AMD Phenom und der „Zwang“ zu OverDrive?
In unseren aktuellen Nachtests mit einem Phenom X4 9850 stoßen wir einmal mehr auf einige seltsame Dinge. AMD hat die Phenom-CPUs zwar von dem TLB-Bug befreit, jedoch wird ihnen direkt ab Werk noch nicht die maximale Performance mit auf den Weg gegeben. Besteht für das letzte Fünkchen Leistung letztendlich der „Zwang“ zu AMD Overdrive?
Wie wir bereits in unserem großen Round-Up gezeigt haben, unterscheidet sich der „gelbe“ und „rote“ Modus in AMD Overdrive (AOD) nicht nur durch die Farbe, einige Anwendungen profitieren wirklich davon. Diente jene Ampelfarbe bei den bisherigen Phenom-Prozessoren im B2-Stepping noch der Erkennung, respektive Deaktivierung des TLB-Fixes, dachten wir, dass es mit den neuen Prozessoren relativ egal ist, ob man zu AMD OverDrive greift oder es schlichtweg bleiben lässt. Doch weit gefehlt.
Da es inzwischen bereits die neue Version 2.0.17 von AMD OverDrive gibt, versuchten wir unser Glück mit dieser. Doch jene befand nach der Installation, dass unser Phenom X4 9850 keine AMD-CPU sei und verweigerte den Dienst. Es folgte also der Rückschritt auf Version 2.0.14, die zwar einige Details als „unknown“ ausliest, aber ansonsten wie bekannt funktioniert.
Verwundert durch einige Ergebnisse, die doch weit von den bisherigen entfernt lagen und so einfach gar nicht ins Bild passen konnten, entschlossen wir uns, dem Mysterium auf den Grund zu gehen. Insbesondere Cinebench in seinen zwei Varianten gab an der Stelle wieder den Ausschlag, hatte es doch bereits in unserem Round-Up „Elf Prozessoren von Athlon bis Phenom“ die stichhaltigsten Argumente geliefert. Ein identisches Bild konnten wir auch beim AMD Phenom X4 9850 mit B3-Stepping ausmachen. Startet man ganz normal sein Windows Vista und den ersten Test von Cinebench 2003, erreicht man einen Zahlenwert von runden 350 Punkten im 1-Kern-Test. AMD OverDrive ist nämlich, wenn man nichts an den Einstellungen ändert, per se immer auf den „gelben“ Modus eingestellt. Ändert man diesen Modus jedoch nach dem nächsten Start auf „rot“ und testet den gleichen Benchmark erneut, ist ein Ergebnis von bis zu 380 Punkten an der Tagesordnung.
Was nur wie ein kleiner Unterschied wirkt, ist es gar nicht. So wächst der prozentuale Unterschied bei diesem Test bereits auf sieben Prozent. Untermauert wird das Ergebnis vom neuen Cinebench R10, in dem eine Steigerung von 2.100 auf 2.240 Punkte ausgemacht werden kann. Wie schwer dieses Tool letztendlich wiegen kann, ist insbesondere bei kleinen Testreihen von maximal fünf Tests zu merken – eine zufällig „dumm gewählte Auswahl“ kann den kompletten Test ad absurdum führen. So ist nicht nur Cinebench allein betroffen, auch alle drei Varianten von 3DMark und viele weitere Anwendungen und Spiele zeigen dieses Verhalten. Und was zwischen drei und acht Prozent letztendlich in einem Gesamtrating, wie wir es zuletzt in unserem Test „Elf Prozessoren von Athlon bis Phenom“ gezeigt haben, ausmachen können, ist wohl mehr als deutlich.
Weiß man nun also um das interessante Verhalten von AOD, gibt es noch andere Eigenheiten des Tools, die Erwähnung finden sollten. So gibt es einen Punkt in den Optionen, mit denen man AOD erlauben kann, beim Systemstart einige Einstellungen automatisch vornehmen zu lassen. Dieser besitzt – zum Glück für uns – den Unterpunkt „AODAssist“, mit dem man dem Programm klar macht, dass es erst mit den Optimierungen anfängt, wenn man diesem nach dem Windows-Start zustimmt. Beginnt man direkt nach dem Start ins Windows mit der Optimierung, hat dies ein Einfrieren des Systems zur Folge. Lässt man den Unterpunkt weg und AOD gleich alles allein machen – erlaubt man also Änderungen ohne vorherige Zustimmung – wird man nach dem Start mit einem „Blue Screen“ bestraft. Diese Variante ist damit aktuell so nicht nutzbar.
Also bleibt auch weiterhin nur der (nervige) Weg, AOD direkt nach dem Start manuell aufzurufen und den roten Modus zu bestätigen – ein Vorgang, der, bei einem Prozessor-Test unseres Umfangs, leicht über hundert Mal abgespult wird. Im alltäglichen Betrieb dürfte das ständige Wechseln des Modus' nach einem Neustart über die Zeit ebenso nerven. Dies ist vielleicht einer von diversen Gründen, warum das Tool bereits seit Monaten im Beta-Stadium verharrt. Hinzu kommen gelegentliche Systemabstürze, auch wenn in OverDrive nicht ein einziger Punkt geändert sondern lediglich sichergestellt wird, dass alles korrekt konfiguriert ist. Letztendlich muss man sich fragen, warum man für die maximale Performance eines nicht übertakteten Prozessors erst ein Zusatztool benötigt, das sich darüber hinaus im Beta-Stadium befindet!?
Inspiriert durch die Kommentare haben wir die neue Version und – ganz wichtig – den dazugehörigen Fix installiert. Jene bietet erstmals die Option, dass genau die Einstellungen, die getätigt wurden, beim nächsten Start übernommen werden. Ein Start direkt im „roten“ Modus steht damit nichts mehr im Weg. Der letzte Abschnitt wird dadurch teilweise relativiert, an der Tatsache ändert sich jedoch nichts, dass man auch ohne Übertakten AOD installieren sollte, um mehr Leistung aus dem Prozessor zu holen. Da alle Möglichkeiten der Einstellung aber immer noch im Beta-Status sind, kann AMD alle kleineren Probleme bis zur finalen Version abstellen. Dann wird sich zeigen, ob ein Phenom auch ab Werk in Zusammenarbeit mit dem richtigen Betriebssystem im „roten“ Modus läuft. Gerüchte über einen Golden Phenom mit 3,2 GHz ohne eine Spannungserhöhung schüren diese Gedanken.
Weitere Nachforschungen, auf die uns ein Leser im IRC hingewiesen hat, ergaben, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen den BIOS-Einstellungen und AMD OverDrive gibt. So haben wir, wenn wir die Option „Auto Xpress“, die bei unserer Test-Platine von Gigabyte ein Unterpunkt im Menü „MB Intelligent Tweaker“ ist, aktivieren, sofort den schnellsten „roten“ Modus in AOD freigeschaltet. Ein Deaktivieren der Option „CPU Tweak“ in dem Menü „Auto Xpress“ führte prompt wieder zum gelben Modus in AOD. Damit müssen wir unser Fazit in der Richtung ändern, dass AMD OverDrive nur bei Mainboards ohne diese Einstellmöglichkeit benötigt wird. Bei Platinen, die diese Option in ähnlicher Art im BIOS vorweisen können, kann auf den Einsatz von AMD OverDrive bis zur finalen Version verzichtet werden.