Neue US-Restriktionen: AI-Diffusion-Regeln verärgern Industrie und Nationen

Update Volker Rißka
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Neue US-Restriktionen: AI-Diffusion-Regeln verärgern Industrie und Nationen
Bild: Dall-E 3

Letzte Woche noch ein Gerücht sind sie nun offiziell: Neue AI-Diffusion-Regeln verärgern nicht nur die Industrie sondern ganze Nationen. Denn die Limitierung auf einen harten Kern von nur 18 Ländern, allen darüber hinaus sind Richtlinien unterworfen, könnte die größte Einschränkung bisher überhaupt sein.

Die Biden-Administration hat in den letzten Tagen im Amt noch einige Dinge auf den Weg gebracht. Dazu zählen weitere Verschärfungen der Handelsrestriktionen insbesondere auf AI-Chips, also GPUs und sonstige Beschleuniger, mit denen sich Aufgaben im breiten Feld der Künstlichen Intelligenz erledigen lassen. Das in dieser Woche publizierte Export Control Framework for Artificial Intelligence Diffusion ist ein Set an neuen Regeln für AI Diffusion, das möglicherweise die bisher größten Auswirkungen haben wird.

Nicht nur dürften bestimmte Chips in gewisse Länder nicht ausgeführt werden – was es in den letzten Jahren schon immer gab – die Neuklassifizierung vieler Nationen in ein Klassensystem ist die große neue Hürde und hat gewaltige Auswirkungen. Oracle bezeichnete die neuen Regeln in der letzten Woche bereits als extrem gravierend und verlinkte dabei auf die GBU-43/B Massive Ordnance Air Blast (MOAB), um das ganze bildlich darzustellen.

Nur 18 Ländern mit leichtestem Zugang

Die „Interim Final Rule“(IFR) stellt für AI-Chips und GPUs quasi das bisherige Exportsystem auf den Kopf. Statt bisher Ausnahmen für gewisse Länder und Staaten aufzulegen und für Exporte dorthin Lizenzen zu erteilen, ist es nun der umgekehrte Weg: Jeder braucht eine Lizenz. Den leichtesten Zugang soll es für 18 Länder geben: Australien, Belgien, Kanada, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Japan, Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Südkorea, Spanien, Schweden, Taiwan und Großbritannien.

Aber auch dort stehen schon seit letzter Woche die Fragen im Raum, warum selbst einige der wichtigsten Verbündeten und Partner nicht zu den Tier-1-Ländern zählen und fragen quasi, wie auch im Oracle-Beitrag: „Was hat Portugal getan?“ Die Liste entspricht demnach dem ersten Draft der letzten Woche, welches auch Polen und die Schweiz nicht zu den Tier-1-Ländern zählt, nachdem sie zwischenzeitlich genannt wurden.

Leichter Zugang heißt in dem Fall aber trotzdem, dass die Länder den Regeln zustimmen müssen, welche auch Zertifizierungsprozesse sowie reguläre wirtschaftliche Berichte bezüglich Finanzen und ähnliches beinhalten.

150 Länder gehen den langen Weg – oder zu China

Dass nun selbst wichtigste Verbündete wie Israel und Singapur nicht auf der Liste sind, ist schon die eine Überraschung, viele der wichtigsten Handelspartner zählen schließlich auch dazu, von Indien über Brasilien und Mexiko bis hin natürlich zu allen Staaten am Golf. Sie alle haben erst einmal maximal Zugang zu einer Liste mit Lösungen aus der Kategorie Low Processing Performance (LPP), pro Staat ist eine gewisse maximale Anzahl an GPUs festgelegt worden.

Wie das dann in der Realität umgesetzt wird, bleibt fraglich, wenn in ein Land beispielsweise maximal 25.000 GPUs exportiert werden dürfen, sich aber drei Bewerber mit je 10.000 GPUs bewerben o.ä. Und wie betrifft dies Cloud-Provider, die Rechenzentren in jedes Land stellen, das sie bedienen? Und was ist, wenn diese aufgerüstet werden? Hier ein strenges Limit anzulegen ist beinahe unmöglich, AWS, Google, Microsoft, Oracle & Co, die sich um extrem geringe Exportmengen in riesige Nationen wie Indien streiten, sei aktuell unvorstellbar.

Alle Gegenstimmen sind sich einig: Das hilft der USA letztlich nicht, es schadet ihr vielmehr. Und treibt andere, selbst befreundete Nationen, dazu an, eigene Projekte aufzulegen oder sich (noch mehr) an China zu wenden.

Wirtschaftliche Auswirkungen

Diese Einschränkungen haben durchaus einen Wirtschaftsfaktor, deshalb auch das Sturmlaufen der Industrie. Im Jahr 2024 gingen Schätzungen davon aus, dass 70 bis über 90 Prozent des AI-Marktes von US-amerikanischen Firmen bedient werden, allen voran Nvidia, aber auch diversen anderen Unternehmen.

Nicht nur Oracle lief in der letzten Woche als eines der ersten Unternehmen öffentlich dagegen an, auch große Industrieverbände tun das. Auch Nvidia gehört nicht zu den Fürsprechern der neuen Regeln, im Gegenteil. Nachdem sie in der letzten Woche noch im Rahmen einer Telefonkonferenz mit dem Weißen Haus ihre Bedenken zur Sprache brachten, tun sie das heute in einem Blog-Posting.

In its last days in office, the Biden Administration seeks to undermine America’s leadership with a 200+ page regulatory morass, drafted in secret and without proper legislative review. This sweeping overreach would impose bureaucratic control over how America’s leading semiconductors, computers, systems, and even software are designed and marketed globally. And by attempting to rig market outcomes and stifle competition—the lifeblood of innovation—the Biden Administration’s new rule threatens to squander America’s hard- won technological advantage.

While cloaked in the guise of an “anti-China” measure, these rules would do nothing to enhance U.S. security. The new rules would control technology worldwide, including technology that is already widely available in mainstream gaming PCs and consumer hardware. Rather than mitigate any threat, the new Biden rules would only weaken America’s global competitiveness, undermining the innovation that has kept the U.S. ahead.

Although the rule is not enforceable for 120 days, it is already undercutting U.S. interests. As the First Trump Administration demonstrated, America wins through innovation, competition, and by sharing our technologies with the world—not by retreating behind a wall of government overreach. We look forward to a return to policies that strengthen American leadership, bolster our economy, and preserve our competitive edge in AI and beyond.

Nvidia

Die Industrie und deren Lobbyverbände wie die SIA oder ITIF mit Branchenriesen wie Amazon, Microsoft und Meta im Hintergrund sind sich quasi einig: „Die nächste Administration sollte die Regeln schnellstens zurücknehmen und überarbeiten“, heißt es da. Man darf gespannt sein, wie die Trump-Regierung dies handhaben wird.

Update

Mittlerweile ist das Pressestatement des Weißen Hauses online. Dieses bestätigt die grundlegenden neuen Regeln. 18 Ländern sind demnach auf der weißen Liste. Firmen aus diesen Ländern dürfen bis zu sieben Prozent ihrer AI-Leistung auch in anderen Ländern unterbringen – das können hunderttausende GPUs sein.

Länder, die zwar nicht auf der Tier-1-Liste stehen, aber als vertrauenswürdig gelten, könnten nach Erhalt einer Lizenz das Äquivalent von 320.000 GPUs in zwei Jahren einführen. Ohne dies hat ein regulärer Tier-2-Kunde nur Spielraum von 50.000 GPUs in zwei Jahren, kann auf Regierungsebene aber auf bis zu 100.000 GPUs ausgebaut werden.

Kleinere Bestellungen mit einer Rechenkraft „unter 1.700 GPUs“ unterliegen keinen Regularien, heißt es ebenfalls. Damit sollen vor allem Universitäten, Krankenhäuser und kleine Forschungseinrichtungen nicht betroffen sein, hofft das Weiße Haus.