbst war nicht immer ideal, noch 2011 war es möglich, ICQ über seine automatische Updatefunktion Malware unterzuschieben.
Finanziert hat sich ICQ, wie auch bei vielen mobilen Messengern heute, schon früh durch Werbung. Der Desktop-Client bot eigene Kanäle, wie für Reisen und Shopping an. Zeitweise war ICQ AOLs wirtschaftlich erfolgreichstes Produkt. Warum VK ihn jetzt einstellt, gibt das Unternehmen nicht an, es empfiehlt den Umstieg auf den VK Messenger.
Bleibt nur noch zu klären, woher der Uh-Oh-Sound wirklich kommt. Das ist nicht so einfach, wie man glauben mag, denn das Tongedächtnis kann trügen. Viele assoziieren das Sample mit der Amiga-Version des Spiels "Lemmings" (1991), das stimmt aber nicht ganz. Bevor man – was manchmal nötig ist – die putzigen Figuren sprengt, sagen sie "Oh no". Das ist beispielsweise an dieser Stelle eines YouTube-Videos mit einem Longplay des Spiels zu hören. Auch die im selben Jahr erschienene Erweiterung des Spiels hieß "Oh no! More Lemmings", und eben nicht "Uh-Oh".
Wohl davon inspiriert findet sich ein ähnlicher Sound im ebenfalls wuseligen Spiel "Worms" (1995), da sagen die Figuren dann "Uh-Oh". Das klingt ähnlich wie der ICQ-Sound von 1996, aber passt auch nicht ganz. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Entwickler den gleichen Sound unabhängig voneinander auf einer der damals populären Sample-CDs gefunden haben könnten, die vorwiegend für Musikproduktion vorgesehen waren. Dasselbe Sample könnte dann für Worms und ICQ leicht verfremdet worden sein.
1996 entwickelte ein israelisches Start-up von vier gelangweilten Studierenden ICQ. Nach nur zwei Jahren kaufte AOL (die mit den Internet-CDs) das Start-up auch schon für mehr als 400 Millionen US-Dollar auf. Denn ICQ war ein Zauber: Es bot die gleichen Möglichkeiten wie Chatrooms – nur eben als Programm. Man musste keine URL mehr eintippen, nach den aktuell besten Websites suchen, unglücklich durch Räume crashen. Man meldete sich einfach an und konnte über eine Nummer, die Telefonnummern glich, gezielt den Menschen schreiben, die man erreichen wollte, also die, die man eh eben erst in der Schule gesehen hatte. ICQ steht für „I seek you“, also „ich suche dich“. Dabei machte es die Suche unnötig.
Wie AOL im Jahr 2001 angab, hatte ICQ damals schon über 100 Millionen Nutzer. Im Jahr 2009 sollen es über 470 Millionen gewesen sein, was auch den Höhepunkt des Instant-Messagings auf dem PC darstellen dürfte, weil sich Smartphones zu dieser Zeit langsam durchsetzten. Im gleichen Jahr wurde Whatsapp gegründet, und das arbeitete mit echten Telefonnummern, es war viel einfacher.
Gleichzeitig verlor ICQ auf dem Desktop gegen Facebook und Co; die ermöglichten nicht nur das Chatten, sondern eine digitale Pinnwand für Fotos, Meinungen, Bewertungen. 2010 verkaufte AOL ICQ an ein russisches Unternehmen, das später als Mail.ru-Group bekannt wurde und zu dem der propagandatriefende Facebook-Klon VKontakte gehört. Die Nutzer*innenzahlen lagen da nur noch bei 42 Millionen. ICQ ging den Bach runter und selbst ein verzweifelter Relaunch konnte nicht helfen.
Der Dienst hat seine Daten nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt, liegt in russischen Händen. Dort werden Menschen für ihre Inhalte auf VKontakte schon mal in den Knast gesteckt. Am 26. Juni 2024 wird der Dienst nun endgültig abgeschaltet, wie der heutige Betreiber auf der immer noch existierenden Webseite icq.com mitteilt.
ICQ, du mit den niedlichen Emojis und der Jugendliebe, du, das den Absprung in die Zukunft und die freie Komunikation nicht geschafft hat. Es ist gut, dass du nun stirbst...
Für alle "vor-2000er-Kids", hauptsächlich all jene, die vor der Mitte der 90er geboren wurden, soll dieser Thread allerdings noch einmal eine kleine Zeitreise in die (aus heutiger Sicht) rudimentären & spartanischen Anfänge des Internets bzw. des Social-Networkings werden, um so den uns alle damals vereint habenden Messenger noch einmal gebührend zu würdigen, bevor er im Internet-Himmel verschwindet:
"Gib mir mal deine ICQ-Nummer" – unter jahrzehntelangen Nutzern des Internets ist der Besitz und das Auswendigwissen dieser meist 9-stelligen UIN eine Art Lackmustest. Ende der 1990er-Jahre und Anfang der 2000er-Jahre gehörte die ICQ-Nummer auf der Visitenkarte für Vollzeit-Onliner zum guten Ton. Wer könnte das dröhnende Nebelhorn, das uns beim Einloggen in den Messenger tagtäglich freudig in die Ohren bließ, denn schon vergessen haben? Von der Bekanntheit her dürfte er sich ohne Probleme zum tinnitus-artigen Piepen des Faxgeräts und zum knarzend-schrillen Getöse des 56k-Einwahlmodems dazugesellen.
Auch das berühmte "uh-oh", das bei jeder eingehenden Nachricht ertönte, dürfte bei vielen Internetnutzern der späten 90er und frühen 2000er Kultstatus haben. Schnell die Kopfhörer in die Buchse stecken, damit es im Wohnzimmer niemand hört: Die Nachrichten kommen im Sekundentakt an. Das „Ah oh“-Geräusch zu unterdrücken, das so viel Glück durch Kommunikation verspricht, war eine der wichtigsten Aufgaben vieler Teenager in den Abendstunden der 2000er Jahre, wenn eigentlich Vokabellernen angesagt war. ICQ war einer der ersten Instant-Messenger-Dienste und lieferte den zu verheimlichenden Dopaminkick der sozialen Onlinewelt. Nicht nur, weil man sonst ermahnt wurde, endlich seine Hausaufgaben zu erledigen, sondern vor allem wegen der elenden elterlichen Frage: „Mit wem schreibst du da eigentlich?“
Mit Mitschüler*innen, der heimlichen Liebe, mit Menschen aus digitalen Jugendclubs …
ICQ war der Ausweg für alle, die sich beim Telefonieren immer vertippten, Angst davor hatten, dass nicht die Freundin, sondern deren Vater abnimmt, die vor Aufregung stotterten. Vielleicht ist ICQ der Grund, warum so viele heute nicht mehr gerne telefonieren, denn es hat uns gezeigt: Musst du gar nicht! Du kannst auch einfach chatten. Macht eh mehr Spaß und geht sogar in der Nacht. Wenn die erste große Liebe ein halbes Jahr auf Schüleraustausch in den USA ist, stellt man sich einfach den Wecker auf 3 Uhr nachts, um Nachrichten auszutauschen. Und wenn alles zu überfordernd wird, kann man auch einfach einen Youtube-Link zu einer pathetischen Hardcore-Schnulze verschicken.
Irgendwann hatte selbst das schäbigste Internetcafé hinterm Hauptbahnhof ICQ auf den Rechnern. Das war häufiger mal nötig, wenn man sich beim Datentausch via ICQ irgendwelche Viren eingefangen hatte. Denn der Dienst war auch: Malware, Phishing, Mobbing. Aber er hatte eben auch animierte Emoticons, die lärmend den Screen blockierten. Der „I can’t hear you“-Typ etwa, der über zehn Sekunden lang die Finger in seine übergroßen Ohren stopft und singt. Eine wundervoll ironisches Schuldeingeständnis, wenn man einsieht, dass man berechtigterweise kritisiert wird, aber noch nicht das Format hat zu sagen: „Stimmt, das war scheiße von mir.“
Die UIN statt Telefonnummer war der Trick
ICQ war Ende der 1990er-Jahre so revolutionär und beliebt, weil es so einfach war und schlicht funktionierte. Der Name steht für "I seek you", also: Ich suche dich. Und anhand der ICQ-Nummer, die wie eine Telefonnummer genutzt wurde, konnte man Nutzer auch einfach finden. Heutige Smartphone-Messenger sind in der Regel auch an die Telefonnummer des Geräts gebunden. ICQ führte, weil es für PCs keine eindeutige Identifikation gab, einfach seine eigene Nummer ein, die "User Identification Number" (UIN).
Das war's: Mit seiner ICQ-Nummer konnte man sich auch auf einem fremden Gerät anmelden, den zum Beispiel in Internet-Cafés meist installierten Messenger verwenden und einfach los chatten. Das lief alles servergestützt, eigene Infrastruktur war nicht nötig. Auch Dateien konnten übertragen werden, später waren auch Sprach- und Videoanrufe möglich. Ebenso konnte man Gruppen erstellen, eine Funktion, die später durch WhatsApp für viele Menschen unverzichtbar wurde. Das Verzeichnis von ICQ ließ sich ebenfalls nach Nutzernamen und, sofern hinterlegt, Mailadressen durchsuchen, nur: Das war nicht zwingend nötig. Nur die UIN eingeben reichte auch für Anonymität. Auf dem eigenen PC konnte man den Nummern dann Nutzernamen zuordnen, die aber nicht veröffentlicht wurden.
ICQ statt Anruf
Weil diese zeitversetzte und auch in Gruppen organisierte Kommunikation abseits von – oft noch kostenpflichtigen – SMS so gut funktionierte, war ICQ auf den Windows-PCs der Zeit häufig ein Autostart-Programm. Menschen vernetzten sich so, insbesondere die noch junge Szene der Online-Gamer. Für die war um die Jahrtausendwende zwar der Internet Relay Chat (IRC) das eigentliche Nervensystem, aber ICQ das Mittel der Wahl für direkte 1:1-Kommunikation. Erst, wenn jemand nicht per ICQ erreichbar war – also offenbar nicht am PC saß – griff man zum Telefon.
Im Gegensatz zu heutigen Messengern war ICQ seit der Übernahme durch AOL zudem auf eine bestimmte Offenheit ausgelegt, dafür sorgte das Protokoll "Open System for CommunicAtion in Realtime" (OSCAR). AOL hatte das halbwegs gut dokumentiert, aber erst viel später wirklich offengelegt. Die APIs waren aber so transparent, dass man eigene Clients für ICQ und andere Messenger entwickeln konnte, populäre Tools waren unter anderem Miranda, Pidgin und Trillian.
Security als Problem
Weil Instant Messaging Ende der 1990er für viele neu war, gab es in den Anfangszeiten von ICQ aber auch die Probleme, die heute noch existieren: Account-Diebstahl, Phishing und Spam sind nur einige der unschönen Nebeneffekte. Anfragen von unbekannten Accounts blockierte man lieber nach den ersten schlechten Erfahrungen, und auf einer LAN-Party sicherte man den Rechner lieber auch besonders, um Veränderungen an der lokal gespeicherten Kontaktliste zu verhindern. Und auch die Sicherheit der Anwendung selbst war nicht immer ideal, noch 2011 war es möglich, ICQ über seine automatische Updatefunktion Malware unterzuschieben.
Finanziert hat sich ICQ, wie auch bei vielen mobilen Messengern heute, schon früh durch Werbung. Der Desktop-Client bot eigene Kanäle, wie für Reisen und Shopping an. Zeitweise war ICQ AOLs wirtschaftlich erfolgreichstes Produkt. Warum VK ihn jetzt einstellt, gibt das Unternehmen nicht an, es empfiehlt den Umstieg auf den VK Messenger.
Woher stammt der ICQ-Sound?
Bleibt nur noch zu klären, woher der Uh-Oh-Sound wirklich kommt. Das ist nicht so einfach, wie man glauben mag, denn das Tongedächtnis kann trügen. Viele assoziieren das Sample mit der Amiga-Version des Spiels "Lemmings" (1991), das stimmt aber nicht ganz. Bevor man – was manchmal nötig ist – die putzigen Figuren sprengt, sagen sie "Oh no". Das ist beispielsweise an dieser Stelle eines YouTube-Videos mit einem Longplay des Spiels zu hören. Auch die im selben Jahr erschienene Erweiterung des Spiels hieß "Oh no! More Lemmings", und eben nicht "Uh-Oh".
Wohl davon inspiriert findet sich ein ähnlicher Sound im ebenfalls wuseligen Spiel "Worms" (1995), da sagen die Figuren dann "Uh-Oh". Das klingt ähnlich wie der ICQ-Sound von 1996, aber passt auch nicht ganz. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Entwickler den gleichen Sound unabhängig voneinander auf einer der damals populären Sample-CDs gefunden haben könnten, die vorwiegend für Musikproduktion vorgesehen waren. Dasselbe Sample könnte dann für Worms und ICQ leicht verfremdet worden sein.
Der Zahn der Zeit nagt auch an ICQ
1996 entwickelte ein israelisches Start-up von vier gelangweilten Studierenden ICQ. Nach nur zwei Jahren kaufte AOL (die mit den Internet-CDs) das Start-up auch schon für mehr als 400 Millionen US-Dollar auf. Denn ICQ war ein Zauber: Es bot die gleichen Möglichkeiten wie Chatrooms – nur eben als Programm. Man musste keine URL mehr eintippen, nach den aktuell besten Websites suchen, unglücklich durch Räume crashen. Man meldete sich einfach an und konnte über eine Nummer, die Telefonnummern glich, gezielt den Menschen schreiben, die man erreichen wollte, also die, die man eh eben erst in der Schule gesehen hatte. ICQ steht für „I seek you“, also „ich suche dich“. Dabei machte es die Suche unnötig.
Wie AOL im Jahr 2001 angab, hatte ICQ damals schon über 100 Millionen Nutzer. Im Jahr 2009 sollen es über 470 Millionen gewesen sein, was auch den Höhepunkt des Instant-Messagings auf dem PC darstellen dürfte, weil sich Smartphones zu dieser Zeit langsam durchsetzten. Im gleichen Jahr wurde Whatsapp gegründet, und das arbeitete mit echten Telefonnummern, es war viel einfacher.
Gleichzeitig verlor ICQ auf dem Desktop gegen Facebook und Co; die ermöglichten nicht nur das Chatten, sondern eine digitale Pinnwand für Fotos, Meinungen, Bewertungen. 2010 verkaufte AOL ICQ an ein russisches Unternehmen, das später als Mail.ru-Group bekannt wurde und zu dem der propagandatriefende Facebook-Klon VKontakte gehört. Die Nutzer*innenzahlen lagen da nur noch bei 42 Millionen. ICQ ging den Bach runter und selbst ein verzweifelter Relaunch konnte nicht helfen.
Der Dienst hat seine Daten nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt, liegt in russischen Händen. Dort werden Menschen für ihre Inhalte auf VKontakte schon mal in den Knast gesteckt. Am 26. Juni 2024 wird der Dienst nun endgültig abgeschaltet, wie der heutige Betreiber auf der immer noch existierenden Webseite icq.com mitteilt.
ICQ, du mit den niedlichen Emojis und der Jugendliebe, du, das den Absprung in die Zukunft und die freie Komunikation nicht geschafft hat. Es ist gut, dass du nun stirbst...
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