Staupilot nach „Level 2+“ im Test: Fahrt im Detail und Fazit

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Nicolas La Rocco
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Die Bay Area ist das perfekte Testgebiet für einen Staupiloten, denn neben vielen geraden Strecken gibt es zahlreiche Abzweigungen, Zu- und Abfahrten. Dazu gesellt sich der manchmal etwas spezielle Fahrstil von Menschen, die ihren Führerschein für 39 US-Dollar innerhalb eines Tages erlangen können. Was ordentliche Fahrbahnmarkierungen betrifft, sind Kaliforniens Highways aus persönlicher Erfahrung in gutem Zustand, sodass der Sensorik genügend Orientierungspunkte geliefert werden, die zusätzlich zur Analyse des Verkehrsgeschehens das Fahrverhalten beeinflussen.

64 km/h sind gar nicht so langsam

Zunächst noch mit Skepsis betrachtet, ob ein erweitertes Assistenzsystem, das „nur“ bis 40 mph funktioniert und als einzige Neuerung das vollständig eigene Lenken mitbringt, wirklich einen Unterschied im Alltag und im Vergleich zum Modus 2 macht, überwiegt schnell der Komfortgewinn. Obwohl der Blick auf die Straße gerichtet bleiben muss, ergibt sich ein insgesamt weniger anspruchsvolles Fahrgeschehen, das mental weniger fordert und damit das Stresslevel reduziert. Und 40 mph (64 km/h) sind in der Praxis innerhalb einer 55-mph-Zone (89 km/h) gar nicht so langsam, wie es der Blick nur auf die Zahl zunächst vermuten lässt. Wer sich als Pendler zwangsweise jeden Morgen und Abend durch das immer wieder gleiche Nadelöhr fädeln muss, dürfte ein solches System schnell zu schätzen wissen. Wirklich interessant wird es allerdings erst, wenn man bei Level 3 die Zeit mit anderen Dingen als Zugucken verbringen kann.

Autobahnkreuze verlangen Aufmerksamkeit

Im Rahmen des Level 2 verhielt sich das Assisted Driving Plus im Testzeitraum weitgehend unauffällig und war über weite Bereiche verfügbar. Vor allem auf Strecken abseits von Autobahnkreuzen, an denen sich die Spuren in viele unterschiedliche Richtungen verzweigen, ließ sich das System durchgehend ohne Unterbrechungen nutzen, sofern die Geschwindigkeit unter 40 mph bleibt. Im Video bei Minute 6:42 ist eine Situation zu sehen, in der zwei Spuren nach rechts abgehen und das Auto auf der linken dieser Spuren zur Übernahme auffordert, weil die Spurteilung mit der ersten Spur nach links nicht korrekt erkannt wurde und das System überfordert hat. Das Assisted Driving Plus ist allerdings auch nicht für Zu- und Abfahrten gedacht, wenngleich es sich hier nur um eine Teilung der Spur handelte. Nach wenigen Sekunden der manuellen Übernahme wurde Modus 3 des Assistenzsystems aber wieder angeboten.

Ab- und Auffahrten korrekt erkannt

Mit einfachen Abfahrten und Auffahrten, die rechts vom Highway abgehen oder von rechts hinzukommen, hatte Assisted Driving Plus im Test keine Probleme. Eine entsprechende Abfahrt auf dem Rückweg aus der Bay Area wurde korrekt ignoriert, wie im Video kurz bei Minute 9:16 im Zeitraffer zu sehen ist. Auch mit der kurz darauf folgenden Auffahrt hatte das System letztlich kein Problem, obwohl sich die ganz rechte Spur des Highways und die Auffahrt aufgrund fehlender Markierungen optisch zu einer großen Spur vermischten. Das Assisted Driving Plus reagierte darauf mit einem kleinen Schlenker nach rechts, folgte dieser ersten Intention aber nicht und hielt das Auto in der korrekten Spur.

Das war ganz schön knapp

Selbst eine kritische Situation konnte das System nicht aus dem Takt bringen, wenngleich der Fuß schon über dem Bremspedal schwebte und die Hände fast zum Lenkrad greifen wollten. Beginnend ab Minute 11:43 im Video scheitert eine Person (bewusst?) am Einfädeln, fährt vorher aber schon auf der gesperrten Spur und touchiert zwei Pylonen. Auf den Stillstand am Ende der Spur folgte das unangekündigte Losfahren ohne Blinker direkt vor das Testfahrzeug, das das andere Auto aber noch rechtzeitig erkannte und die Geschwindigkeit stark zurücknahm. Das Assisted Driving Plus hat in dieser Situation korrekt gehandelt, aber es hat auch nicht viel zu einem Unfall gefehlt. Die Weitwinkelperspektive der GoPro-Kamera lässt die Abstände größer erscheinen. Wäre in dieser Situation etwas passiert, hätte unabhängig vom Fehlverhalten des anderen Verkehrsteilnehmers der Fahrer selbst in der Verantwortung gestanden, nicht der nach „Level 2+“ assistiert fahrende PKW respektive der Hersteller des Autos.

Fazit

Ob „Level 2+“ für stockenden Verkehr und Stausituationen sicher genug ist, lässt sich nach zwei Wochen mit dem Testwagen bejahen. Der Hintergrund ist einfach erklärt, denn das System bleibt ja obgleich seines erweiterten Umfangs exakt so sicher, wie es zuvor mit Händen am Lenkrad war, da der Fahrer letztlich weiterhin das entscheidende, verantwortliche Glied in der Kette ist. Assisted Driving Plus setzt als Level-2-System nach wie vor die dauerhafte Aufmerksamkeit des Fahrers voraus, sodass dieser in einer brenzligen Situation die Entscheidungsmacht trägt. So überzeugend der Komfortgewinn auch ausfiel, so froh ist man allerdings auch (noch), in mancher Situation nicht mit der Switch gespielt oder Videos auf YouTube geguckt zu haben. Für eine Einstufung nach Level 3 reichen die Fähigkeiten des getesteten Fahrzeugs nämlich noch nicht aus.

Dass Mercedes-Benz mit dem Drive Pilot nach Level 3 nicht den Termin halten konnte, kommt angesichts der Herausforderungen vor allem in den jüngst selbst erlebten Grenzsituationen wenig überraschend. Bietet das Fahrzeug dem Fahrer automatisiertes Fahren nach Level 3 an und übergibt der Fahrer daraufhin die Verantwortung, muss er lediglich sicherstellen, spätestens zehn Sekunden nach Aufforderung durch den PKW wieder die Kontrolle zu übernehmen. Für alles, was in der Zwischenzeit passiert, ist wiederum das Fahrzeug und damit der Fahrzeughersteller in der Verantwortung. Technisch macht das nicht unbedingt einen Unterschied, Tesla zum Beispiel sieht schon heute jedes Fahrzeug in Sachen Hardware dafür bereit. Rechtlich trennen Level 2(+) und Level 3 hingegen Welten.

Ist dein PKW in der Lage nach Level 2 assistiert zu fahren?
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  • Ja, wann immer es möglich ist
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ComputerBase wurde der 330e leihweise und unentgeltlich von BMW für einen Testzeitraum von zwei Wochen zur Verfügung gestellt. Die Kraftstoffkosten wurden in voller Höhe von der Redaktion bezahlt. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht.

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