Ich war heute (bzw gestern 1. Juli 2005) in Meschede, dort fand ein Gespräch zu der umstrittenen Richtlinie mit dem CDU-Europa-Parlamentarier Dr. Peter Liese statt. Insgesamt waren es ca. 12 Diskussionsteilnehmer, darunter als "Befürworter von Softwarepatenten" Dr. Peter Baumann (Universitäts-Professor und Inhaber der Firma RasDaMan, hat sich bereits
2001 in der c´t zum Thema geäußert). Die Weiteren Anwesenden waren gegen die Ratsversion der Richtlinie und größtenteils Software-Entwickler, auch Herr Solleder von der
Initiative von Unternehmen in NRW gegen die Patentierbarkeit von Software war dabei.
Wir haben da einiges an Papier bekommen:
- Den "Gemeinsamen Standpunkt des Rats" (18.11.2004, 14 Seiten beidseitig bedruckt)
- "Empfehlung für die zweite Lesung" von Berichterstatter Michel Rocard, der die zahlreichen Änderungsanträge zusammengefasst und Misstände aufgezeigt hat (21.06.2005, 28 Seiten)
- Zwei sich auf Rocard beziehende Änderungsvorschläge für die zweite Lesung von Piia-Noora Kauppi (finnische Schattenberichterstatterin in dieser Angelegenheit) und Klaus-Heiner Lehne, die bisher sehr konträre Meinungen vertreten haben und sich dort auf zwei Änderungen geeinigt haben (zum einen wird Technologie als "angewandte Naturwissenschaft" definiert und zum anderen eine Pflicht zur nichtdiskriminierenden Lizenzvergabe eingeführt) (29.06.2005, 3 Seiten, Englisch).
- Umfassende, sich auf Rocard beziehende Änderungsvorschläge für die zweite Lesung von Zuzana Roithova (tschechische Europa-Parlamentarierin) und Jerzy Buzek (polnischer Europa-Parlamentarier) (30.06.2005, 17 Seiten, Englisch)
Hier jetzt die ganze Diskussion nochmal zusammenzufassen wäre denke ich übertrieben und da ich mir keine Notizen gemacht habe, würde das auch schwer. Es war aber ein Reporter der Westfälischen Rundschau dabei, wenn jemand dort in den nächsten Tagen einen Artikel zum Thema sieht, würde mich das sehr interessieren.
Dr. Peter Baumann, der ein Patent auf ein Verfahren zum Ablegen mehrdimensionaler Arrays in einer Datenbank (Ich bin mir sicher, dass das so nicht ganz korrekt ist, aber grob darum geht es: Wer mehr wissen will kann auf der
DPMA-Seite nach Patent "DE 19621788 A1" suchen) besitzt, ist mit seiner Firma ein Beispiel dafür, dass auch KMUs von Patenten profitieren können. Auch er stört sich jedoch an den zahlreichen Trivialpatenten, möchte reine Software jedoch nicht pauschal von der Patentierbarkeit ausschließen und setzt auf Qualitätsverbesserungen bei der Erteilungspraxis des Patentamts und darauf, dass Richter im Ernstfall Trivialpatente kippen.
Von den Softwarepatentgegnern kamen in erster Linie die Argumente, dass eine Patentrecherche in der Praxis nicht durchführbar ist und dass die bestehenden Patente durch ihre weitreichenden Ansprüche Konkurrenz unterbinden, da oftmals nicht ein Verfahren zur zum Erreichen eines Ziels patentiert würde, sondern sich der Ansruch auf alle Verfahren mit diesem Ziel erstreckt. Dieses Problem ist glaube ich während der Diskussion nicht ganz rübergekommen. Davon abgesehen stellt natürlich die hohe Anzahl an Trivialpatenten einen großen Unsicherheitsfaktor dar, da nicht klar ist, wie die Gerichte im Ernstfall entscheiden werden.
Dr. Peter Liese sieht für die zweite Lesung im Parlament gute Chancen, dass die Parlamentarier Änderungen an dem zentralen Artikel 2 durchsetzen können. Beim Änderungsvorschlag an Artikel 2 handelt es sich um folgendes: "a field of technology is a field of applied natural science" ("ein Gebiet der Technologie ist ein Gebiet der angewandten Naturwissenschaft"). Es wird also nicht eine Auswirkung auf Naturkräfte gefordert, wie dies das Parlament in erster Lesung beschlossen hat. Solange man Informatik aber nicht als Naturwissenschaft definiert (...), müssten Patente auf reine Software somit ausgeschlossen sein.
Meiner Meinung sind auch noch einige andere Änderungsvorschläge sehr sinnvoll -- Insbesondere die Interoperabilitätsklausel, also dass man Patente zum Erreichen von Interoperabilität verletzen darf.
Leider sind die Artikel teilweise ziemlich verwirrend und mehrdeutig formuliert und ich habe den Verdacht, dass Patente auf reine Software durch die Hintertür doch möglich gemacht werden. Folgendes Satzungetüm in Artikel 5 Paragraph 2 ist mir selbst nach mehrfachem Lesen immer noch nicht klar, wird auch von Roithova und Buzek moniert und ermöglicht letzten Endes eventuell Patente auf reine Software: "A claim to a computer programm, either on its own or on a carrier, shall not be allowed unless that program would, when loaded and executed in a programmable computer, programmable computer network or other programmable apparatus, put into force a product or process claimed in the same patent application in accordance with paragraph 1."
In der Diskussion hat sich gezeigt, dass das eigentliche Kernproblem die zahlreichen Trivialpatente sind. Darüber, ob man davon abgesehen Software überhaupt patentieren dürfen sollte, herrschten verschiedene Meinungen.
Da es keinen wirksamen Vorschlag zur Definition der notwendigen Erfindungshöhe gibt, halte ich den Weg, reine Softwarepatente vorerst über die Definition von "Technologie als angewandte Naturwissenschaft" auszuschließen (wobei die reine Tatsache, dass Software auf einem Computer läuft und dabei Elektronen durch die Leiterbahnen flitzen, nicht ausreicht) für richtig. Es ist nicht die ideale Lösung: Ich bin mir nämlich nicht wirklich sicher, ob es nicht doch einige wenige Erfindungen gibt, die ein Patent rechtfertigen würden, aber durch eine solche Formulierung ausgeschlossen werden. Doch bei der aktuellen Erteilungspraxis des Europäischen Patentamts ist der Weg über die Defnition von Technologie als angewandte Naturwissenschaft schlicht der einzig gangbare Weg.