Kommentar: EU-Richtlinie zu Softwarepatenten

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Steffen Weber
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Werdegang der Richtlinie

An dem Verfahren zur Verabschiedung der Richtlinie, welche die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dann innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umsetzen müssen, sind drei Organe involviert. Richtlinien werden zunächst von der eine Regierungsrolle übernehmenden Kommission erarbeitet, wobei jedes Mitgliedsland einen Kommissar stellt. Nach ihrem Entwurf müssen Richtlinien den Rat und das Parlament passieren. Das Parlament und der Rat sind die beiden gesetzgebenden Organe der Europäischen Union. Der Rat setzt sich aus den Regierungen der Mitgliedsstaaten zusammen, woraus sich die Konsequenz ergibt, dass dort von der Exekutive legislative (gesetzgeberische) Aufgaben wahrgenommen werden. Im Parlament sitzen die im Juni des vergangenen Jahres im Zuge der Europawahl gewählten Abgeordneten, von denen aktuell 99 aus Deutschland stammen.

In der ersten Lesung im September 2003 hatte das Parlament weitreichende, die Patentierbarkeit von Software stark einschränkende Änderungen an dem von der Kommission erarbeiteten Richtlinienentwurf vorgenommen. Im Mai 2004 hatte der Rat jedoch entschieden, diese Änderungen nur teilweise zu übernehmen sind und daraufhin im März 2005 diese Position dem Widerstand einiger Mitgliedsländer zum Trotz und um keinen Präzedenzfall für die Verzögerung anderer Richtlinien zu schaffen formal angenommen (Quelle). In zweiter Lesung haben nun die Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEPs) die letzte und somit entscheidende Möglichkeit, Änderungen an der Richtlinie zu erwirken. Sollte sich die absolute Mehrheit gegen die vorgelegte Richtlinie aussprechen, würde es zu einem Vermittlungsverfahren kommen, andererseits ist die Richtlinie verabschiedet. Kurioserweise werden abwesende Abgeordnete bei der Abstimmung nach zweiter Lesung automatisch zu den Befürwortern der Richtlinie gezählt.

Patentrecherche

Warum stellen nun Softwarepatente nach Ansicht vieler ein Problem für kleinere und mittelständische Unternehmen (KMUs) sowie Entwickler freier Software und somit letztendlich die Gesellschaft als Ganzes dar? In erster Linie dürfte es die bereits jetzt hohe Anzahl an Softwarepatenten in Verbindung mit der oftmals zweifelhaften, also eigentlich zu niedrigen Erfindungshöhe sein. Hinzu kommt die die eigentliche Erfindung äußerst abstrakt beschreibende, sogenannte Patentschrift. Diese muss eine Erfindung zwar soweit offenbaren, dass ein Experte des jeweiligen Gebiets diese verstehen und anwenden kann. Deutlich erschwerend kommt jedoch hinzu, dass die weitreichenden, sich aus dieser ergebenden Ansprüche erst nach mehrfachem Lesen deutlich werden.

Diese drei genannten Punkte zusammen verhindern effektiv, dass man beim Entwickeln von Software sich im Voraus über eventuelle Patentverletzungen informieren könnte! Konkret ergibt sich somit keine Alternative, als mit ein wenig Hoffnung und flauem Gefühl im Magen seine Ideen zu verwirklichen und darauf zu hoffen, dass man keinem Patentinhaber in die Quere kommt. Salopp gesagt hat man entweder Glück, da man kein Patent verletzt oder dies dem Rechteinhaber lediglich nicht auffällt, oder man hat Pech und wird zur Kasse gebeten.

Innovatives Handeln

Sollten Softwarepatente ohne wirksame Einschränkungen, beispielsweise was die Erfindungshöhe angeht, das Parlament in zweiter Lesung passieren, stehen viele Unternehmen folglich vor einem großen Problem. Innovatives, unternehmerisches Handeln dürfte kaum dadurch gefördert werden, dass man nach der kostspieligen Planung und Entwicklung eines Produkts sich nicht sicher sein kann, kein Patent zu verletzen und das Produkt nicht wieder vom Markt nehmen zu müssen. In der Regel vergeht zudem mindestens ein Jahr von der Patentanmeldung bis zur Erteilung. Während dieser Zeit ist die Patentschrift nicht öffentlich einsehbar, so dass man, abgesehen von der jenseits von Gut und Böse liegenden Anwendbarkeit der Patentrecherche, nicht einmal die theoretische Möglichkeit hat, sein Produkt auf Patentverletzungen hin zu überprüfen.

Da Softwarepatente somit ein unkalkulierbares Risiko darstellen, ergreifen große Konzerne präventive Maßnahmen in Form der Erweiterung ihres Patent-Portfolios, um im Falle einer eigenen Patentverletzung gerüstet zu sein und ein Tauschgeschäft mit dem Gegenüber anstreben zu können:

„Leider ist Oracle gezwungen, als Verteidigungsstrategie ausgewählte Patente zu beantragen, welche die besten Möglichkeiten für Cross-Licensing-Geschäfte zwischen Oracle und anderen Firmen, die Patentverletzungen unterstellen könnten, bieten.“ (Quelle)

Oracle Corporation Patent Policy

Von Befürwortern hört man oft, dass gerade KMUs von Softwarepatenten profitieren würden. Nehmen wir an, es kommt dazu, dass ein Konzern mit großem Patent-Portfolio ein Patent eines KMU verletzt. Dann wird dieses es sich nicht nur einmal überlegen, rechtliche Schritte gegen den Konzern einzuleiten. Denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass man selbst mindestens ein Patent des Konzerns verletzt – der Schuss könnte sehr schnell nach hinten losgehen.