Overwatch und CoD League: Teams sind bei Activision Blizzard hoch verschuldet

Fabian Vecellio del Monego
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Overwatch und CoD League: Teams sind bei Activision Blizzard hoch verschuldet
Bild: Blizzard

Einem Bericht zufolge schulden die Teams der Overwatch- und Call of Duty-Ligen Activision Blizzard insgesamt bis zu 420 Millionen US-Dollar. Da das Interesse der Investoren schwindet, Sponsoren aussteigen und auch das Zuschauerinteresse geringer ausfällt, gilt die Finanzierung der beiden Ligen als unsicher.

E-Sport-Projekte mit klassischem Profisport als Vorbild

Die Overwatch League ist für Activision Blizzard seit ihrer ersten Saison im Jahr 2018 ein wichtiges Projekt und ebenso wichtiger Bestandteil Overwatchs. Im Gegensatz zu anderen E-Sport-Organisationen wurde die Liga mit dem Vorbild des etablierten Profisports aufgebaut, also mit Teams in Privatbesitz und Zugehörigkeit zu bestimmten Städten. In erster Linie liegen diese in den USA verteilt, aber auch Teams aus China, Kanada, Südkorea, Frankreich und Großbritannien sind dabei. Als Beispiel dient in dem nun veröffentlichten Bericht eines Sportjournalisten das amerikanische Team Boston Uprising, das mit Sitz in der gleichnamigen Stadt früher im Besitz von Robert Kraft lag, der auch das American-Football-Team New England Patriots besitzt. Activision Blizzard versuchte nach dem Start der Overwatch League, das System mit einer Call-of-Duty-Liga zu kopieren.

Hohe Gebühren ergeben hohe Schulden

Eben dieser Privatbesitz wird nun allerdings zum Problem. Die insgesamt acht Teams, die der ursprünglich aus zwölf Wettbewerben bestehenden Overwatch League erst zu deren zweiter Saison beitraten, mussten sich für 27 bis 35 Millionen US-Dollar in die Liga einkaufen – zusätzlich zu ohnehin jährlich anfallenden Gebühren. Die Gründungsmitglieder hatten im Jahr 2017 je 20 Millionen US-Dollar gezahlt – und die Overwatch League damit zur damals zur teuersten Esports-Liga gemacht.

Einige dieser Zahlungen wurden jedoch seitens Blizzards mit dem Beginn der COVID-Pandemie ausgesetzt und einst auf den Herbst 2022 verschoben. Die Pandemie kam zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt: Blizzard hatte die Overwatch League gerade erst auf ein Hin-und-Rückspiel-Modell umgestellt, bei dem die jeweiligen Teams ihre Gegenspieler vor Ort besuchen sollten. Mit den Anfang 2020 beginnenden Lockdowns und aufkommenden Reisebeschränkungen wurde daraus jedoch nichts; die Liga wechselte nach nur einem Monat außerplanmäßig zu reinen Online-Wettkämpfen. Ausbleibende Einnahmen waren die Folge.

Die Stundung der ausstehenden Gebühren sollte die nun angeschlagene Liga entlasten. Anonymen Quellen zufolge schulden die Teams der Overwatch League sowie der Call of Duty League dem Unternehmen Mitte 2022 noch immer mehrere Millionen US-Dollar an ausstehenden Beiträgen, insgesamt belaufe sich die Summe auf 390 bis 420 Millionen US-Dollar.

Auch sonst steht es nicht gut

Activision Blizzard allerdings befindet sich schon seit längerem in keiner günstigen Position, die offenen Forderungen einzutreiben. Die hohen Einstiegskosten haben es seit jeher erschwert, Investoren für die beiden Ligen zu gewinnen. Darüber hinaus scheint es Schwierigkeiten zu geben, die derzeitigen Investoren am Ball zu halten. Robert Kraft, der Besitzer der New England Patriots, musste dem Bericht zufolge eigens vom umstrittenen Activision-Blizzard-CEO Robert Kotick überredet werden, zur Gründung der Liga einzusteigen. Mittlerweile jedoch hat Kraft die Mehrheit seiner Anteile wieder verkauft. Die Historie vieler weiterer Teams liest sich ähnlich.

Spätestens seit Bekanntwerden der Belästigungsskandale und weiteren Kontroversen hat Blizzard darüber hinaus Probleme, Werbesponsoren zu halten. So kündigten beispielsweise Coca-Cola, Kellogg's und weitere Sponsoren Ende letzten Jahres sämtliche Zusammenarbeit auf. Vor dem Start der fünften Saison im Frühling 2022 suchte Blizzard dementsprechend händeringend nach Sponsoren. Und da es Overwatch bereits seit Jahren an neuem Inhalt mangelt und Overwatch 2 noch immer nicht unmittelbar vor der Tür steht, fallen auch die Zuschauerzahlen vergleichsweise niedrig aus. Es könnte Activision Blizzard folglich nötig werden, die ausstehenden Zahlungen weiter auszusetzen oder gar zu erlassen, wenn der Publisher die beiden Ligen zusammenhalten will.

Zeitnahe Änderung des Status quo unwahrscheinlich

Zu Beginn der Pandemie erließ Activision Blizzard bereits einen Teil der Schulden, zu einem gänzlichen Schuldenschnitt konnte sich das Unternehmen allerdings nicht durchringen. Der damalige Head of eSports Brandon Snow propagierte einen solchen Schritt, soll sich intern aber nicht durchsetzen haben können. Im Februar 2022 verließ er Blizzard. Mit der ausstehenden Übernahme durch Microsoft erscheint eine baldige Entscheidung unwahrscheinlich – entsprechend ungewiss ist die zukünftige Finanzierung der beiden Ligen.