LG Wing im Test: Ein völlig abgehobenes Smartphone
Das LG Wing versteckt ein zweites Display hinter dem ersten, auf das Apps erweitert werden können oder das für eine zweite App im Dual-Betrieb genutzt werden kann. Das ungewöhnliche Smartphone bietet etwa aufseiten der Kamera interessante Funktionen, ist zum hohen Preis aber auch mit viel Mittelklasse-Hardware bestückt.
Preis und Verfügbarkeit
Aus dem Wettbewerb der faltbaren Smartphones hat sich LG bisher zurückgehalten und das Feld Spielern wie Huawei und Samsung überlassen. Stattdessen setzt das Unternehmen auf die Dual-Screen-Experience, um mehr Display-Fläche zur Verfügung zu stellen. Das Zubehör wird etwa für das G8X und Velvet (Test) angeboten. Für das Wing hat LG nun aber erstmals zwei Bildschirme direkt in ein Smartphone integriert.
Seit Mitte November bietet LG das Wing in den Farben „Aurora Gray“ (Testgerät) und „Illusion Sky“ zur unverbindlichen Preisempfehlung von 1.099 Euro in Deutschland an.
Technische Daten im Überblick
LG Wing | |
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Software: (bei Erscheinen) |
Android 10.0 |
Display: | 6,80 Zoll, 1.080 × 2.460 395 ppi Multi-Screen POLED, HDR |
Bedienung: | Touch, Fingerabdrucksensor |
SoC: | Qualcomm Snapdragon 765G 1 × Kryo 475 Gold, 2,40 GHz 1 × Kryo 475 Gold, 2,20 GHz 6 × Kryo 475 Silver, 1,80 GHz 7 nm, 64-Bit |
GPU: | Adreno 620 625 MHz |
RAM: | 8.192 MB LPDDR4X |
Speicher: | 128 GB (erweiterbar) |
1. Kamera: | 64,0 MP, 2160p Dual-LED, f/1,80, AF, OIS |
2. Kamera: | 13,0 MP, f/1,90, AF |
3. Kamera: | 12,0 MP, f/2,20, AF |
4. Kamera: | Nein |
5. Kamera: | Nein |
1. Frontkamera: | 32,0 MP, 1080p Display-Blitz, f/1,90 |
2. Frontkamera: | Nein |
GSM: | GPRS + EDGE |
UMTS: | HSPA+ ↓42,2 ↑5,76 Mbit/s |
LTE: | Advanced Pro |
5G: | NSA/SA |
WLAN: | 802.11 a/b/g/n/ac Wi-Fi Direct |
Bluetooth: | 5.1 |
Ortung: | A-GPS, GLONASS, BeiDou, Galileo |
Weitere Standards: | USB-C 3.1, NFC |
SIM-Karte: | Nano-SIM, Dual-SIM |
Akku: | 4.000 mAh, 25,0 W fest verbaut, kabelloses Laden |
Größe (B×H×T): | 74,5 × 169,5 × 10,90 mm |
Schutzart: | MIL-STD-810G |
Gewicht: | 260 g |
Preis: | 1.099 € |
Smartphone in Sandwich-Bauweise
Obwohl das LG Wing einige technische Raffinessen in sich versteckt, sieht es zunächst einmal wie ein ganz normales Smartphones aus und könnte als ein solches durchgehen, würde man es nicht in die Hand nehmen und genauer inspizieren. Mit 74,5 × 169,5 × 10,90 mm ist das Wing nicht gerade kompakt, selbst das schon sehr große iPhone 12 Pro Max (Test) ist einen Zentimeter kürzer und vor allem viel dünner. Eine Bautiefe von fast 1,1 cm ist heutzutage alles andere als üblich für ein Smartphone. Und mit 260 g ist das Wing auch eines der schwersten Geräte seiner Art auf dem Markt.
Der Grund für die ungewöhnlichen Abmessungen ist schnell gefunden, wenn das Wing aus der Nähe betrachtet und der rund um das Gerät verlaufende Spalt entdeckt wird. Dieser unterteilt das Smartphone auf die Bauhöhe bezogen in ca. ein oberes Drittel und zwei untere Drittel und signalisiert, dass das Wing mehr zu bieten hat.
Federmechanismus bremst Display
Denn mit dem rechten Daumen nach links angeschubst, lässt sich das obere Drittel nach links oben rotieren, sodass das 6,8 Zoll große Display im Breitbildformat oberhalb eines zweiten, 3,9 Zoll großen Bildschirms thront und sich ein Aufbau aus zwei aktiven Displays mit T-Anordnung ergibt. Man könnte auch sagen, das Wing spreizt in diesem Modus seine Flügel und wird dem Namen gerecht. Die Rotation lässt sich mit geringem Kraftaufwand einleiten und wird vor der finalen Position von einem Federmechanismus abgebremst, wie er vergleichbar auch bei Schubladeneinzügen in Küchen verwendet wird. Beim Wing geschieht dies jedoch im Bruchteil einer statt über mehrere Sekunden, sodass man es kaum mitbekommt. Nach rechts lässt sich der Bildschirm nicht drehen.
Der Mechanismus wirkt in den Grenzen des für LG Machbaren stabil genug. Wer allerdings am aufgeklappten Display wackelt, stellt durchaus etwas Spielraum in der Konstruktion fest. Geschlossen klappert das Gerät hin und wieder ein wenig, weil die unteren zwei Drittel des Hauptbildschirms minimal in der Luft hängen. Gegen Staub und Wasser ist das Wing nicht gewappnet, die MIL-STD-810G-Zertifizierung soll lediglich vor Erschütterungen, Hitze und Kälte schützen. Gegen Wasserspritzer gibt es zusätzlich eine IP54-Zertifizierung. Im Testzeitraum haben es Krümel nicht so weit in den Mechanismus geschafft, dass es zu Einschränkungen kam. Wie es auf lange Sicht um die Zuverlässigkeit des Wing bestellt ist, lässt sich aber nicht sagen. Eine gewisse Vorsicht sollte bei einer Konstruktion wie dieser jedoch auf der Tagesordnung stehen.
Quadratisches Zweit-Display hinter dem ersten
Der primäre Bildschirm des Wing bietet 1.080 × 2.460 Pixel auf 6,8 Zoll im gestreckten 20,5:9-Format und kommt ohne Notch aus, weil die Frontkamera aus dem Rahmen ausfährt. Im manuellen Modus bietet der Bildschirm eine gute Farbabstimmung und wird knapp 500 cd/m² hell. Durch die Aktivierung von „Mehr Helligkeit“ lassen sich bei manueller Einstellung knapp über 600 cd/m² abrufen. Heller wird das Display erst im Automatikmodus, wo bis zu 688 cd/m² möglich sind, die dann auch mit Sonnenmodus das Maximum darstellen. OLED-typisch sind punktuell höhere Werte von hier über 1.000 cd/m² möglich, wenn der Weißanteil auf nur noch 10 Prozent reduziert wird.
Der zweite Bildschirm bietet 1.240 × 1.080 Pixel im beinahe quadratischen 1:1,15-Format und erreicht nicht die Helligkeitswerte des Hauptbildschirms. Bei knapp über 500 cd/m² ist im manuellen und Automatikmodus Schluss. Die Kalibrierung des Panels entspricht der des Haupt-Displays und auch bei der Helligkeitsregulierung sind beide Panels annähernd auf Augenhöhe. Wird der Hauptbildschirm auf 200 cd/m² kalibriert, kommt das zweite Display auf 191 cd/m². Die Bildschirme lassen sich nicht unabhängig voneinander regeln und der Sonnenmodus steht nur für das erste Display zur Auswahl.
Betriebsmodi A+ und A+B erklärt
Für das zweite Display hat LG zwei Betriebsmodi vorgesehen: A+ und A+B. Unter A+ ist die Erweiterung der App des Hauptbildschirms um Inhalte auf dem zweiten Display gemeint, während bei A+B zwei Apps unabhängig voneinander ausgeführt werden. A+ funktioniert beispielsweise mit der YouTube-App, bei der oben im Querformat das Video abgespielt und unten die Bedienelemente angezeigt werden. Auch Helligkeit und Lautstärke lassen sich unten regeln, was sinnvoll ist, da die Lautstärketasten im aufgeklappten Modus nur noch umständlich zu erreichen sind. LGs eigene Foto-App unterstützt A+ ebenfalls, indem unten eine Vorschau der nächsten Bilder und Videos angezeigt wird, durch die sich scrollen lässt, ohne die Sicht auf das oben groß dargestellte Foto zu blockieren.
Asphalt 9 lagert die Karte aus
Bisher sind es ziemlich wenige Apps, die den A+-Modus unterstützen. Mit dabei ist als einziges Spiel „Asphalt 9: Legends“, das den zweiten Bildschirm für die Darstellung der Karte nutzt. Gespielt wird mit umgedrehtem Smartphone, sodass man ein umgedrehtes „T“ in der Hand hält und oben die Strecke als Vorschau sieht. Dieser gedrehte Modus eignet sich auch für Chat-Anwendungen, da sich nun die Tastatur in voller Breite und auf Wunsch geteilt darstellen lässt. Dass eine App auf den zweiten Bildschirm erweitert werden kann, wird nach dem Start durch eine entsprechende Schaltfläche signalisiert. Grundsätzlich immer lässt sich der untere Bildschirm als Touchpad wie bei einem Notebook nutzen, um den oberen Bildschirm ohne Touch-Eingaben zu bedienen.
Besonders gut eignet sich der A+-Modus für die Kamera, mehr dazu auf Seite 2.
Zwei Apps parallel ausführen
Für den Modus A+B bedarf es hingegen erst einmal keiner speziellen Anpassungen durch den App-Entwickler, sofern die App mit dem kleineren Bildschirm im ungewöhnlichen Format zurechtkommt. In den Einstellungen für „Zweitdisplay-Apps“ trifft LG eine Vorauswahl für installierte Apps, die auf dem zweiten Bildschirm gestartet werden können. Es lassen sich aber beliebige andere hinzufügen. Aktiviert man Apps manuell fürs zweite Display, erscheint ein Hinweis, dass die App möglicherweise nicht richtig angezeigt wird oder sich nach Öffnen automatisch wieder schließt.
Für den App-Start steht pro Bildschirm jeweils ein Launcher zur Verfügung. Praktische Konstellationen sind Google Maps auf dem großen und eine Musik-App auf dem kleinen Display. Wer oben YouTube gucken und unten parallel WhatsApp nutzen möchte, kann dies ebenso tun. Die Mediatheken von ARD und ZDF gleichzeitig gucken? Kein Problem. Die Ausrichtung des Smartphones kann beliebig ausfallen, sodass das „T“ auch zur Seite gedreht in einer Autohalterung mit Google Maps und Telefon-App Platz finden kann. Die Apps drehen sich jeweils mit allen vier möglichen Ausrichtungen.
Apps können nicht zweimal gestartet werden
Nur doppelt können Apps nicht ausgeführt werden, sodass etwa zweimal Chrome oder zweimal Facebook nicht auf jeweils einem Display gestartet werden können. In diesem Fall springt die App jeweils auf den Bildschirm, auf dem sie zuletzt geöffnet wurde.