Überwachung: EU-Rat verschiebt erneut Abstimmung über Chatkontrolle
Auch unter der ungarischen Ratspräsidentschaft ändert sich eine Sache nicht: Befürworter der Chatkontrolle versuchen eine Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten für das Projekt zu gewinnen, finden diese aber nicht. Heute ist ein weiterer Anlauf gescheitert.
Das Thema wurde erneut kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen, berichtet Netzpolitik.org. In den letzten Tagen bahnte sich ein neuer Kompromiss an, die Niederlande kündigten aber bereits an, sich bei einer Abstimmung enthalten zu wollen. Wie im Juni blieb somit die Sperrminorität im EU-Rat erhalten.
Vom Tisch ist das Thema damit aber nicht. Ein Sprecher des EU-Rats kündigte gegenüber Netzpolitik.org an, dass weiter Gespräche laufen. Daher sei es auch möglich, dass der Vorschlag bereits nächste Woche wieder auf der Agenda steht.
Bürgerrechtler sind angesichts der Entwicklung dennoch zufrieden. „Dass die Chatkontrolle von der Tagesordnung genommen wurde, zeigt, dass eine aktive digitale Zivilgesellschaft in allen EU-Staaten nötig ist, um das Gesetz zu verhindern“, sagte Elina Eickstädt, Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC).
Kompromiss berührt nicht den Kern des Problems
Bei dem ungarischen Kompromiss bleibt der Kern der Chatkontrolle. Kommunikationsdienste wie Messenger – also etwa auch WhatsApp – könnten damit verpflichtet werden, Inhalte der Nutzer nach Missbrauchsmaterial von Kindern zu scannen. Um auch Ende-zu-Ende-verschlüsselte Inhalte zu erfassen, müssten die Inhalte dann direkt auf den Geräten der Nutzer durchsucht werden.
Ungarns Vorschlag war nun, sich bei der Durchsuchung auf bekannte Inhalte zu beschränken. Die lassen sich mittels eines Hash-Wert-Abgleichs erfassen. Bis dato unbekanntes Material sowie Grooming soll demnach nicht erfasst werden, bis die Technologie – also auf Machine Learning basierende KI-Lösungen – zuverlässig genug arbeiten.
Abgelehnt wird der Vorstoß dennoch, denn der Kern des Problems bleibt erhalten: Verschlüsselungsverfahren werden ausgehebelt. Zudem gibt es massive Kritik, die den Sinn der Maßnahme generell anzweifelt. Die Kernargumente sind: Die Technologie arbeitet bei weitem nicht präzise genug und könnte Kinder sogar eher schaden als nützen.
Zu den Kritikern zählen neben Bürgerrechtsorganisationen auch Vereine wie der Deutsche Kinderschutzbund. Zuletzt engagierten sich noch weitere Kräfte aus der Zivilgesellschaft, berichtet Netzpolitik.org. So warnten etwa 304 Forschende aus aller Welt in einem offenen Brief vor dem Vorstoß der ungarischen Ratspräsidentschaft, auch dieser würde zu einer Massenüberwachung führen.