Pumpenloser Flüssigkeitskühler aus Darmstadt
Anfang des Monats berichteten wir über eine pumpenlose Wasserkühlung aus den USA, die zur Zirkulation von Wasser den Kapillareffekt ausnutzt und in der Lage sein soll, Wärmeenergie von über 550 Watt pro Quadratzentimeter abzuführen. Doch auch an der TU Darmstadt arbeiten Forscher an kapillar gepumpten Wärmeübertragungssystemen.
Am Fachgebiet für Technische Thermodynamik und am Center of Smart Interfaces an der TU Darmstadt wurde ein neuartiges kapillar gepumptes Wärmeübertragungssystem mit zwei Kreisläufen zur Abfuhr von großen Wärmeströmen entwickelt (siehe Abb. 1). Im Vergleich zu bisherigen Lösungen mit ähnlicher Technik soll es sich durch einen einfachen Start des Systems, einen geringen Versiegelungsaufwand, Toleranz gegenüber nicht kondensierbaren Gasen im System sowie ein vergleichsweise variables Kühlmittelvolumen auszeichnen.
Das System beruht auf der Verdampfung eines Arbeitsmediums, wie man es auch von Heatpipes kennt. Dabei wird Wärme im Verdampfer in Form von Verdampfungsenthalpie aufgenommen und bei der Kondensation im Kondensator wieder abgegeben. Das Gros der Wärmeenergie wird dabei über den Kondensator im Verdampferkreislauf abgegeben, ein zweiter Kondensator im Tankkreislauf gewinnt zu diesem Zweck erst bei höheren Wärmeströmen an Bedeutung. Mit dem Arbeitsmedium Wasser konnten Wärmestromdichten von bis zu 100 W/cm² erzielt werden. Kernelement des kapillar gepumpten Kreislaufs ist ein Verdampfer, der eine Kapillarstruktur enthält. Heatpipes benötigen im Gegensatz dazu zum Flüssigkeitstransport nicht nur im Verdampfer Kapillarstrukturen, sondern auch im Kondensator und in der adiabatischen Transportzone.
Abbildung 2 zeigt den Aufbau des mit Ausnahme der Kapillarstruktur aus Kupfer gefertigten Verdampfers in Form einer Explosionsdarstellung. Die Zufuhr von Flüssigkeit und Wärme zu der Kapillarstruktur wird von gegenüberliegenden Seiten realisiert. Dieses „inverted meniscus“ genannte Prinzip wird auch in einigen Heatpipes eingesetzt und ermöglicht die Übertragung von sehr hohen Wärmeströmen. Ähnlich einem Lampendocht saugt die aus gesinterten Bronzekügelchen hergestellte Kapillarstruktur während der Verdampfung das flüssige Arbeitsmedium aus dem Tank und dem Kondensator an. Die zur Verdampfung nötige Wärme wird von der Quelle (in diesem Fall dem Prozessor) über die Stege der Dampfabzugskanäle auf die Kapillarstruktur übertragen. Gleichzeitig sorgen die Kapillarkräfte dafür, dass in den Dampfabzugskanälen ein höherer Druck aufgebaut wird als in der Flüssigkeitskammer. Der Überdruck in den Dampfabzugskanälen sorgt für die Zirkulation des Fluids im Verdampferkreislauf. Da der Flüssigkeitstransport durch Kapillarkräfte erfolgt, kann auf eine Pumpe verzichtet werden.
Der zweite Kreislauf, der Tankkreislauf, dient dem Entfernen von nicht kondensierbaren Gasen und Dampfblasen aus der Flüssigkeitskammer des Verdampfers und verrichtet seine Arbeit auf Basis von Auftriebskräften. Mit steigenden Wärmestromdichten übernimmt er darüber hinaus zunehmend die Abgabe eines Teils der Wärmeenergie an die Umgebung. Durch das Abführen von Gasen aus der Flüssigkeitskammer sollen Blockaden verhindert werden, wodurch die Anforderungen an die Befüllung und die Abdichtung des Systems sinken. Als Tank dient eine flexible, 110 cm³ fassende Silikonblase, die unabhängig von der Temperatur im System immer etwa den Umgebungsdruck hält.
Nach umfassenden Tests im Labor sollte das System seine Leistungsfähigkeit in einer praktischen Anwendung zeigen. Dazu wurde ein handelsüblicher Rechner auf eine CPU-Kühlung durch das Wärmeübertragungssystem umgebaut (siehe Abb. 3). Bei der verwendeten CPU handelt es sich um einen schon etwas betagteren Pentium 4 mit einer Taktrate von 3,4 GHz und einer maximalen Leistungsaufnahme von 115 Watt. Der ursprünglich vorhandene CPU-Kühler mit Lüfter sowie der an der Rückseite des Gehäuses angebrachte Gehäuselüfter wurden bei dem Umbau des Computers entfernt. Der Verdampfer hat eine wärmeübertragende Fläche von nur 3 cm² und ist somit für den Wärmeverteiler der CPU mit einer Fläche von 9 cm² in den Abmessungen stark unterdimensioniert. Die beiden Kondensatoren werden lautlos durch natürliche Konvektion der umgebenden Luft gekühlt. Kondensator A, der im Verdampferkreislauf angeordnet ist, wurde außerhalb des Computergehäuses an dessen Rückseite angebracht. Dadurch wird der größte Teil der in der CPU generierten Wärme an die Außenluft abgeführt und verbleibt nicht innerhalb des Computergehäuses.
Der kleinere Kondensator B ist innerhalb des Gehäuses angebracht. Als Kühlmittel wurde Methanol verwendet, das bei Normaldruck einen Siedepunkt von 64,2 °C hat. Da die Transportleistung des kapillar gepumpten Wärmeübertragungssystems auf Verdampfung und Kondensation des Arbeitsmediums beruht, fängt die Flüssigkeit erst oberhalb der Siedetemperatur an zu zirkulieren und zu kühlen. Bei einer Prozessorleistung von 102 Watt und einer Umgebungstemperatur von 24 °C wurde ein Prozessortemperatur von 88 °C gemessen. Bezogen auf die Fläche des Verdampfers lag die Wärmestromdichte bei 34 W/cm². Gängige Luftkühler weisen dagegen Werte von etwa 1,6 W/cm² auf und benötigen entsprechend großzügig dimensionierte Kühlrippen. Die von den Forschern gemessene CPU-Temperatur ist zwar in einem relativ hohen Bereich, wird jedoch von vielen aktuellen CPUs noch toleriert. Bedenkt man zudem, dass der Verdampfer nur 1/3 der Fläche der gekapselten CPU kühlt und bei weitem nicht jede CPU so viel Verlustleistung produziert, ist noch reichlich Spielraum nach oben.
Der Versuch mit dem umgerüsteten PC zeigt in jedem Fall, dass sich das kapillar gepumpte Wärmeübertragungssystem im Prinzip zur Kühlung von aktuellen und zukünftigen Computerchips eignet und erlaubt – eine nicht ganz so stark heizende CPU vorausgesetzt – die Verringerung der Fläche des Heatspreaders eines aktuellen Computerchips auf 1/3 der Fläche. Zukünftige CPUs mit den gleichen Abmessungen wie die Untersuchte, aber mit der dreifachen Leistung (306 Watt), seien daher voraussichtlich mit einem in den Abmessungen angepassten Wärmeübertragungssystem kühlbar. Zu diesen vielversprechenden Leistungsdaten kommt hinzu, dass die Kühlung passiv und daher lautlos und ohne Energieaufwand erfolgt. Gegenüber dem ursprünglichen Computer konnten beim Test zwei Lüfter eingespart werden.
In zukünftigen Forschungsarbeiten planen die Darmstädter Forscher mit den porösen Strukturen und dem Kühlmittel zwei wesentliche Punkte des Systems zu optimieren: Strukturen mit kleineren Porenweiten ermöglichen höhere Kapillarkräfte und könnten daher in zukünftigen Verdampfern zu noch höheren Wärmeübertragungsleistungen führen. Die Forscher aus den USA nutzen dazu beispielsweise mit Kupfer überzogene Kohlenstoffnanoröhren. Deren Durchmesser ist mit 50 Nanometern etwa um den Faktor 800 kleiner als die Poren des aktuell von den Darmstädter Forschern genutzten Materials mit einer durchschnittlichen Porengröße von 40 µm. Als Arbeitsmedium soll darüber hinaus in Zukunft eine Flüssigkeit mit einer geringeren Siedetemperatur als das verwendete Methanol eingesetzt werden, wodurch die Prozessortemperaturen nochmals deutlich sinken sollen.
Abseits der Kühlung von Computern wird das Wärmeübertragungssystem auch als Komponente eines Mikroenergiewandlers ohne bewegliche Teile erprobt, mit dem sich mobile Elektronik durch die Verbrennung von Methanol zur Generierung von elektrischem Strom länger als mit Batterien betreiben lassen soll. Dabei erfüllt der Verdampfer gleich zwei Aufgaben: Vor der Verbrennung verdampft er das flüssige Methanol, das dann gemischt mit Luft in der Brennkammer möglichst vollständig verbrannt wird. Die dabei entstehende Wärme wird von einem thermoelektrischen Generator teilweise in Strom umgewandelt. Die Kühlung von dessen kalter Seite ist die zweite Aufgabe des Verdampfers. Die Leistungsfähigkeit eines solchen Mikroenergiewandlers liegt derzeit jedoch nur auf dem Niveau von Batterien und Akkus. Besserung versprechen hier aber neue thermolektrische Generatoren, die noch in der Entwicklung sind. Zudem ist noch ein gutes Stück Ingenieurskunst nötig, um die komplette Apparatur soweit zu verkleinern, dass sie in Laptops oder gar noch kleineren Geräten Platz findet.