Enderal im Test: Skyrim sehenswert neu interpretiert

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Max Doll
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Gravierende Änderungen

Enderal schafft nicht nur eine völlig neue Fantasy-Welt, sondern nimmt auch gravierende Änderungen an typischen Skyrim-Mechaniken vor. Dem Versuch, ein Rollenspiel klassischer Natur zu schaffen, fallen insbesondere zwei Eigenschaften zum Opfer.

Dazu zählt zunächst der Ausbau von Fähigkeiten, die nicht mehr durch Benutzung, sondern durch Skillpunkte und -bücher gesteigert werden. Erstere werden durch Levelaufstiege und Erfahrungspunkte verdient, letztere bei Händlern für zunehmend teureres Geld gekauft – so wie eigentlich immer in Rollenspielen. Der nette Nebeneffekt: Geld ist aufgrund dieser Mechanik wirklich immer knapp, was zum Abenteuer- und Söldnertum abseits der Hauptquest verleitet.

Außerdem skalieren Gegner nicht mehr mit dem Level des Spielers. Es gibt also Bereiche der Spielwelt, die zunächst zu gefährlich sind, was das Erkunden neuer Gebiete spannender macht. Viel Zeit mit Händchenhalten verschwendet Enderal ohnehin nicht. Einer kurzen Einführung folgt der Sprung in die eigentliche Spielwelt. Erst hier gilt das von Skyrim bekannte „Learning by doing“ wieder, wenngleich nur um das Crafting- und Alchemiesystem zu meistern oder aber durch das Lesen von Büchern herauszufinden, welche Skillbäume sich für Boni kombinieren lassen.

Die (neuen) Talente werden in einer Traumlandschaft gewählt
Die (neuen) Talente werden in einer Traumlandschaft gewählt

Mitdenken erforderlich

Dass Enderal nicht jede Information auf dem Bildschirm einblendet, der Karte markiert oder in Logbüchern vermerkt, ist eine Besonderheit, die eher an Gothic und Morrowind erinnert denn an Skyrim. Statt hirntot dem Wegpunkt entgegen zu laufen muss bisweilen tatsächlich einmal mit erfrischendem Effekt anhand von Karte und Köpfchen navigiert oder der Blick in eines der vielen Bücher geworfen werden, die in der Spielwelt herumliegen.

Enderal fordert also Aufmerksamkeit ein, die über einen oberflächlichen Blick auf die Welt zwischen zwei Dungeons hinausgeht. Und das ist gut so, weil sich hier einiges entdecken lässt. Neben einer hübschen und geschickt entworfenen Welt harrt ein neues Fantasy-Universum in zahlreichen Texten seiner Entdeckung, liefert schöne Panoramen oder lädt dazu ein, in einer Kneipe bei einer Runde Würfelspiel dem Gesang eines Barden zu lauschen – eines der vielen liebevollen Details in Enderal.

Hübsche Dungeons harren der Entdeckung
Hübsche Dungeons harren der Entdeckung

Im Kern fühlt sich die Mod spielerisch trotz der Änderungen aber noch immer weitgehend an wie Skyrim, wenngleich mit höherem Schwierigkeitsgrad. Verwunderlich ist das nicht, werden doch Kampfsystem und -mechaniken in groben Zügen übernommen. Auch hier gibt es aber eine neue Wendung: In der Welt von Enderal leiden Menschen mit magischen Fertigkeiten unter „Arkanistenfieber“, das natürlich auch der Spieler unabhängig der späteren Karriere bekommt.

Arkanistenfieber sorgt für Würze

Diese Begleiterscheinung von übernatürlichen Kräften spielt beim Zaubern keine Rolle, zumindest fast. Denn das Fieber steigt durch bestimmte Aktionen, darunter die Einnahme von Tränken, die Nähe zu Kristallen oder durch Zauber aus der Schule der Lichtmagie, an. Warum das fatal ist, wird schnell deutlich. Steigt der Krankheitswert an, drohen erst Mali für die Statuswerte des Alter Egos und schließlich der Tod – quasi eine Kernschmelze für das überlastete Magiergehirn.

Untote braucht jedes Rollenspiel
Untote braucht jedes Rollenspiel

Dazu gesellt sich ein zweiter Kniff, der für Spannung sorgt. Rast und Heilung sind nur in richtigen Lagerstätten mit einem Bett möglich, und die lassen sich nicht in der Wildnis aufschlagen. Wer auf der Suche nach Abenteuer in die Welt zieht, muss deshalb einen Vorrat Lebensmittel einstecken. Weil Tränke nun fiebertreibend und damit Notsituationen in Kämpfen vorbehalten sind, hat der Proviant nun tatsächlich einen Sinn. Das Senken des Fiebers ist wiederum nur mit teurem Ambrosia möglich. Das sorgt für willkommenen Anspruch und verhindert, sich mit ausreichend aufgesparten Tränken einfach durch einen Kampf zu heilen.

Klassisch und Unzeitgemäß

So gut diese Ideen gefallen, so sehr stören zwei Nebenwirkungen dieser Neuorientierung. Mit dem Entfall der Option zu kampieren an beliebigen Orten wurde auch die Möglichkeit zum Warten an beliebigen Orten entfernt. Das stört, weil manche Quests an Tageszeiten gebunden sind und der Umweg über ein Lager in diesem Fall sinnlos Spielzeit streckt, aber nichts zur Atmosphäre beiträgt.

Das gleiche Urteil lässt sich über die Möglichkeit zu schneller Fortbewegung fällen: Das Schnellreisesystem ersetzt Enderal durch eine Art Busverbindung mit fliegenden Sauriern, die aber nur an bestimmten Orten genutzt werden kann. Die Folge sind qualmende Schuhsohlen und gefühlte Fahrstuhlmusik bei der Fortbewegung. Hier schlägt die Orientierung zu klassischen Rollenspielen ins Unzeitgemäße um, erst recht, weil das Durchqueren der stark segmentierten Hauptstadt des Landesteils viele Ladebildschirme hervorbringt. Wenn der Spieler schon magieaffin ist, dann könnte er sich auch gleich per Zauberspruch an den Zielort teleportieren dürfen.

Das Schnellreise-System überzeugt weniger
Das Schnellreise-System überzeugt weniger

Technisch nur meistens stabil

Trotzdem überwiegt der Eindruck, dass das Entwicklerteam ein schlüssiges Konzept an den Start gebracht und vor allem exzellent umgesetzt hat. Getrübt wird das Vergnügen vor allem durch unregelmäßige Abstürze nach ein paar Stunden Spielzeit, gelegentlich hakende Animationen und Schönheitsfehler, aber keine gravierenden Bugs, die zur Unspielbarkeit führen würden.

Spuren der Zeit zeigt mittlerweile allerdings das Grundgerüst. Ladezeiten in Städten und Distrikten stören das Reisen vor allem in der Hauptstadt des Landes, beim Betreten von Gebäuden und dem Wechseln eines Stockwerkes, Animationen wirken wie schon in Skyrim hölzern. Und dennoch hat Enderal seinem Urprogramm einiges Voraus, weil es eine spannende Geschichte erzählen und trotz dieser Limitierungen auch präsentieren kann. In kurz: Es macht aus Puppen Menschen.