Kommentar: EU-Richtlinie zu Softwarepatenten
3/3Gesunde Konkurrenz
Durch ein Softwarepatent wird ein Monopol für, in dieser Branche irrsinnig lang erscheinende, 20 Jahre gewährt. Der Inhaber kann sich während dieser Zeit darauf ausruhen. Konkret gesagt kann das eigene, die Erfindung umsetzende Produkt fehlerhaft sein, Sicherheitslücken aufweisen oder beispielsweise nur für ein bestimmtes Betriebssystem verfügbar sein: 20 lange Jahre lang hätte niemand das Recht, an dieser Situation etwas zu ändern, ohne eine nicht gerade zu Dumping-Preisen verscherbelte Lizenz vom Inhaber zu erwerben – sollte dieser überhaupt dazu bereit sein. Dazu passt ein Zitat von Bill Gates aus dem Jahr 1991, als Microsoft noch keine dominierende Stellung im Softwaremarkt einnahm:
„If people had understood how patents would be granted when most of today's ideas were invented, and had taken out patents, the industry would be at a complete standstill today.“
Sinngemäße Übersetzung: „Wenn die Leute damals, als die meisten heutzutage relevanten Ideen erfunden wurden, das Prinzip von Patenten verstanden und Patente angemeldet hätten, wäre die Industrie heute völlig gelähmt.“
Bill Gates
Wenn man sich vor Augen führt, auf welch' triviale „Erfindungen“ Patente erteilt werden, dürfen wir uns glücklich schätzen, dass beispielsweise in den 1980ern niemand auf die Idee gekommen ist, sich die grafische Benutzeroberfläche patentieren zu lassen. Jeder möge sich bitte zumindest teilweise durch die verlinkte Liste ausgewählter, bereits vom Europäischen Patentamt erteilter Patente durchklicken und dann jeweils für sich entscheiden, ob eine Erfindungshöhe gegeben ist, die ein Patent rechtfertigt.
Open Source Software
Open Source-Software, deren größte Teilmenge Freie Software (nicht zu verwechseln mit Freeware) ist, hat nicht nur keinerlei Vorteile durch Softwarepatente, sondern wird durch ein ausartendes Patentsystem noch zusätzlich benachteiligt. Denn einerseits ermöglicht es die Offenlegung des Quellcodes Dritten zwar, diesen auf Fehler hin zu überprüfen. Andererseits steht Mitbewerbern somit jedoch auch die Möglichkeit offen, Patentverletzungen konkret nachzuweisen, was bei proprietärer Software in dieser einfachen Form nicht möglich ist. Open Source-Software ist gesunde Konkurrenz und fördert die Verbreitung offener Standards, wohingegen das sozusagen „manuelle“ Regulieren der Praktiken eines großen Konzerns eine äußerst strapaziöse Angelegenheit sein kann – „die Europäische Union“ sollte das aktuell eigentlich am besten wissen...
Fazit
Abschließend betrachtet werden Softwarepatente viele Unternehmen vor große Probleme stellen. Sie benachteiligen neu in einen Markt eintretende Unternehmen, so dass es zu weniger Konkurrenz kommt. Eine präventive Patentrecherche ist in der Praxis nicht durchführbar. Die vom Rat vorgeschlagene Richtlinie enthält keinen effektiven Ansatz zum Verhindern der Erteilung von Trivialpatenten. Für Rechtstreitigkeiten gebundene, finanzielle Mittel fehlen in der Forschung und Entwicklung. Positive Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit einer Wirtschaft konnten im Gegensatz zu klassischen Patenten nicht nachgewiesen werden und ein 20-jähriges Monopol ist für die Verhältnisse der Software-Branche eine Ewigkeit und pures Gift für die Wirtschaft.
Die letztendlich verabschiedete Richtlinie wird sich daran messen lassen müssen, ob auf ihrer Grundlage ein Großteil der bereits erteilten Softwarepatente zukünftig nicht mehr gewährt würde. Bevor man die gängige Erteilungspraxis des Europäischen Patentamts in ein Gesetz zu gießen gedenkt, sollte man sich also der fatalen Konsequenzen bewusst sein und sich – solange es noch nicht zu spät ist – die Frage stellen, ob es nicht eine bessere Zukunft für Europa gibt.
Weiterführende Informationen gibt es unter anderem in unserem Lexikon zu den Themen Softwarepatent, Patent und Trivialpatent. Auch die im Abschnitt „Gesunde Konkurrenz“ genannte Liste ausgewählter, vom Europäischen Patentamt erteilter Softwarepatente ist sehr zu empfehlen.
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