Vorerst keine Übernahme: Tencent baut Beteiligung an Ubisoft deutlich aus

Fabian Vecellio del Monego
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Vorerst keine Übernahme: Tencent baut Beteiligung an Ubisoft deutlich aus
Bild: Ubisoft

Gerüchte um eine sich anbahnende Übernahme Ubisofts gehörten zuletzt beinahe zur Tagesordnung; unter anderem Tencent stand als potenzieller Käufer zur Debatte. Derart drastisch kommt es nun aber zumindest vorerst doch nicht, denn der chinesische Technologieriese baut lediglich seine Beteiligung aus und sorgt für frisches Geld.

Finanzspritze statt kompletter Übernahme

Tencent wird weitere 300 Millionen Euro in Ubisoft investieren, wie der französische Publisher nach Monaten voller Spekulationen mitteilt. Bisher hielt der Investor aus Fernost rund 4,5 Prozent der Anteile. Dass wiederum Interesse besteht, mehr zu kaufen, wurde spätestens Anfang August erneut untermalt; damals war von einem Zukauf zum Wert von rund 100 Euro pro Aktie die Rede. Die nun tatsächliche stattfindende Transaktion bewertet Ubisoft hingegen mit rund 80 Euro je Wertpapier.

Tencent steckt das Geld allerdings nicht direkt in Ubisoft SA, sondern investiert zunächst einmal 200 Millionen Euro in 49,9 Prozent der Anteile von Guillemot Brothers Limited, die bislang zu einem großen Teil Ubisoft-CEO Yves Guillemot gehört. Die Holding-Gesellschaft ist wiederum mit 15,4 Prozent an Ubisoft SA beteiligt und hält überdies rund 22 Prozent der Stimmrechte. Abseits dessen stellt Tencent 100 Millionen Euro an frischem Kapital zur Verfügung. Insgesamt steigt der indirekte Anteil des Investors damit auf rund 11,3 Prozent, berechnet Bloomberg. Zudem bestünde die Option, die Beteiligung mittelfristig auf bis zu 16,8 Prozent auszuweiten.

Ubisoft betont derweil, dass Tencent auf Sitze im Aufsichtsrat und in weiteren Gremien verzichte; überdies werden keine Vetorechte eingeräumt. Die Guillemot-Familie werde damit weiterhin die Geschicke des Unternehmens bestimmen. Die Vereinbarung gehe aber mit dem gemeinsamen Vorgehen einher, große Ubisoft-Marken auf Mobilgeräte zu bringen – insbesondere in China machen Mobile Games den Löwenanteil an Umsatz und damit Gewinn aus.

Die Spielebranche steckt im Wandel

Tencents erneute Investition in Ubisoft ordnet sich in eine seit Jahren andauernde Konsolidierung der Spielebranche ein. Allen voran geht die schier gigantische Übernahme Blizzards durch Microsoft für 68,7 Milliarden US-Dollar – enthalten sind Call of Duty, World of Warcraft, Overwatch, Diablo und StarCraft. Microsoft hatte zuvor bereits ZeniMax mit Bethesda sowie id Software und den Marken Fallout, The Elder Scrolls und Doom aufgekauft. Konkurrent Sony hingegen kündigte Anfang des Jahres die Übernahme des Destiny- und ehemaligen Halo-Entwicklers Bungie an; ebenso wurde der PC-Port-Spezialist Nixxes gekauft. Übernahme-Wiederholungstäter ist auch die Embracer Group, die unter anderem Saber Interactive, Gearbox, Aspyr, Easybrain und zahlreiche Square-Enix-Studios mitsamt den Marken Tomb Raider sowie Deus Ex schluckte.

Tencent ist für besonders viele Übernahmen und Investitionen bekannt, so wurden unter anderem Slamfire, die Entwickler von Back 4 Blood, sowie Sumo Digital (Sackboy: A Big Adventure) gekauft und in Activision Blizzard, Epic Games und Bohemia Interactive (ArmA, DayZ) investiert.

Ubisoft indes wehrte sich bislang gegen Übernahmen oder allzu hohe Beteiligungen einzelner Aktionäre. Beispielhaft steht die misslungene und seitens der Guillemot-Familie aggressiv opponierte Übernahme durch den französischen Medienkonzern Vivendi im Jahr 2015, im Kontext derer Tencent erstmals ins Boot geholt wurde. Noch im Mai 2022 hieß es dann, dass Ubisoft ausreichend liquide sei, um weiterhin unabhängig zu bleiben. Nun steht Yves Guillemot ein: Die erweiterte Beteiligung Tencents gebe dem Publisher nötige Stabilität. Der Aktienkurs des Unternehmens stieg zunächst an, fiel im Laufe des Mittwochs dann aber um über 15 Prozent auf rund 37 Euro. Im Sommer 2018 kulminierte das Wertpapier bei rund 100 Euro, seitdem geht es abwärts.

Bei Ubisoft lief zuletzt nahezu nichts mehr rund

Die Gründe dafür sind vielfältig, die Historie des bisherigen Jahres zeigt jedoch einige exemplarisch auf. Ubisoft hatte zuletzt mit zahlreichen Fehlschlägen und Pannen zu kämpfen. Als Paradebeispiel mag das nach vernichtenden Rückmeldungen zu einer geschlossenen Beta-Testphase auf unbestimmte Zeit zurück ans Reißbrett gebrachte Die Siedler dienen, aber auch anderweitig sah es zuletzt mau aus. Nebst dem zusammen mit Nintendo produzierten Mario + Rabbids: Sparks of Hope, das am 20. Oktober exklusiv für die Switch erscheinen wird, stellt das ebenso um Jahre verzögerte Piratenspiel Skull and Bones Ubisofts letzte größere Neuerscheinung im Jahr 2022 dar. Zuletzt startete lediglich Roller Champions, wobei Ubisoft Ende Juli Gerüchte um eine baldige Einstellung zwar dementierte, aber weitere Verzögerungen bei neuen Inhalten einräumen musste.

Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass das Open-World-Action-Adventure Avatar: Frontiers of Pandora um bis zu eineinhalb Jahre verschoben wird, während vier Entwicklungen bereits vor ihrer Veröffentlichung eingestellt wurden. Im Herbst werden außerdem die Online-Dienste von 15 älteren Ubisoft-Spielen eingestellt. Auch die Remake-Neufassung von Prince of Persia: The Sands of Time hat nach einigen Verzögerungen derzeit keinen Releasetermin. Bereits Ende 2021 wurde darüber hinaus bekannt, dass Ubisoft mit einem gravierenden Mitarbeiterschwund zu kämpfen hat, der in einer Kette von internen Belästigungsskandalen, fehlender Aufarbeitung und einem kruden Krisenmanagement wurzelt.

Nachricht kommt neuem Assassin's Creed zuvor

Die höhere Beteiligung seitens Tencents kommt derweil kurz vor einem für Ubisoft wichtigen Tag: Am 10. Oktober will der Publisher im Rahmen eines UbisoftForward-Events einen Ausblick auf neue Spiele geben; unter anderem ein neues Assassin's Creed wird vorgestellt. Es handelt sich um AC Mirage, das im zweiten Quartal 2023 ins Bagdad des 9. Jahrhunderts führen und in vielerlei Hinsicht an alte Tugenden der Spieleserie anknüpfen soll – und damit an Assassin's Creed Unity aus dem Jahr 2014. Das Pseudo-RPG-Interludium bestehend aus AC Origins, AC Odyssey und AC Valhalla hätte damit ein Ende gefunden. Abseits dessen sollen Neuigkeiten zu Mario + Rabbids: Sparks of Hope sowie Skull and Bones folgen. Erwartet werden außerdem neue Informationen zu Brawlhalla, For Honor, The Crew 2 und Anno 1800.