Bundesregierung legt Entwurf für Leistungsschutzrecht vor
CDU/CSU und FDP haben doch noch einen Gesetzesentwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage verabschiedet, mit dem in dieser Legislaturperiode niemand mehr gerechnet hatte. Während die Netzgemeinde ihren Unmut freien Lauf lässt, versuchen Verlagsvertreter zu beschwichtigen.
Die großen Presseverlage, die federführend durch die Axel Springer AG seit Jahren auf das Leistungsschutzrecht pochen, haben sich nun offenbar durchgesetzt. Gemäß des Referentenentwurfs aus dem Justizministerium (PDF-Datei) sollen Verlage ihre Presseerzeugnisse im Internet schützen können. Exakt heißt es:
Mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage wird den Presseverlagen das ausschließliche Recht eingeräumt, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Presseverlage können somit auch die Unterlassung unerlaubter Nutzungen verlangen und gewerbliche Nutzer müssen für die Nutzung Lizenzen erwerben. Dies gilt nicht für die reine Verlinkung und Nutzungen im Rahmen der Zitierfreiheit.
Allerdings enthält der Entwurf zahlreiche unklare Formulierungen, die selbst nach Ansicht von Befürwortern zu einigen gerichtlichen Auseinandersetzungen führen werden. Ursprünglich hat man mit einer „Lex Google“ gerechnet, da es die Verleger vor allem auf den Internetriesen abgesehen hatten, der mit den im News-Aggregator Google News und in der Suchmaschine eingebundenen Textausschnitten Geld verdiene. Davon beanspruchen die Verlage einen Teil, da die Inhalte von ihren Web-Angeboten stammen. Nun beschränkt sich der Gesetzentwurf aber nicht auf Google oder Suchmaschinenbetreiber, sondern spricht von „gewerblichen Nutzern“.
Darunter fallen auch Blogger und vermutlich sogar Nutzer von Sozialen Netzwerken und Twitter. In der Begründung des Gesetzentwurfs werden Blogger als gewerbliche Nutzer eingeordnet, wenn sie Presseerzeugnisse für ihre Beiträge nutzen und Werbebanner oder Bezahl-Button von Micropayment-Diensten einblenden. Ebenfalls betroffen sind Hobby-Blogger, die keine Werbebanner oder Micropayment-Dienste nutzen, aber über ihr berufliches Fachgebiet schreiben.
Facebook- und Twitter-Nutzer werden im Gesetzentwurf nicht erwähnt, können aber über das Zitatrecht betroffen sein. Zwar sollen reine Verlinkungen und Zitate eigentlich noch möglich sein, allerdings bezieht sich der Gesetztesentwurf ausdrücklich auf die „Metal-ist-Metal“-Entscheidung des Bundesgerichtshof, in der für Musik festgelegt wurde, dass selbst die Übernahme kleinster Passagen (zwei Sekunden) nicht gestattet ist. „Was nach dem Zitatrecht also noch möglich wäre, könnte nach dem Leistungsschutzrecht verboten sein“, erklärt Anwalt Udo Vetter im Lawblog und befürchtet zahlreiche Abmahnungen aufgrund der unsicheren Rechtslage.
Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer für Public Affairs bei Axel Springer, widerspricht zwar in seinem Blog, das Zitatrecht werde vom Leistungsschutzrecht nicht beeinflusst und de facto ändere sich für Blogger nicht allzu viel, außer sie binden Presseerzeugnisse in einem Umfang ein, der über das Zitatrecht hinausgeht. Davon betroffen sind wohl neben Google auch Webseiten wie der Perlentaucher oder Riiva. Ähnlich argumentiert ein Beitrag von Spiegel Online, allerdings verweisen die Autoren auf die vagen Definitionen im Entwurf, der letztlich auf Entscheidungen von Gerichten hinausläuft.
Mit Bezug auf das genannte BGH-Urteil könnte die Auslegung soweit gehen, dass bereits kleinste Textbestandteile und einzelne Wörter von dem Leistungsschutz umfasst sind, befürchtet der Anwalt Robert Stadler. Selbst Links könnten problematisch werden, da diese oftmals Teile der Überschrift eines Artikels beinhalten. Somit könnten auch Nutzer gegen das Leistungsschutzrecht verstoßen, wenn sie lediglich Links über Soziale Netzwerke oder Twitter verbreiten. Darüber hinaus ist unklar, wie der Vergütungsanspruch der einzelnen Parteien geltend gemacht werden soll. Eine ursprünglich geplante Verwertungsgesellschaft ist nach Bestreben der FDP aus dem Entwurf gestrichen worden, der Entwurf beschreibe nur „die vorhandenen Instrumente des Unterlassungs- und Schadensersatzanspruchs“, so Stadler.
Bei diesen Aussichten ist es dementsprechend wenig verwunderlich, dass der Zorn in der Netzgemeinde groß ist. Markus Beckedahl vom Verein Digitale Gesellschaft sagt, dass der Entwurf keine Probleme löse, aber „einen ganzen Stapel neue“ schaffe. „Ein Leistungsschutzrecht für Verleger ist unnötig, gefährlich und ohne Sinn“, so Beckedahl. Von einer „Lose-Lose“-Situation spricht Till Kreutzer in einer ausführlichen Analyse auf iright.org, zahlreiche Kommentare finden sich zudem auf Twitter.
Sollte der Entwurf in dieser Form als Gesetz verabschiedet werden, dürfte dieser noch einige Probleme bereiten. Fraglich ist nur, ob die Verleger die Rechnung nicht ohne den Wirt respektive Google gemacht haben. Bereits 2011 versuchten belgische Verleger mit einem ähnlichen Vorhaben, sich an den Umsätzen von Google zu beteiligen. Allerdings zahlte Google nicht, sondern strich die Web-Angebote der Verleger aus dem Suchindex. Das wollten die Verleger dann doch nicht, nach vier Tagen Google-Abstinenz und Empörung einigte man sich mit dem Suchmaschinenriesen – und eigentlich gibt es keinen Grund, warum Google in Deutschland anders vorgehen sollte.