Vorwurf gegen Facebook: Millionen von Nutzerdaten im Tausch für Zugang in China

Michael Schäfer
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Vorwurf gegen Facebook: Millionen von Nutzerdaten im Tausch für Zugang in China
Bild: mkhmarketing | CC BY 2.0

Meta sieht sich aktuell mit Vorwürfen konfrontiert, wonach das soziale Netzwerk Facebook bei dem Versuch, seine Aktivitäten in China auszubauen, auch nicht vor der Einrichtung eines Zensursystems und der Unterdrückung abweichender Meinungen zurückgeschreckt haben soll. Bis heute ist Facebook in China blockiert.

Schwerwiegende Vorwürfe

Diese Anschuldigungen erhebt Sarah Wynn-Williams in einer 78-seitigen Beschwerde, die der Washington Post vorliegt. Wynn-Williams hatte das Unternehmen 2017 verlassen müssen, davor in einem Team für die China-Strategie gearbeitet.

In ihrer Beschwerde dokumentiert sie dem Bericht nach, dass der Social-Media-Riese so verzweifelt versucht haben soll, in den lukrativen chinesischen Markt einzutreten, dass er der dortigen Regierung ermöglichen wollte, sämtliche Social-Media-Inhalte im Land zu überwachen und abweichende Meinungen zu unterdrücken.

Project Aldrin: Facebook für China

Laut der Beschwerde stellte CEO Mark Zuckerberg bereits 2014 ein Team zusammen, das unter dem Codenamen „Project Aldrin“ eine speziell für China angepasste Version von Facebook entwickeln sollte. Ziel war es, den chinesischen Behörden zu signalisieren, dass das Unternehmen bereit sei, deren Vorgaben zu erfüllen.

Die bereits im April 2024 bei der US-Börsenaufsichtsbehörde United States Securities and Exchange Commission (SEC) eingereichte Beschwerde führt weiter aus, dass Facebook-Mitarbeiter im Juli 2014 einen Brief von Zuckerberg an Lu Wei, den damaligen Leiter der chinesischen Internetbehörde, vorbereitet hätten. Darin erklärte das Unternehmen, bereits mit dem chinesischen Konsulat in San Francisco zusammengearbeitet zu haben, um „terroristische Websites, die für China potenziell gefährlich seien, zu entfernen“. Gleichzeitig bot Facebook an, „enger mit allen Ihren Botschaften oder Konsulaten auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten“. Zudem habe das Unternehmen erwogen, Datenschutzrichtlinien zugunsten der chinesischen Regierung zu lockern, was auch Nutzer in Hongkong betroffen hätte.

Zensursystem für China

Im Jahr 2015 sollen zudem konkrete Pläne für die Entwicklung eines Zensursystems für China entstanden sein. Geplant war die Einsetzung eines „Chefredakteurs“, der entscheiden sollte, welche Inhalte zu entfernen wären. Das System sollte speziell für die Überprüfung in China entwickelt werden und über eine automatische Erkennung sensibler Begriffe sowie populärer Inhalte verfügen. Außerdem sollten mindestens 300 Inhaltsmoderatoren eingestellt werden, um das System zu betreiben. Weiterhin sei diskutiert worden, die gesamte Plattform in Zeiten „sozialer Unruhen“ abschalten zu können.

Darüber hinaus soll Facebook laut der Beschwerde bereit gewesen sein, das Konto eines hochrangigen chinesischen Dissidenten in den USA zu schließen. Ferner schränkte Meta im Jahr 2017 das Konto von Guo Wengui, einem bekannten Kritiker der chinesischen Regierung, ein – angeblich auf Bitte der obersten chinesischen Internet-Regulierungsbehörde. Damit sollte offenbar die Bereitschaft des Unternehmens getestet werden, „gegenseitige Interessen anzusprechen“.

Nutzerdaten auf chinesischen Servern

Zudem stand das Unternehmen offenbar dabei unter erheblichem Druck von chinesischen Regierungsvertretern, die forderten, dass die Daten chinesischer Nutzer auf Servern in China gespeichert würden. Dies hätte der Regierung den Zugriff auf persönliche Informationen erheblich erleichtert.

Um sich den chinesischen Markt mit Millionen potenzieller Nutzer zu erschließen, sei Zuckerberg zudem ungewöhnliche Wege gegangen. So schrieb er den Klappentext für das Buch „The Governance of China“ von Xi Jinping und platzierte ein Exemplar auf seinem Schreibtisch, als der damalige stellvertretende Leiter der Propagandaabteilung, Lu Wei, ihn besuchte. Zudem hielt Zuckerberg eine 20-minütige Rede auf Mandarin vor Universitätsstudenten und bat Xi Jinping, seiner damals ungeborenen Tochter einen chinesischen Ehrennamen zu geben.

Verschwiegenheit nach außen

Meta soll außerdem darauf geachtet haben, dass die eigenen China-Pläne nicht nach außen drangen. Führungskräfte hätten auf Nachfragen von Investoren und US-Aufsichtsbehörden wiederholt „abgewiegelt und keine oder irreführende Informationen geliefert“, so die Beschwerde. Wynn-Williams stützt ihre Aussagen auf interne Dokumente, die die damaligen Strategien belegen sollen.

Meta-Sprecher Andy Stone erklärte dazu, es sei „kein Geheimnis“, dass das Unternehmen an einer Expansion nach China interessiert gewesen sei. Darüber sei bereits vor einem Jahrzehnt ausführlich berichtet worden. „Wir haben uns letztendlich dafür entschieden, die Ideen, die wir untersucht hatten, nicht weiterzuverfolgen, was Mark Zuckerberg im Jahr 2019 bekannt gab“, so Stone weiter.

Kehrtwende

Die aktuellen Enthüllungen stehen in klarem Widerspruch zu Zuckerbergs jüngster Ankündigung, Facebook stärker auf „freie Meinungsäußerung“ auszurichten. Sie zeigen, wie flexibel das Unternehmen agieren kann, wenn es um die eigenen wirtschaftlichen Interessen geht. Von Erfolg gekrönt war Facebooks Entgegenkommen indes nicht: Bis heute ist Facebook in China blockiert, einen chinesischen Ableger gibt es nicht.

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