Solange so ein erschreckend großer Nutzerteil selbst hier in einem technikaffinen Forum noch den Sinn und Zweck von verschlüsselten Webseiten hinterfragt, wird es wohl leider auch nicht wirklich voran gehen mit dem verschlüsselten Internet.
Warum sollte ich den Zugriff auf scheinbar triviale Dinge verschlüsseln?
Zum einen ist da natürlich der Privatsphäreaspekt: Greife ich verschlüsselt auf eine Webseite zu, dann ist alles, was ein potentieller Mitlesender sehen kann, dass ich auf
www.computerbase.de zugreife. Es wird aber in keinster Weise klar, ob ich mich für Newsartikel, für Softwaredownloads, für den Preisvergleich oder für das Forum interessiere.
Nicht umsonst verschlüsselt auch Google seit einiger Zeit ihre Suchmaschine, denn es geht niemanden etwas an, ob ich mich für Katzenfotos, politisch umstrittene Positionen, Krebstherapien, oder homosexuelle Interessengemeinschaften in meiner Nähe interessiere.
In Hinblick auf weltweite Überwachung durch NSA und co. ist allumfassende Verschlüsselung auch einfach ein Stinkefinger in Richtung der Überwacher. Wir wissen, dass diese gerne scheinbar triviale Informationen sammeln und auswerten, je mehr davon verschlüsselt ist desto schwieriger wird ihr Vorhaben.
Sobald ich auf einer Webseite eingeloggt bin, kommt der Aspekt der Identitätssicherung dazu:
So wie das Internet aufgebaut ist muss ich, um mich der Seite gegenüber zu identifizieren, bei jedem Request meinen Sessioncookie mitsenden. Dieser identifiziert mich und meine eingeloggte Sitzung aber vollumfänglich und kann dementsprechend genutzt werden, um mich zu personifizieren. Ich möchte, auch in so einem trivialen Fall wie Computerbase, aber nicht, dass jemand der den Sessioncookie mitschneidet, in meinem Namen Forenposts verfassen kann. Genau so kann der Sessioncookie benutzt werden, um aus dem Kontrollzentrum meine Emailadresse oder andere private Daten auszulesen und sie zum Beispiel zu Phishingzwecken gegen mich zu verwenden.
Wo wir auch schon beim Aspekt der Sicherheit wären: Wer auf meiner Leitung mitlesen kann, kann vermutlich auch Daten verändern. Es wäre so ein leichtes, mir bei einer unverschlüsselt übertragenen Webseite schadhaften Code, JavaScript beispielsweise, unterzujubeln, der unter Umständen meinen kompletten PC kompromittiert und die privatesten Informationen freigibt.
Das alles könnte zumindest erheblich erschwert werden, indem schlicht und ergreifend jede Webseite, egal ob Katzenfotos oder Online-Banking, auf HTTPS umstellt. Und wer den potentiellen Mitlesenden auf der Leitung für ein Aluhut-Gespinst hält, der soll sich mal vor Augen führen, dass wir in einem Land leben, in dem gerade fleißig darüber diskutiert wird, ob freies WLAN an öffentlichen Plätzen nicht selbstverständlich sein sollte. Natürlich ist das eine begrüßenswerte Überlegung, aber HTTP ist in dem Fall einfach tödlich.
Wer noch ein paar Denkanstöße bezüglich verschlüsseltem Internet braucht:
Mozilla plant, auf lange Sicht unverschlüsseltes Internet komplett abzuschaffen
Ein Blog-Eintrag vom Chefingenieur von Qualys (unter anderem ssllabs.com)
Jemand, der SSL überall zunächst für einen Overkill hielt, seine Meinung dann aber geändert hat
Und schließlich, eine insgesamt nette Zusammenfassung, die unter anderem auf Caching im Zusammenhang mit SSL eingeht.