NSA-Ausschuss: BND ist ein „Wurmfortsatz der NSA“

Andreas Frischholz
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Ob Edward Snowden noch im NSA-Ausschuss aussagen wird, ist derzeit nicht allzu wahrscheinlich. Immerhin befragten die Abgeordneten nun vorherige NSA-Whistleblower, die im Rahmen der Anhörung sowohl die massenhafte Überwachung der NSA als auch die enge Kooperation mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) beschrieben haben.

William Binney, ehemaliger Technik-Chef der NSA, äußerte im NSA-Ausschuss massive Kritik an der massenhaften Überwachung von Bürgern, Unternehmen und Politikern. Infolge der Anschläge vom 11. September 2001 verfolge die NSA einen Weg, den Binney als einen „totalitären Ansatz“ beschreibt, der „ansonsten nur von Diktaturen bekannt“ sei. Binney warnt, dass jeder Bürger in den USA und auch global ins Visier der NSA geraten kann. Er selbst hatte im Oktober 2001 gekündigt, weil er das massenhafte Sammeln und Überwachen von Daten als verfassungswidrig betrachtet hat.

Im Kern wolle der Geheimdienst „über jeden alles wissen“. Ende der 1990er Jahre entwickelte die NSA mit „ThinThread“ ein Programm für das Erfassen und Auswerten der Daten, die beim Anzapfen der zentralen Glasfaserkabel anfallen. An der Analyse dieser Datenberge war Binney direkt beteiligt. Laut dem Portal Netzpolitik.org, das die Anhörung in einem Live-Blog protokolliert hat, erklärte Binney: „Google-ähnliche Suchbegriffe haben zehntausende Ergebnisse geliefert, das war zu viel. Wir mussten das riesige Datenvolumen handhabbar machen.

Netzwerkgraph von „der gesamten Welt“ im Blick

Für Geheimdienste wären deswegen Metadaten immens wichtig, weil diese ausreichen, um Kommunikationsnetze zu bilden. So schilderte Binney laut Netzpolitik.org: „Wir haben einen Netzwerkgraph der gesamten Welt erstellt. Da konnten wir in einzelne Netzwerke reinzoomen und all deren E-Mails und Anrufe herausfiltern.“ Mittels Metadaten könne die NSA also unter anderem „Leute finden, die bestimmte Webseiten besuchen oder sich radikalisieren“. In der Praxis heißt das: Selbst wer sich nichts zu Schulden kommen lässt, kann als Verdächtiger klassifiziert werden.

Aus Sicht des früheren Technik-Chefs der NSA verlief die Zusammenarbeit mit dem BND über viele Jahre hinweg „sehr gut“. Dass der BND den Quellcode von ThinThread erhalten hat, hatte Binney bereits im Juli 2013 in einem Interview mit dem Stern erklärt. Nun liefert er allerdings ein paar neue Details. Demnach konnte der deutsche Geheimdienst nicht auf die Datenbanken der NSA zugreifen.

Nach Kenntnissen von Binney wurde ThinThread vom BND zumindest Ende der 1990er Jahre nur begrenzt eingesetzt und für Tests verwendet. Anfangs soll etwa die Datenflut, die beim Anzapfen der Glasfaserkabel entsteht, noch erhebliche Schwierigkeiten bereitet haben. „Sie [der BND] haben es an einem Donnerstag angeschaltet, aber am Samstag haben sie angerufen und sich beschwert, dass das ihr System crashen würde wegen der Masse an Daten“, so Binney laut Netzpolitik.org.

Die technische Zusammenarbeit endete allerdings nicht mit ThinThread, wie im Rahmen der NSA-Enthüllungen bekannt wurde. Seit 2007 nutzt der BND das NSA-Überwachungsprogramm XKeyscore zum Erfassen und Analysieren der abgezapften Datenströme.

BND als „Wurmfortsatz der NSA“

Weitere Angaben zum Datenaustausch zwischen den Diensten machte Thomas Drake, ebenfalls Whistleblower, der zwischen 2001 und 2008 für die NSA gearbeitet hat. Drake kritisierte zunächst die Massenüberwachung durch die NSA, die Rolle des BND beschreibt er dabei als „Wurmfortsatz der NSA“. Dass deutsche Dienste nichts von den Überwachungsaktivitäten der NSA gewusst haben wollen, übersteige seine Vorstellungskraft. Deutschland würde eine „zentrale Rolle in der Überwachungsindustrie“ einnehmen.

Zudem bestätigte Drake nochmals den „Ringtausch“, bei dem die Dienste untereinander Daten austauschen, um Informationen zu erhalten, die diese nach den jeweiligen nationalen Gesetzen nicht erheben dürften. So erhält etwa die NSA den Zugang zu Datensätze von US-Bürgern, während der BND Informationen von deutschen Bürgern erhält. Konkrete Angaben zum Ausmaß des Datenaustausches fehlen allerdings. Dieser Punkt ist nach wie vor die große Unbekannte bei dem Ringtausch. Dass die Dienste Datensätze austauschen, ist bekannt. Die vom Verfassungsschutz veröffentlichten Zahlen passen allerdings nicht zu dem Ausmaß, das NSA-Whistleblower wie Drake andeuten.

Mit der Vereinbarung zwischen NSA und BND aus dem Jahr 2002 hätten die Dienste demnach den Datenaustausch auf ein „ganz neues Level“ gehoben. Die NSA wollte sich laut Drake Zugang zur deutschen Kommunikationsinfrastruktur verschaffen, um an Informationen zu gelangen, die bis dato tabu waren. Dazu zählt etwa, dass der BND zwischen 2004 und 2007 die Daten vom Frankfurter Internetknotenpunkt DE-CIX an die NSA übermittelt haben soll.

BND-Mitarbeiter wegen Spionage-Verdacht in Haft

Informationen erhält die NSA vom BND allem Anschein nach aber nicht nur über die herkömmlichen Geheimdienst-Kanäle. Die Generalbundesanwaltschaft hat nach Informationen von Spiegel Online einen 31-jährigen BND-Mitarbeiter wegen Spionage-Verdacht festgenommen. Dem Verdächtigen wird vorgeworfen, geheime Unterlagen an einen amerikanischen Kontaktmann verkauft zu haben. So soll der BND-Mitarbeiter gezielt nach Informationen gesucht haben, die den NSA-Untersuchungsausschuss betreffen.

Ob es sich bei dem genannten Kontaktmann tatsächlich um einen Mitarbeiter der US-Geheimdienste handelt, steht noch nicht endgültig fest. Die Generalbundesanwaltschaft prüft derzeit sowohl die vorliegenden Beweise als auch die Identität des Kontaktmanns. Regierungssprecher Steffen Seibert wollte die laufenden Ermittlungen im Rahmen der Bundespressekonferenz nicht offiziell kommentieren.